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# taz.de -- Lebensmittelverordnungen: Zu wenig Zucker, zu vegetarisch
> Ein Auto darf nur Auto heißen, wenn es einen Verbrennungsmotor hat? Was
> für Technik absurd klingt, ist bei Lebensmitteln Realität.
Bild: Schokolade oder keine Schokolade, das ist hier die Frage
Woche eins nach dem Showdown zwischen Ritter Sport und Ernährungsministerin
Julia Klöckner, und noch immer sind die zentralen Fragen offen: Darf
Schokolade Schokolade heißen, auch wenn sie keinen penetrant süßenden,
teilweise kariesverursachenden Wirkstoff enthält? Hat Ritter Sport einfach
nur eine ziemlich clevere PR-Abteilung? Und wie kann es sein, dass es im
Jahr 2021 überhaupt Vorgaben für Mindestzuckermengen in irgendeinem
Lebensmittel gibt?
Wenn es darum geht, was wie und unter welchem Namen verkauft werden darf,
dann gilt für Lebensmittel: Bloß nicht zu viel Neues. Da nehmen sich die
Regularien nicht viel, egal ob es um die deutsche Kakaoverordnung, die
EU-Verordnung Nr. 1308/2013 oder die Leitsätze der
Lebensmittelbuch-Kommission geht. Innovatives, vielleicht gar Disruptives?
Davon gibt es anderswo genug. Das sieht dann etwa so aus: Limonade? Muss
mindestens 7 Prozent Zucker enthalten. Milch, Käse, Joghurt? Darf sich nur
nennen, was aus Euterflüssigkeit von Tieren besteht. Veggie-Filet? Geht
nicht, wo Filet draufsteht, muss schon totes Tier drin sein.
Dass Verbraucher:innen ausreichend detektivisches Geschick zuzutrauen
ist, von der Bezeichnung Hafermilch auf ein Produkt mit der Konsistenz von
Milch und dem Inhaltsstoff Hafer zu schließen – nein, völlig
ausgeschlossen, wirklich. Weshalb Hersteller von Hafermilch nun meistens
Haferdrink draufschreiben, was klingt wie Babynahrung meets Berghain.
Gäbe es den Lebensmittelvorgaben entsprechende Regeln beispielsweise für
den Technikbereich, hieße das etwa: ein Auto? Ist nur dann ein Auto, wenn
es einen Verbrennungmotor hat. Staubsauger? Darf sich nur nennen, was
lautstärkemäßig an ein startendes Flugzeug erinnert. Lampe? Muss bei
Auslieferung ein Leuchtmittel mit Wolfram-Glühwendel enthalten, um als
Lampe verkauft werden zu dürfen.
Auf der anderen Seite zeigen sich die Lebensmittel-Wächter:innen großzügig:
Heringssalat zum Beispiel. Ist ausführlich definiert in den Leitsätzen für
Feinkostsalate. Überraschend: In Heringssalat gehört tatächlich Hering.
Aber was schätzen Sie, wie viel mindestens? Drei Viertel, zwei Drittel, ein
Drittel, wer bietet weniger? Die Leitsätze für Feinkostsalate: ein Fünftel.
Angesichts dessen wird klar, warum mancher Hersteller auf die Zutatenliste
vor Heringshappen voller Stolz schreibt: „40 %“.
Das Beste, was Ritter Sport mit seiner haushaltszuckerfreien
Vielleichtschokolade machen könnte, wäre übrigens: doch unter dem Begriff
Schokolade verkaufen. Und bei einer Abmahnung die nächste PR-Aktion
initiieren. Die Preise für eine Tafel, die im Internet jetzt schon bis zum
Zehnfachen des Verkaufspreises gehandelt werden, würden die Schokolade erst
richtig attraktiv machen. Als Geldanlage.
12 Feb 2021
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Wir retten die Welt
Ernährung
Schokolade
Kolumne Digitalozän
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