| # taz.de -- Bürgerdialog-Konferenz der EU: Zukunft mit Verspätung | |
| > Die EU hat eine Konferenz zur Zukunft Europas auf den Weg gebracht. Über | |
| > die Frage, wer sie leiten solle, gab es monatelangen Streit. | |
| Bild: António Costa (l.), David Sassoli (m.) und Ursula von der Leyen unterzei… | |
| Brüssel taz | Fast zwei Jahre nach der Europawahl 2019 sucht die EU wieder | |
| das Gespräch mit den Bürgern. In Brüssel wurde am Mittwoch die „Konferenz | |
| zur Zukunft Europas“ eingeleitet, die den Weg für eine EU-Reform ebnen | |
| soll. Die Bürger dürfen dabei auf europäischer, nationaler und regionaler | |
| Ebene mitreden – jedenfalls in der Theorie. | |
| Die Praxis ist etwas komplizierter. Als der Startschuss am Mittwoch im | |
| Europaparlament fiel, gaben nicht etwa Vertreter der Zivilgesellschaft den | |
| Ton an, sondern die EU-Chefs. Der Präsident des Parlaments, David Sassoli, | |
| Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Portugals Regierungschef António | |
| Costa unterzeichneten das Gründungsdokument. | |
| „Heute wollen wir hören, wovon die EU-Bürger träumen“, sagte von der Ley… | |
| Die Zukunftskonferenz wolle die „stille Mehrheit“ erreichen, um die | |
| richtigen Reformen anzugehen. Parlamentspräsident Sassoli sprach von einem | |
| „besonderen Tag für die europäische Demokratie“. Die EU müsse mehr auf i… | |
| Bürger hören. | |
| Nach der Europawahl hatte keiner der offiziellen Spitzenkandidaten eine | |
| Mehrheit im Europaparlament auf sich vereinen können. [1][Von der Leyen] | |
| war [2][schließlich von den 27 Staats- und Regierungschefs eingesetzt | |
| worden] – ohne die Bürger zu befragen. Dies hatte Zweifel an der | |
| demokratischen Legitimation geweckt. | |
| ## Themen Klimapolitik und Migration | |
| Die Zukunftskonferenz soll nun darüber nachdenken, ob und wie das System | |
| der Spitzenkandidaten reformiert werden kann. Auch die Klimakrise, die | |
| Coronapandemie und die Migrationspolitik sollen zur Sprache kommen. „Wir | |
| müssen mehr Demokratie wagen und Europa wieder handlungsfähig machen“, | |
| fordert die SPD-Europaabgeordnete Gaby Bischoff. | |
| An die Arbeit geht es allerdings erst am 9. Mai, dem Europatag. Dann soll | |
| es eine Veranstaltung im Europaparlament in Straßburg geben. Die ersten | |
| großen Bürgerforen dürften sogar erst im Herbst stattfinden – wenn es die | |
| Pandemielage erlaubt. Mit Ergebnissen wird im ersten Halbjahr 2022 | |
| gerechnet, unter französischem EU-Vorsitz. | |
| Die Vorschläge dürften am Ende nicht „in der Schublade landen“, warnt | |
| Bischoff. Die Politik müsse sich mit den Vorschlägen der Bürger intensiv | |
| auseinandersetzen und auch ein Feedback geben. Ähnlich äußerte sich Sven | |
| Simon von der CDU: „Die Konferenz darf keine Übung in Selbstbeschäftigung | |
| der EU-Institutionen werden.“ | |
| Die Vorbereitungen waren jedoch genau das: eine Beschäftigungstherapie für | |
| EU-Politiker. Der Rat, die Kommission und das Europaparlament stritten | |
| monatelang darüber, wer die Konferenz leiten darf. Frankreichs Staatschef | |
| Emmanuel Macron schlug den Belgier Guy Verhofstadt vor, den langjährigen | |
| Chef der Liberalen. Er ist überzeugter Europäer und Föderalist. | |
| ## Vertragsänderungen wären notwendig | |
| Doch Macron stieß auf Widerstand mehrerer EU-Staaten, für die Verhofstadt | |
| der Vertreter eines „Superstaats Europa“ ist. Schließlich einigte man sich | |
| auf ein dreiköpfiges Führungsgremium: Jede EU-Institution bekommt einen | |
| Präsidenten. Eine Ebene darunter soll ein „Exekutivausschuss“ angesiedelt | |
| sein. Hier soll wiederum jede der drei Institutionen drei Vertreter | |
| stellen. | |
| Wesentlich weniger Energie verwendeten die EU-Staaten auf die Frage, was | |
| aus den Ergebnissen der Konferenz werden soll. Eine Verpflichtung zur | |
| Umsetzung der Reformideen gibt es deshalb nicht. Falls die Bürger auf die | |
| Idee kommen sollten, die „Vereinigten Staaten von Europa“ auszurufen, | |
| hätten sie schlechte Karten. Denn dafür – und für viele andere | |
| weitreichende Reformen – wäre eine Änderung der EU-Verträge nötig. Dem | |
| müssten alle 27 EU-Staaten zustimmen. | |
| 10 Mar 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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