# taz.de -- Nach dem Krieg um Bergkarabach: Die Verlorenen | |
> Mane Tandilyan wird belagert. Alle wollen etwas von der Ministerin: | |
> Geflüchtete, Menschen ohne Obdach. Armenien muss Tausende Vertriebene | |
> versorgen. | |
An einer Tür klebt ein Zettel, darauf steht „Hadrut“, an der Tür daneben | |
„Schuschi“, eine Etage höher „Khashatagh“, und „Kalbajar“. Das sin… | |
Namen der Städte und Regionen von Bergkarabach, die Armenien im [1][Krieg | |
gegen Aserbaidschan] ganz oder zum Teil verloren hat. Ein vierstöckiges | |
Bürogebäude, 15 Autominuten vom Zentrum der armenischen Hauptstadt Jerewan | |
entfernt, ist zur Anlaufstelle für Geflüchtete umfunktioniert worden. Auf | |
den Korridoren drängen sich Menschen aus Bergkarabach so dicht, dass kein | |
Bogen Papier mehr zwischen sie passt. | |
Mane Tandilyan bleibt deshalb einen Augenblick auf der Treppe stehen, bis | |
zwei Mitarbeiter einen freien Raum mit einem Tisch für sie gefunden haben. | |
Ein paar Stühle werden durch die Menschenmenge getragen. Vier | |
Mitarbeiter*innen von Tandilyan nehmen Platz. Mit hochgezogenen Augenbrauen | |
fixieren sie das Gesicht der Frau, die gekommen ist, um die Probleme der | |
Geflüchteten lösen zu helfen. | |
Gerade mal einen Monat ist es her, dass Mane Tandilyan, 42, ihr Amt als | |
neue Ministerin für Arbeit, Soziales und Migration in Bergkarabach | |
angetreten hat. Sie ist gerade auf einer Dienstreise in Jerewan und will | |
die Lage der Flüchtlinge in Armenien vor Ort erkunden. Jetzt, nach der | |
bitteren Niederlage im Krieg, ist die Person, die diese Position innehat, | |
eine der wichtigsten, aber vielleicht auch verletzlichsten Figuren. | |
Am 10. November 2020 wurde der 44-tägige Krieg zwischen Armenien und | |
Aserbaidschan um Bergkarabach beendet. Ein Abkommen war unter Vermittlung | |
von Moskau ausgehandelt worden. Laut der Vereinbarung, deren Umsetzung | |
russische Friedenstruppen absichern sollen, verliert Armenien die Kontrolle | |
über alle sieben Regionen, die Bergkarabach umgeben. Davon ausgenommen ist | |
nur der „Latschin-Korridor“, der Armenien mit Bergkarabach verbindet. Über | |
den genauen Status von Bergkarabach schweigt sich die Vereinbarung aus. | |
Vor dem Krieg wohnten in Bergkarabach und in den umliegenden Regionen etwa | |
148.000 Menschen. Von rund 90.000 Geflüchteten sind inzwischen etwa 50.000 | |
wieder zurückgekehrt. Viele suchen jedoch [2][Schutz in Armenien] – ohne | |
dauerhafte Unterkunft, ohne Job und ohne Perspektive für den morgigen Tag. | |
## 122 Euro für jeden erwachsenen Flüchtling | |
Ob Tandilyan daran etwas ändern kann? In den Räumlichkeiten füllen Menschen | |
Anträge aus, um finanzielle Unterstützung zu bekommen. Die Regierung hat | |
Sozialprogramme für die Geflüchteten aufgelegt. Jede*r Erwachse bekommt | |
68.000 armenisches Dram, umgerechnet etwa 122 Euro, was dem Mindestlohn im | |
Land entspricht, und jedes Kind umgerechnet rund 27 Euro. Einmalig. | |
Zusätzlich erhält jede*r etwa 536 Euro Entschädigung für den Verlust des | |
eigenen Hauses in jenen Gebieten, die an Aserbaidschan abgetreten werden | |
mussten – ebenfalls einmalig. | |
Doch nicht jeder hat Zugang zu diesen Hilfszahlungen. Mit dem Sieg | |
Armeniens im Krieg gegen Aserbaidschan in den 1990er Jahren eroberte das | |
Land damals die sieben Regionen um Bergkarabach und erklärte sie zur | |
„Sicherheitszone“. In den dreißig folgenden Jahren hat die armenische | |
