# taz.de -- Pressemitteilungen der Hamburger Polizei: Information oder Vorurtei… | |
> Die Hamburger Polizei nennt bei „schwerwiegenden“ Straftaten die | |
> Nationalität des Verdächtigen. Kritiker befürchten, dass das Vorurteile | |
> schürt. | |
Bild: Was tut's zur Sache, wo einer herkommt: Festnahme eines Verdächtigen | |
HAMBURG taz | Die Pressemitteilungen der Hamburger Polizei enthalten | |
regelmäßig [1][Hinweise auf die Nationalität von Tatverdächtigen]. Wie die | |
Polizei auf Nachfrage des [2][Bürgerschaftsabgeordneten Deniz Celik (Die | |
Linke)] bestätigte, macht sie „Angaben zur Nationalität grundsätzlich bei | |
erwachsenen Tatverdächtigen im Zusammenhang mit schwerwiegenden | |
Straftaten“. Celik findet das problematisch: Diese Praxis könne bestehende | |
Vorurteile verstärken, sagt er. | |
Dass die Polizei die Nationalität von Verdächtigen nenne, empfänden viele | |
Menschen als diskriminierend, sagt der Linken-Politiker. Immer wieder | |
erhalte er E-Mails von Menschen ausländischer Herkunft, die sich darüber | |
aufregten und beschwerten. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass die Polizei | |
an dieser Praxis festhält“, sagt Celik. Bei den allermeisten Meldungen sei | |
die Nationalität des Verdächtigen nicht relevant für die Einordnung der | |
Straftat. | |
Celik verweist auf den [3][Kodex des Deutschen Pressrats], nach dem die | |
Nationaliät nur in Fällen „begründeten öffentlichen Interesses“ genannt | |
werden soll (siehe Kasten). | |
Die Polizei weist hingegen darauf hin, dass der Pressekodex ethische | |
Standards nicht für die Polizei, sondern für den Journalismus festlege. | |
„Trotzdem orientieren wir uns natürlich daran, um den Vertretern der Presse | |
bestmöglich die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe zu ermöglichen“, | |
teilte die Polizei auf Anfrage der taz mit. | |
Die Polizeipressestelle stelle den Journalisten lediglich ein | |
Informationsangebot zur Verfügung. „Die Journalisten wiederum wägen unter | |
Berücksichtigung des Pressekodex eigenverantwortlich ab, inwiefern diese | |
Informationen veröffentlicht werden“, sagte Polizeisprecherin Sandra | |
Levgrün. | |
Konstantina Vassiliou-Enz, Geschäftsführerin des [4][Vereins Neue Deutsche | |
Medienmacher*innen,] hat daran Zweifel. Der Verein versteht sich als | |
„Interessenvertretung für Medienschaffende mit Migrationsgeschichte und | |
tritt für eine ausgewogene Berichterstattung ein, die das Einwanderungsland | |
Deutschland adäquat wiedergibt“. Vassilou-Enz weist darauf hin, dass die | |
Polizei heute selbst als publizierende Stelle auftritt. | |
Zwar veröffentlicht die Polizei auf ihren Social-Media-Kanälen wie | |
Twitter, Facebook, Instagram und Youtube nur in Ausnahmefällen die | |
Nationalität von Verdächtigen, über Twitter verlinkt das Social-Media-Team | |
aber auf das öffentlich zugängliche Portal mit den Pressemeldungen der | |
Polizei. | |
Das Argument, hier ein umfassendes Informationsangebot zu machen, aus dem | |
die Presse auswählen kann, leuchtet Vassiliou-Enz nicht so recht ein: | |
„Warum steht da nicht die Schuhgröße dabei“, fragt sie, „oder ob die Le… | |
Erbkrankheiten haben?“ | |
Dabei konzediert sie wie Celik – und wie es auch in den Leitlinien zum | |
Pressekodex steht –, dass es Gründe für eine Nennung der Nationalität geben | |
kann. Dazu gehört etwa die besondere Schwere einer Straftat, dass sie aus | |
einer Gruppe heraus begangen wurde, dass die Biografie des Täters dafür | |
wichtig ist oder der Täter die eigenständige Struktur seiner | |
Herkunftsgruppe benutzt hat. | |
In der bundesweiten Praxis scheinen diese Leitsätze jedoch immer seltener | |
angewendet zu werden. Noch 2014 spielte die Herkunft von Tatverdächtigen in | |
den Nachrichten kaum eine Rolle, wie eine [5][Untersuchung der Berliner | |
Hochschule Macromedia] ergeben hat. Nur knapp fünf Prozent der untersuchten | |
Beiträge enthielten Informationen zur Herkunft der Beteiligten. | |
Das war allerdings vor der Kölner Silvesternacht 2015/2016, bei der es in | |
einer Menschenmenge zu einer Vielzahl von Übergriffen auf Frauen kam. Dass | |
die Taten wesentlich von eingewanderten jungen Männern begangen wurden, kam | |
zunächst nicht zur Sprache, weshalb den Medien vorgeworfen wurde, sie | |
hätten das verschwiegen. Der Druck wirkte offenbar: 2017 sprang der Anteil | |
der Nennungen auf knapp 18 Prozent, 2019 sogar auf 31 Prozent. | |
Die Hamburger Polizei jedenfalls teilt auch bei weniger gewichtigen | |
Delikten wie Fahrrad- oder Taschendiebstahl die Nationalität mit. Dass sie | |
nicht groß differenziert, legt aus Sicht des Abgeordneten Celik „den | |
Verdacht nahe, dass sie ihre Verantwortung im Zusammenhang mit der | |
Wahrnehmung von Nationalität verkennt“. | |
5 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Polizei-nennt-haeufiger-die-Nationalitaet/!5657928 | |
[2] https://www.linksfraktion-hamburg.de/fraktion/deniz-celik/ | |
[3] https://www.presserat.de/leitsaetze-zur-richtlinie-12-1.html | |
[4] https://www.neuemedienmacher.de/ueber-uns/ | |
[5] /Herkunftsnennung-bei-Straftaten/!5645189 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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