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# taz.de -- Krise in Armenien: Angst vor einem Militärputsch
> Erstmals fodern auch führende Vertreter der Armee den Rücktritt von
> Premier Paschinjan. Der kündigt ein härteres Vorgehen gegen die
> Opposition an.
Bild: Nikol Pashinyan spricht zu seinen Anhängern während einer Versammlung a…
Berlin taz | In der Südkaukasusrepublik Armenien wächst der Druck auf die
Machthaber. Am Freitag bauten Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude im
Zentrum der Hauptstadt Jerewan Zelte auf und forderten erneut den Rücktritt
der Regierung. Sollte die Regierung dem nicht nachkommen, schloss der
Oppositionspolitiker Wazgen Manukjan, der bis zu Neuwahlen eine
Übergangsregierung führen will, auch die Anwendung von Gewalt nicht mehr
aus. „Wir müssen jederzeit bereit sein, die Macht durch eine blitzschnelle
Rebellion zu übernehmen,“ sagte er.
Demgegenüber warf Ministerpräsident Nikol Paschinjan den Streitkräften
einen Putschversuch vor, nachdem am Donnerstag auch über 40 Generäle und
andere Führungskräfte des Generalstabs den Premier in einer gemeinsamen
Erklärung öffentlich dazu aufgefordert hatten, seinen Posten zu räumen.
„Die Armee darf sich nicht an politischen Prozessen beteiligen und muss dem
Volk und seinen gewählten Vertretern gehorchen“, sagte Paschinjan am
Donnerstag bei einem Auftritt auf dem Platz der Republik und gab die
Entlassung des Generalstabschefs und eines seiner Stellvertreter bekannt.
Und er fügte hinzu: „Ich habe euch die Schulterklappen eines Generals
gegeben, aber das habt ihr mir nicht gedankt.“
Begleitet von einem starken Polizeiaufgebot hatten sich am Donnerstag
Nachmittag Tausende, überwiegend Männer, versammelt, um Paschinjan zu
hören. Sie skandierten „Nikol, Premierminister“- eine Replik auf die Rufe
„Nikol, Verräter“, die mittlerweile zu einem Markenzeichen der Opposition
geworden sind.
## Härtere Gangart
2018 waren auf dem Republik-Platz Zehntausende zusammen gekommen und hatten
Paschinjan im Zuge der „Samtene Revolution“ zur Macht verholfen. Seit dem
jüngsten Krieges gegen Aserbaidschan um die Region Bergkarabach, der für
Jerewan im November 2020 mit [1][dem Verlust der Kontrolle über sieben
Gebiete und einen Teil von Bergkarabach] endete, ist Paschinjan zum
„Verräter“ mutiert.
Die samtenen Zeiten seien vorbei, sagte der Regierungschef am Donnerstag
und deutete damit an, dass er ab jetzt eine härtere Gangart gegenüber
seinen Gegnern einschlagen wolle. Einen Rücktritt, wie von der Opposition
bereits seit Wochen gefordert, oder Neuwahlen lehnt Paschinjan bislang ab.
Dass das Militär ausgerechnet jetzt öffentlich Kritik an der Regierung
äußert, ist kein Zufall. „Das größte Versage dieser Regierung ist die
militärische Niederlage, deren Hauptgrund die „napoleonischen“ Neigungen
des Premierministers sind“, schreibt Aram Abrahamjan, Chefredakteur der
unabhängigen armenischen Tageszeitung Aravot. Trotz der Warnungen von
Militärexperten habe Paschinjan falsche Entscheidungen getroffen, die jetzt
ins Chaos führten.
Die Armeeoffiziere sind empört über die Behauptung der Regierung, dass der
Grund für die Niederlage ein Verrat des Militärs gewesen sei. Auch
Paschinjan selbst hat diesen Vorwurf mehrmals erhoben. Inwieweit das den
Tatsachen entspricht, ist unklar. Jedoch gebe Paschinjan den Offizieren die
Schuld an der Niederlage, um sich selbst zu rechtfertigen, schreibt
Abrahamjan.
## Russland verspottet
Auch andere hohe Militärs haben sich den Unmut Paschinjans zugezogen. So
hatte Paschinjan den Vize-Stabschef der Streitkräfte, Tigran Khatschatrjan,
dieser Tage entlassen. Dieser hatte sich über Äußerungen Paschinjans lustig
gemacht, die im jüngsten Konflikt um Bergkarabach von Russland gelieferten
Iskander-Raketen hätten versagt.
Weil sich Teile des Militärs auf ihre Seite geschlagen haben, glaubt die
Opposition jetzt, auch bei der Bevölkerung punkten zu können.Zu einer
weiteren Verschärfung der Krise könnte es bereits am kommenden Montag
kommen. [2][Am 1. März 2008] und damit wenige Wochen nach der gefälschten
Präsidentenwahl war es in Jerewan zu Straßenschlachten gekommen, bei den
zehn Menschen getötet wurden. Paschinjan führte damals die Demonstration
gegen die Regierung an und scheiterte. Die damalige Regierung ist heute in
der Opposition und könnte auf Rache sinnen.
26 Feb 2021
## LINKS
[1] /Von-Armenien-nach-Bergkarabach/!5742895
[2] /Armenischer-Dissident-Paschinjan/!5497337
## AUTOREN
Tigran Petrosyan
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