Regierung versucht, ihre Bürger*innen dort anzusiedeln. Doch viele Menschen | |
haben in diesen Regionen sowie in Bergkarabach selbst ohne eine Anmeldung | |
gewohnt. Umgekehrt waren viele Menschen in diesen Regionen registriert, die | |
irgendwo anders in Bergkarabach oder in Armenien lebten. Nun müssen die | |
Geflüchteten nachweisen, dass sie zumindest die letzten drei Monate | |
tatsächlich dort gelebt haben, um finanzielle und soziale Hilfen zu | |
erhalten. | |
Dafür legen die Menschen Bescheinigungen von Gemeindevorstehern, Quittungen | |
für Nebenkosten, Heizung und Wasser, Geburtsurkunden, | |
Schulabschlusszeugnisse und Kitabescheinigungen vor. Die haben sie | |
wochenlang gesammelt. | |
Die Trauer über den Verlust der Heimat hat nachgelassen. Doch die Menschen | |
sind zornig. Alle fünf Minuten kommt jemand herein, um mit der neuen | |
Ministerin persönlich zu sprechen. In den Korridoren wird es immer lauter. | |
Tandilyan wechselt den Raum. Sie geht zu den Leuten und stellt sich vor. | |
Vor allem Männer umringen sie, so wie hungrige Wölfe ihre Beute. Bullige | |
Typen stehen in der ersten Reihe. Sie gestikulieren mit den Händen und | |
starren Tandilyan an. Einige filmen mit ihrem Smartphone. Sie wollen | |
Beweise, falls die Ministerin etwas verspricht. Doch das tut sie nicht. | |
„Welche Sicherheitsgarantien geben Sie uns, wenn wir zurückkehren?“, fragt | |
ein Mann. „Aserbaidschanische Soldaten patrouillieren nur wenige Meter von | |
unserem Dorf entfernt“, ruft ein anderer. Ein Mann zieht aus seiner | |
Manteltasche ein Stück zusammengefaltetes Papier. Er liest darauf notierte | |
Zahlen vor, die angeben, wie viele Hundert Hektar Weizen- und Gerstenfelder | |
er verloren habe. „Ich will eine Entschädigung“, sagt er. Das fordert auch | |
sein Nebenmann: „Ich habe ein Haus gebaut, wo nun der Feind wohnen wird. | |
Doch ich zahle seit Jahren Bankkredite zurück.“ | |
Ein Mann steht die ganze Zeit mit erhobenem Zeigefinger in der Mitte. Seine | |
grau-weißen Haare und sein gleichfarbiger Bart sowie tiefe Falten im | |
Gesicht lassen sein Alter erahnen. Er steckt in einer Jacke aus Schaffell, | |
die schon bessere Zeiten gesehen hat. Keiner lässt ihn zu Wort kommen, bis | |
er plötzlich laut wird. „Ich finde meinen Sohn nicht“, sagt er. Plötzlich | |
verstummen alle Gespräche. Nur der Vater des vermissten Soldaten erhebt | |
seine Stimme aufs Neue: „Ich weiß bis heute nicht, ob mein Sohn tot ist | |
oder gefangen genommen wurde“, sagt er und erhebt wieder drohend den | |
Zeigefinger. | |
„Die Administration des Premierministers schickt mich zum | |
Verteidigungsministerium. Dort verweisen sie mich an das Büro des Roten | |
Kreuzes. Niemand redet mit mir. Wohin soll ich denn noch gehen? Geben Sie | |
mir doch eine Auskunft!“, sagt er und wartet gar nicht erst auf eine | |
Antwort. „Ihr seid schuld, ihr – die Regierung, dass wir in eine solche | |
schreckliche Situation geraten sind“, sagt er. | |
Tandilyan fehlen die Worte, sie entschuldigt sich. Mehr kann sie nicht tun. | |
Es gibt noch tausend Fragen, aber sie muss gehen. Schnell läuft sie die | |
Treppen hinunter. Einige Grüppchen folgen ihr noch ein paar Stufen hinab | |
und brüllen dann hinter ihr her. „Sie verarscht uns, wie all die anderen | |
Politiker“, schreit ein Mann. „Erzählt uns keinen Scheiß!“, brüllt ein | |
anderer. | |
Unten wartet Tandilyans Fahrer in einem schwarzen Nissan. „Zum Warenlager“, | |
