| # taz.de -- Pressefreiheit in China: Ernüchternde Entwicklung | |
| > Einreiseverbote, Visa-Sperren, Einschüchterungsversuche: Mit der Pandemie | |
| > haben sich die Arbeitsbedingungen für China-Korrespondenten verschärft. | |
| Bild: Einreise für Journalist:innen nicht garantiert: Pandemiekontrolle am Flu… | |
| Peking taz | Korrespondent:in in China zu sein ähnelt seit Ausbruch der | |
| Coronapandemie immer stärker [1][einem nicht endenwollenden | |
| Durchhaltewettbewerb]. Die Regeln in diesem Spiel sind simpel: Es geht vor | |
| allem darum, auf unbestimmte Zeit im Land auszuharren. Wer jedoch in die | |
| Heimat fliegt, etwa um seine pflegebedürftigen Eltern oder lange vermisste | |
| Ehepartner:innen zu besuchen, hat verloren – und die Regierung, so | |
| scheint es, ein weiteres Mal gewonnen. | |
| Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die Staatsführung in Peking die | |
| Pandemie als Vorwand nutzt, um die internationale Presse auszudünnen. Im | |
| Gegensatz zu Geschäftsleuten oder anderen Expats bleibt ausländischen | |
| Journalist:innen die Rückreise in die Volksrepublik grundsätzlich | |
| verwehrt – trotz mehrwöchiger Quarantäne und negativer Coronatests. Rund | |
| zwei Dutzend Korrespondent:innen stecken derzeit in ihren | |
| Herkunftsländern fest, ohne Hoffnung auf baldige Rückkehr nach China. | |
| Wie schwierig unabhängige China-Berichterstattung in Zeiten von Corona | |
| geworden ist, demonstriert ein am Montag publizierter Jahresbericht des | |
| Korrespondentenclubs in China. Zum dritten Mal in Folge gab demnach kein | |
| einziges der 150 befragten Mitglieder an, dass sich die Arbeitsbedingungen | |
| im Land verbessert hätten. | |
| Praktisch jeder der Kolleginnen und Kollegen hat die Zensur am eigenen Leib | |
| zu spüren bekommen: Wer in „sensible“ Gegenden reist, wird spätestens am | |
| nächsten Morgen in der Hotellobby von der Lokalpolizei in Empfang genommen. | |
| Dem US-Kollegen vom Fernsehen wurden während einer Recherche zum Ursprung | |
| des Coronavirus die Autoreifen zerstochen. | |
| Die letzten zwei verbliebenen australischen Korrespondenten bekamen | |
| zeitgleich kurz vor Mitternacht Besuch von Sicherheitsbeamten, um sie über | |
| eine Ausreisesperre zu informieren: Sie suchten Unterschlupf in der | |
| Botschaft, ehe sie im September letzten Jahres nach fünftägigen | |
| Verhandlungen auf höchster diplomatischer Ebene das Land verlassen durften. | |
| ## Ausreiseverbote gehören zum Repertoire | |
| „Davor hatten wir angenommen, dass wir im schlimmsten Fall abgeschoben | |
| würden“, sagt Michael Smith, mit Bill Birtles, Korrespondent des | |
| australischen Fernsehsenders ABC, einer der Betroffenen. Doch die alten | |
| Präzedenzfälle gelten nicht mehr, längst gehören auch Ausreiseverbote zum | |
| Repertoire der chinesischen Staatsmacht. | |
| Nur Verhaftungen, die letztmögliche Eskalationsstufe, treffen bislang | |
| vorwiegend eigene Staatsbürger:innen: Haze Fang, angestellt als | |
| Rechercheurin bei der Nachrichtenagentur Bloomberg, sitzt seit letztem | |
| Dezember im Gefängnis. Ihr wird vorgeworfen, die „nationale Sicherheit | |
| gefährdet“ zu haben. Einzelheiten blieb die Staatsanwalt – wie so oft – | |
| schuldig. | |
| Neu ist zudem, dass die Behörden epidemiologische Maßnahmen zur Bekämpfung | |
| der Pandemie gezielt gegen kritische Journalist:innen anwenden. So | |
| werden Korrespondent:innen regelmäßig willkürlich mit | |
| Quarantäne-Androhungen von Reportagereisen in „sensible“ Regionen wie | |
| Xinjiang abgehalten. | |
| Im letzten Jahr haben die Behörden so viele Journalist:innen | |
| abgeschoben wie zuletzt 1989 nach der blutigen Niederschlagung der | |
| Studentenbewegung am Tiananmen-Platz. „Ich habe meine Arbeit mit 15 | |
| Reportern begonnen und wollte unser Büro weiter ausbauen“, sagt etwa | |
| Jonathan Cheng, der vor rund zwei Jahren für das Wall Street Journal von | |
| Seoul nach Peking gezogen ist: „Mittlerweile haben wir nur mehr vier | |
| Journalisten vor Ort in China.“ | |
| Natürlich gehen [2][die Ausweisungen von 18 US-amerikanischen | |
| Korrespondent:innen] der New York Times, Washington Post und Wall | |
