# taz.de -- Nach Krieg um Bergkarabach: Der Feind in meiner Mine | |
> Der Krieg um Bergkarabach endete mit einem Waffenstillstand. Die Goldmine | |
> Sotk liegt nun gleichzeitig in Armenien und Aserbaidschan. | |
Bild: Die Goldmine liegt im armenisch-aserbaidschanischen Grenzgebiet Sotk | |
BERLIN taz | Zwar haben Armenien und Aserbaidschan ihren jüngsten Krieg um | |
die Region Bergkarabach am 10. November vergangenen Jahres [1][für beendet | |
erklärt], aber auf einer anderen Ebene schwelen die Unstimmigkeiten der | |
beiden Südkaukasusrepubliken weiter. Im Mittelpunkt steht Edelmetall – | |
dabei geht es um den Zugriff auf die lukrative Goldmine Sotk in der Region | |
Kelbadschar. | |
Armenien behauptet, dass sich die Hälfte der Mine auf armenischem Gebiet | |
befindet, während die Regierung in Aserbaidschan 74 Prozent für sich | |
beansprucht. | |
Die Mine ist seit 1976 in Betrieb. Damals – zu Zeiten der Sowjetunion – | |
hatte das Geologieministerium in Moskau die Verwaltung der Grube auf | |
Armenien übertragen. Bis zum Ausbruch des jüngsten Krieges Ende September | |
2020 war ihr Betreiber der viertgrößte Steuerzahler im Land. | |
Zuletzt brachte sie der armenischen Staatskasse umgerechnet etwa 36,7 | |
Millionen Euro und beschäftigte rund 1.650 Mitarbeiter*innen. 2012 lagen | |
die Reserven bei 31.141 Tonnen Erz, 133,5 Tonnen Gold und 175,6 Tonnen | |
Silber. Auf der Website des Unternehmens heißt es, dass die Mine 2018 | |
130.000 Unzen Gold lieferte und die Vorkommen für weitere 18 Jahre | |
gesichert seien. | |
## Kooperation der Länder unwahrscheinlich | |
Betrieben wird sie von der GeoProMining Investment, die über ein Netz von | |
Offshore-Outfits verwaltet wird, das wiederum Filialen in den Niederlanden, | |
Russland, auf Zypern sowie den Britischen Jungferninseln unterhält. | |
In Armenien betreibt GeoProMining auch die Ararat-Goldgewinnungsanlage und | |
eine Kupfer-Molybdän-Anlage im Süden. In Russland besitzt das Unternehmen | |
mehrere sibirische Minen. Mehrheitsaktionär ist der russische Immobilien- | |
und Flughafentycoon Roman Trotsenko, ein enger Verbündeter von Präsident | |
Wladimir Putin. | |
GeoProMining hatte sich das Nutzungsrecht an der Goldmine Sotk bis 2028 | |
gesichert. Doch nun ist unklar, wie es konkret weitergeht. Nach dem | |
Waffenstillstandsabkommen hat Aserbaidschan die Kontrolle über alle sieben | |
Regionen, die Bergkarabach umgeben. Russische Friedenstruppen [2][sollen | |
die Umsetzung der Vereinbarung absichern]. Optimistische | |
Beobachter*innen hoffen, dass es zu einer Kooperation beider Staaten | |
kommt, die allen nützt. Das könnte dann ein erster Schritt auf dem Weg zu | |
einer Versöhnung sein. | |
Doch zunächst haben die Länder derartigen Gedankenspielen eine Absage | |
erteilt. Nein, heißt es aus der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. | |
Immerhin habe Armenien etwa 30 Jahre allein von der Mine profitiert, nun | |
sei man auch mal dran. „Die Armenier haben versucht, so viel Erz wie | |
möglich aus unserer Zone zu gewinnen“, sagte Ali Aliyev, der den Nationalen | |
Geologischen Dienst des Ministeriums für Ökologie und natürliche Ressourcen | |
in Aserbaidschan leitet, der Nachrichtenagentur Turan. „Jetzt werden wir | |
anfangen, unseren Schaden zu bewerten.“ | |
Kontaminiertes Wasser | |
Auch an GeoProMining stellt Baku Ansprüche. „In den vergangenen Jahren | |
hatten wir keine Beziehungen zu dem russischen Unternehmen“, sagte Aliyev. | |
Jetzt wolle Aserbaidschan den Hauptanteil der Steuern – entsprechend der | |
Rechte an der Mine. In Jerewan ist ebenfalls keine Rede von einer | |
Kooperation. Vielmehr beherrscht die Angst vor dem Feind alle Gedanken. Der | |
sei jetzt noch gefährlicher geworden, weil er noch näher herangekommen sei, | |
heißt es. | |
Eine wesentliche Auswirkung der Goldmine ist bei den Regierenden auf beiden | |
Seiten kein Thema: Umweltschützer*innen kritisieren den Betrieb schon | |
lange aus ökologischen und gesundheitlichen Gründen. „Mindestens sieben | |
Dörfer befinden sich in der Einflusszone“, zitiert die armenische | |
Investigativplattform Hetq Gemeindevorsteher Hakob Avetyan. „Weil die Winde | |
hier sehr stark sind, erreicht sie der giftige Staub alle.“ | |
Das Wasser ist verschiedenen Gutachten zufolge mit Schwermetallen | |
kontaminiert und fließt in den Fluss Sotk, aus dem die Bewohner*innen | |
ihre Gemüsegärten und ihr Land bewässern. Der Fluss mündet in den Sevansee, | |
den mit knapp 1.300 Quadratkilometern Fläche größten Süßwassersee des | |
gesamten Kaukasus. Laut Hetq könnten auch die ungewöhnlich häufigen | |
Erkrankungen von Kindern in Sotk an Zerebralparese und anderen geistigen | |
und körperlichen Beeinträchtigungen auf Gifte aus der Mine zurückzuführen | |
sein. | |
Alle Proteste unter armenischer Hoheit waren ergebnislos. Die Regierung | |
verwies auf entlastende Daten des Minenkonzerns und verweigerte unabhängige | |
Untersuchungen. Dass Aserbaidschan anders vorgeht, ist nicht zu erwarten. | |
23 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Tigran Petrosyan | |
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