sagt sie. Den zentralen Republikplatz will sie weiträumig umfahren. Dort | |
demonstrieren jeden Tag oppositionelle Kräfte. Sie fordern den Rücktritt | |
von Premierminister Nikol Paschinjan. Er war 2018an die Macht gekommen und | |
als Held gefeiert worden. Doch jetzt ist er der Sündenbock. Die Leute geben | |
ihm die Schuld an der schmachvollen Kapitulation. | |
Viele haben das Vertrauen in staatliche Institutionen verloren und fühlen | |
sich betrogen. Tandilyan hat dafür eine Erklärung. Nicht nur Paschinjan sei | |
schuld: „Der Kampf gegen Korruption wird seit Jahren von Politikern | |
geführt, die selbst korrupt sind. Seit dreißig Jahren sind Beamte und die | |
Generalität auf Kosten unserer Steuerzahler immer reicher geworden. Sie | |
besitzen Villen und private Schlösser, und das in diesem armen Land“, sagt | |
sie. „Heute sind diese Leute die Opposition, die auf dem Republikplatz | |
demonstriert. Sie wollen nur wieder an die Macht kommen, sonst nichts.“ | |
## Der Sammelplatz für Spenden | |
Am Stadtrand von Jerewan, auf einem verlassenen Fabrikgelände aus | |
Sowjetzeiten, werden Spenden gelagert. Menschen suchen sich Kleidung aus. | |
Kisten voll mit Schuhen stapeln sich hier, zwei Kleinkinder spielen damit. | |
Sie ziehen einzelne Schuhe heraus und lachen. Der Verlust von Hab und Gut | |
ist kein Thema. Stattdessen huscht ein Lächeln über die Gesichter der | |
Menschen, wenn sie eine passende Hose oder eine warme Jacke finden. Lust zu | |
reden hat niemand – und wenn doch, dann nur, um sich zu bedanken. Eine | |
Gruppe von Freiwilligen entlädt ein Auto voller Decken. Einige Familien | |
holen die Decken direkt dort ab, der Rest kommt ins Lager. | |
Tandilyan trägt einen langen grauen Mantel, der bis zu ihren Stiefeln | |
reicht. Um ihren Hals hat sie einen Schal gebunden. Sie ist groß und dünn, | |
ihre langen Haare sind erdbeerfarben. | |
Ihre Assistentin, die ihr auf Schritt und Tritt folgt, hat offensichtlich | |
einen ähnlichen Geschmack. Auch sie ist mit einem langen Mantel bekleidet | |
und hat ähnlich gefärbte Haare. Araqsya Grigoryan ist 37 Jahre alt und | |
Tandilyans Vertrauensperson Nummer eins. Sie ist mit ihr nach Stepanakert, | |
der Hauptstadt von Bergkarabach, gezogen. Die zwei teilen sich eine | |
Wohnung. | |
## Hilfe aus Zypern | |
Hagob Ipdijian wendet sich an die beiden Frauen. Der 33-jährige Armenier | |
ist vor zwei Wochen von Zypern nach Armenien geflogen. Die dortige | |
armenische Gemeinde habe bereits zwei Flugzeuge mit medizinischen | |
Hilfsgütern in das Mutterland geschickt. Nun will Ipdijian auch nach | |
Bergkarabach fahren. „Wir lassen die Armenier*innen dort nicht allein“, | |
sagt er. Die zypriotische armenische Diaspora-Gemeinde wolle ein | |
Rehabilitationszentrum in Bergkarabach finanzieren. Griechisches und | |
armenisches medizinisches Personal, etwa 60 Personen, werde demnächst von | |
Zypern nach Bergkarabach reisen. Tandilyan gibt ihm die Hand. Sie | |
vereinbaren ein Treffen in Stepanakert. | |
Ministerin Mane Tandilyan war im privaten Sektor tätig, bevor sie in die | |
Politik ging. 1999 absolvierte sie die historische Fakultät der | |
Pädagogischen Universität von Jerewan mit einem Bachelor in Pädagogik. | |
„Damit konnte ich als Geschichtslehrerin arbeiten, vor allem, weil mein | |
Vater damals eine Schule leitete“, erzählt sie später, nach der Ankunft in | |
Stepanakert. „Ich wollte aber besser leben und mehr verdienen als die 180 | |