| Street Journal auch auf Ex-Präsident Donald Trump zurück, der mit | |
| fahrlässigen Visa-Restriktionen gegen chinesische Staatsjournalisten | |
| Pekings Vergeltung geradezu provoziert hat. | |
| ## Anzeigen in deutschen Blättern | |
| Dennoch zeichnet sich eine für die Branche ernüchternde Entwicklung ab: | |
| Chinas Staatsführung, die sich von westlichen Medien fundamental | |
| missverstanden fühlt, verweigert sich einem kritischen Dialog und setzt | |
| stattdessen auf Kontrolle und Unterdrückung. | |
| Gleichzeitig laufen die Anstrengungen auf Hochtouren, das eigene Narrativ | |
| in die Welt zu posaunen – durch englischsprachige Propagandasender, die in | |
| ihren Nachrichtensendungen krude Thesen über den Virusursprung oder | |
| scheinbar glückliche Uiguren in der westlichen Provinz Xinjiang | |
| ausstrahlen. Gleichzeitig schaltet die Regierung auch Anzeigen in der | |
| heimischen Presse, zuletzt in der Donnerstagsausgabe der Frankfurter | |
| Allgemeinen Zeitung. | |
| Die deutschsprachige Medienlandschaft hat dem immer weniger | |
| entgegenzusetzen. In den letzten Jahren hat sich die Anzahl an | |
| Korrespondent:innen der heimischen Presse auch ohne Abschiebungen und | |
| Visasperren dezimiert. | |
| Die immer schwierigeren Arbeitsbedingungen, eine hohe Luftverschmutzung und | |
| drastisch gestiegene Lebenskosten haben dazu geführt, dass immer weniger | |
| Kolleg:innen aus den Redaktionen überhaupt gewillt sind, aus der | |
| bequemen „Berliner Bubble“ nach Peking zu ziehen. Weit entfernt scheinen | |
| die Zeiten, als der Titel „China-Korrespondent“ noch als journalistischer | |
| Ritterschlag galt, der an langgediente Kolleg:innen jenseits der | |
| Mittvierziger verliehen wurde. | |
| ## Begrenzte Neugierde | |
| Gleichzeitig scheint die Neugierde über das bevölkerungsreichste Land der | |
| Welt begrenzt. Als Beleg reicht ein willkürlicher Jahresrückblick auf den | |
| Spiegel: 2020 hat das größte Nachrichtenmagazin Deutschlands insgesamt acht | |
| USA-Cover gedruckt, jedoch nur zwei Titel mit China-Bezug – trotz Wuhan, | |
| Hongkong und Xinjiang. | |
| Das Missverhältnis spiegelt sich auch in der Belegschaft wider: Während der | |
| Spiegel einen China-Korrespondent:innen für das Land von 1,4 Milliarden | |
| unterhält, gibt es immerhin noch vier festangestellte Journalist:innen | |
| in den Vereinigten Staaten. | |
| Wenn China seine Grenzen nicht bald öffnet, dann ist es nur eine Frage der | |
| Zeit, dass in den kommenden Monaten weitere Kolleg:innen das Handtuch | |
| schmeißen werden oder aufgrund ausgelaufener Verträge das Land verlassen. | |
| Da jedoch seit Beginn der Pandemie praktisch keine Visa an westliche | |
| Journalist:innen vergeben wurden, können die Stellen nicht nachbesetzt | |
| werden. Der Verdacht liegt nahe, dass die Regierung unter dem Vorwand des | |
| Virus die Reihen der Auslandspresse regelrecht ausdünnen möchte. | |
| Spätestens in den kommenden Monaten wird die Angelegenheit auch auf dem | |
| Schreibtisch von Heiko Maas landen. Dass der deutsche Außenminister im | |
| Alleingang eine Erleichterung der Situation erreichen könnte, erscheint | |
| fraglich. Zudem kann Peking auf die täglichen Infektionszahlen verweisen, | |
| die in China gegen null tendieren und in Deutschland ungleich höher liegen. | |
| Dabei sollte Chinas Staatsführung einsehen, dass der derzeitige | |
| Konfrontationskurs eine klassische „Lose-lose-Situation“ ist. Der Frust | |
| unter den verbliebenen Korrespondent:innen schlägt sich auch in der | |
| Berichterstattung nieder, die zunehmend die Repressalien der Behörden | |
| thematisiert. Und je weniger Journalist:innen vor Ort sind, desto | |
| klischeebehafteter werden die Zeitungsartikel. Wer wirklich nuanciert | |
| berichten möchte, kann dies nicht ausschließlich aus der redaktionellen | |
| Ferne tun. | |
| 7 Mar 2021 | |
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| [1] /China-verschaerft-Kontrolle-der-Presse/!5745253 | |
| [2] /China-weist-US-Journalisten-aus/!5668951 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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