Euro, die eine Lehrerin monatlich bekommt“, sagt sie und fügt hinzu: „Das | |
Gute dabei ist, dass ich das früh verstanden habe.“ | |
Mit 21 Jahre begann sie ein Masterstudium für Business Administration an | |
der amerikanischen Universität in Jerewan. Ihr Ziel war es, in der | |
Buchhaltung eines Unternehmens zu arbeiten. „Jeder Unternehmer braucht | |
guten Spezialist*innen, die sich im Finanzwesen auskennen. Das läuft anders | |
als im staatlichen Sektor in Armenien, wo man durch Bestechung einen Job | |
bekommt – egal ob als Lehrerin oder Buchhalterin.“ | |
Tandilyan leitete die Buchhaltung erfolgreicher Unternehmen in Armenien. | |
Zugleich begann ihre Karriere in der Politik. 2018 wurde sie zur Ministerin | |
für Arbeit und Soziales der Republik Armenien ernannt – die einzige Frau in | |
der Regierung von Nikol Paschinjan. Sechs Monate später trat sie zurück, | |
weil sie die Rentenreform ablehnte. „Diese Reform wendet sich gegen die | |
Bürger*innen, da sie Pflichtbeiträge zahlen müssen“, lautete ihre | |
Begründung. | |
Im August 2020 legte sie auch ihr Parlamentsmandat nieder, genauso wie den | |
Posten der Vizevorsitzenden der Partei Leuchtendes Armenien – aus | |
„gesundheitlichen Gründen“, wie es hieß. „Ein Verlust für die armenisc… | |
Politik“, schrieben armenischen Journalist*innen damals. Die | |
Oppositionspartei Leuchtendes Armenien hat seitdem an Gewicht verloren, | |
denn Tandilyan war ein Aushängeschild ihrer Partei – eine begnadete | |
Rednerin im Parlament, vor der alle Respekt hatten. | |
Warum ist sie jetzt wieder in die Politik zurückgekehrt? „Weil die Wurzeln | |
aller Probleme politisch sind“, sagt Tandilyan. Sie könne nicht wegschauen, | |
wenn sie wisse, dass sie helfen könne. So zieht sie nach dem Krieg nach | |
Stepanakert. Allein. Und die Familie? Ihr Mann und ihre zwei Söhne leben | |
schon seit mehreren Jahren nicht mehr in Armenien. Von sich selbst sagt | |
sie: „Ich bin keine alleinstehende Frau, ich lebe nur allein in Armenien.“ | |
Über ihr Privatleben mag sie nicht reden. Sie habe ihren Kindern | |
versprochen, sie aus dem öffentlichen Leben ihrer Mutter in Armenien | |
herauszuhalten. „Beurteilen Sie mich danach, was ich als Politikerin tue“, | |
sagt Tandilyan. In Stepanakert hat sie eine neue Heimat gefunden. | |
## In Stepanakert ist wenig vom verlorenen Krieg zu spüren | |
Wer nichts von dem Krieg weiß, käme in der Hauptstadt von Bergkarabach | |
nicht auf die Idee, dass hier bis vor gut einem Monat gekämpft wurde. Alle | |
Geschäfte sind geöffnet. Überall wird gebaut – einige Wohnhäuser sowie ei… | |
Schule und das Krankenhaus waren Ziele aserbaidschanischer Angriffe. Die | |
zentrale Straße heißt nach wie vor Azatamarikner – benannt nach | |
Freiheitskämpfern. | |
Überall ist es blitzsauber, die Ausfallstraßen sind wie geleckt. Zu beiden | |
Seiten der Azatamarikner-Straße warten Cafés und Bäckereien auf | |
Kundschaft. Frauen vertreiben sich plaudernd die Zeit in Schönheitssalons, | |
bis sie an die Reihe kommen. Auch die Zentralbibliothek ist geöffnet. | |
An jeder Ecke steht ein Bankautomat, davor lange Schlangen. Was ins Auge | |
sticht, sind die russischen Flaggen, die an den Fahrzeugen der | |
Friedenstruppen flattern. „Die Russen haben uns gerettet“, dieser Satz ist | |
häufig zu hören. Allein 10 Millionen Euro Finanzhilfe hat der Kreml für die | |
Vertriebenen zur Verfügung gestellt. | |
Die Straße der Freiheitskämpfer führt bis zu einem alten, dreistöckigen | |
Gebäude aus rötlich-violettem Tuffstein, dem Ministerium für Soziales. An | |
der Eingangstür hängt ein Schild, darauf stehen Uhrzeit und Ort, an dem | |
kostenlos warmes Essen ausgegeben wird. | |
Tandilyan erscheint täglich um neun an ihrem Arbeitsplatz. Sie bleibt dort | |
bis zehn Uhr abends, auch am Wochenende. Im Büro ist es eng. An der Wand | |
hinter ihrem Bürosessel hängt eine große Karte von Bergkarabach, die seit | |
einem Monat veraltetet ist, denn die Region ist merklich geschrumpft. Dafür | |
ist die Landesflagge, die vom Boden bis zum Decke reicht, umso größer. | |
Tandilyan will schnell sein. Sie kennt das aus der Privatwirtschaft. „Das | |
Business wartet nicht“, sagt sie. Doch sie selbst muss oft warten, bis ihre | |
Mitarbeiter*innen per Hand einen Brief oder Referenzen geschrieben haben | |
und ihr zur Unterschrift vorlegen. Sie hätten keine E-Mail-Adressen, die | |
interne Kommunikation im Ministerium sei lahmgelegt. Es fehle nicht nur | |
eine korrekte Datenbank, sondern es gebe überhaupt keine. „Die Bürokratie | |
stiehlt meine Zeit“, sagt sie. Aber anders gehe es derzeit leider nicht. | |
## Mädchen sind besser, meint die Ministerin | |
Tandilyan sagt: „Im Allgemeinen sind Mädchen in der Ausbildung weiter | |
fortgeschritten als Jungen. Weil Mädchen fleißiger, gewissenhafter, | |
fürsorglicher, konsequenter und weitsichtiger sind. Diese Eigenschaften | |
sind auch in der Politik gefragt. Doch dort gibt es zu wenige Frauen. | |
Deshalb funktionieren die staatlichen Institutionen bisher auch noch nicht | |
richtig.“ | |
Sie will das Stereotyp zerstören, dass Entscheidungsträger in der | |
armenischen patriarchalischen Gesellschaft nur Männer sein dürfen. „Es ist | |
nicht nur eine Aufgabe von Männern, sich in der Politik zu engagieren. Die | |
Hälfte der Bevölkerung ist weiblich. Deshalb sollten Frauen Entscheidungen | |
mitgestalten. Der Ausschluss von Frauen von der Politik stört das | |
politische Gleichgewicht, was zu falschen Entscheidungen führt. Deshalb | |
erzielen wir keine Ergebnisse.“ | |
Eine Frau von beträchtlichem Körperumfang kommt herein. Sie hat Mühe, sich | |
aufrecht zu halten. Sie habe Schmerzen im Bein, deshalb könne sie nicht | |
mehr warten, sagt sie. Ihr Mann sei gestorben, ihr Sohn behindert. Sie sei | |
hier, um finanzielle Hilfe zu bekommen. Ihr Antrag sei noch nicht abgelehnt | |
worden, doch die Zeit dränge. Vielleicht könne die neue Ministerin ihr | |
Problem lösen? Erst als sie ein Ja von der Ministerin hört, geht sie nach | |
Hause. Morgen wird sie wohl wiederkommen. Solche Besuche hatte Tandilyan | |
öfter. | |
„Jeder will Geld“, sagt Tandilyan. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten … | |
Bergkarabach seien Staatsangestellte. Tandilyan will deswegen die private | |
Wirtschaft fördern. Eine Nähfabrik soll entstehen, in der vor allem Frauen | |
Arbeit finden. Die Befreiung von Steuern wäre ein guter Start für den | |
Betrieb. | |
„Ich werde Bergkarabach nicht im Stich lassen“, sagt sie. Dennoch schließt | |
sie nicht aus, nach Armenien zu gehen und sich dort wieder um einen höheren | |
politischen Posten zu bewerben. „Mir ist eines klar“, sagt sie: „Der | |
Schlüssel zu einer Lösung der Probleme von Bergkarabach liegt in Jerewan.“ | |
5 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Tigran Petrosyan | |
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