# taz.de -- Experte zu AfD und Verfassungsschutz: „Die Lage der Partei ist de… | |
> Der Gesamt-AfD droht die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall. Das | |
> wäre der Anfang vom Ende, sagt Rechtsextremismus-Experte Alexander | |
> Häusler. | |
Bild: Die AfD: Bald nur noch eine lästige Randerscheinung? | |
taz: Herr Häusler, viel spricht dafür, dass die AfD als Gesamtpartei bald | |
durch den Verfassungsschutz [1][als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft | |
wird] und dies früher oder später auch öffentlich bekannt wird. Was würde | |
das für die AfD bedeuten? | |
Alexander Häusler: Eine Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall bringt | |
die AfD in die schwierigste Situation seit ihrem Bestehen. Die Lage für sie | |
ist desaströs. Bisher hat die Partei eine ziemlich beispiellose | |
Erfolgsserie hingelegt, es ging von Wahlerfolg zu Wahlerfolg, auch durch | |
immer neue populistische Provokationen. Diese Erfolgsserie ist durch die | |
Coronapandemie eingebrochen. | |
Und die AfD hat auch die populistische Eskalationsschraube überdreht. Sie | |
ist dadurch in ihrer Entwicklung immer weiter nach rechts gerückt und quasi | |
zwangsläufig ins Visier der Verfassungsschutzbehörden gekommen. Die | |
Konsequenz für die AfD ist verheerend. | |
Inwiefern? | |
Die AfD wird bei ihren nationalkonservativen Wählermilieus verlieren, denn | |
die wollen nicht in den Ruch kommen, rechtsextrem zu sein. Sie wird beim | |
Personal Federn lassen müssen, weil Leuten, die im Staatsdienst sind – | |
[2][wie Polizeibeamte, Lehrer oder Soldaten] – Konsequenzen drohen, wenn | |
sie bei einer Partei aktiv sind, die in der Rubrik Rechtsextremismus | |
geführt wird. | |
Und sie wird finanzielle Einbrüche haben, weil sie auch stark von | |
Privatspendern lebt und ein Unternehmer sich eine Spende an die AfD nun | |
zweimal überlegen wird, wenn er Gegenkampagnen fürchten muss, weil er eine | |
rechtsextreme Partei unterstützt. Die Erfolgsgeschichte der AfD dürfte | |
vorbei sein. | |
Warum sind Sie bezüglich des Einbruchs in der Wählergunst so sicher? Die | |
AfD hat den sogenannten bürgerlichen WählerInnen schon zahlreiche Anlässe | |
geboten, sich abzuwenden – zum Beispiel durch Gaulands Äußerung über den NS | |
als „Vogelschiss“. De facto ist aber wenig passiert. | |
Der rechtspopulistische Tabubruch funktionierte da noch: Man konnte sich | |
als angeblicher Vertreter des Volkswillens inszenieren und dazu sagen, man | |
gehöre nicht in die rechte Ecke. Mit dieser Masche hat die AfD ihre Erfolge | |
erzielt. Aber das funktioniert nicht mehr, wenn die rechtsextreme | |
Einstufung ausgesprochen ist. | |
Die „Das wird man doch mal sagen dürfen“-Milieus, die gesellschaftlich | |
etwas zu verlieren haben, werden Abstand nehmen. Dann bleiben die bekennend | |
rechtsextremen Wähler. | |
Die AfD kontert gern mit dem Argument, die anderen Parteien würden den | |
Verfassungsschutz politisch instrumentalisieren, eine Stasi 2.0 quasi. Kann | |
das verfangen? | |
Der neurechte Vordenker Karlheinz Weißmann hat mal aus seiner Sicht etwas | |
Richtiges befürchtet: Der AfD drohe ein Rückfall in eine „Lega Ost“, wenn | |
sie sich weiter radikalisiere. Im Osten verfängt diese Erzählung von der | |
Stasi 2.0 vielleicht, aber nicht bundesweit. Weißmann und Co setzen auf die | |
Lücke zwischen CDU/CSU und dem rechten Rand. Und eben nicht auf bekennenden | |
Rechtsextremismus. | |
Sie wissen ja: Die Geschichte der rechten Parteien in der Bundesrepublik | |
war bis zur AfD eine Geschichte der Erfolglosigkeit: All diese Parteien, | |
wie die Republikaner oder der Bund Freier Bürger, sind den Weg in die | |
Marginalisierung gegangen. Erfolg kann man nur haben, wenn man auch | |
konservative Milieus mobilisiert. | |
Wo Sie gerade auf die Republikaner verweisen: Bei denen ging 1992 mit der | |
Überwachung durch den Verfassungsschutz der Niedergang einher: Sehen Sie da | |
Parallelen? | |
Das ist schwer zu vergleichen. Die Lage ist heute ja eine ganz andere, | |
sowohl was die politische Situation angeht als auch die Situation im | |
rechten Lager. Die Republikaner hatten damals noch Konkurrenz, die AfD hat | |
sich ja quasi zum Dach des rechten Lagers entwickelt. Aber natürlich gab es | |
damals und gibt es heute innere Widersprüche in diesen Parteien, die durch | |
Druck von außen und den Verfassungsschutz verschärft werden. | |
Was heißt das für die AfD? | |
Die AfD ist ja eine Art eine Sammlungsbewegung aus verschiedenen | |
Kernmilieus: der nationalliberalen Richtung mit marktradikalen | |
Wirtschaftsansichten, dem nationalkonservativ gesinnten Milieu von früheren | |
Unionsanhängern und den völkischen Nationalisten und offen Rechtsextremen. | |
Die drei Strömungen haben eine Art Burgfrieden geschlossen, und dank der | |
permanenten Erfolge bei Wahlen konnten die Konflikte unter den Teppich | |
gekehrt werden. Aber jetzt brechen sie aus. | |
Welche Rolle spielt dabei der Verfassungsschutz? | |
Er erhöht den Druck. Die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall wirkt | |
wie ein Damoklesschwert, sie ist existenzbedrohend. Die AfD hat ihren | |
Erfolg aus der Zustimmung dieser unterschiedlichen Milieus gewonnen. Wenn | |
die Brücke zum bürgerlichen Lager bricht, dann war’s das mit diesen | |
Erfolgen. Allein mit ostdeutschen Protestwählern und offen Rechtsextremen | |
lassen sich keine großen Wahlerfolge erzielen. | |
Noch gibt es in der Partei Leute, die noch etwas zu verlieren haben, die | |
eine gesellschaftliche Stellung haben – die sind wichtig für die | |
Außenwirkung für die Partei. Sonst bleiben nur die rechten Hasardeure, die | |
sowieso nichts mehr zu verlieren haben. | |
Der Niedergang der AfD wäre also eingeläutet? | |
Ja, zumindest das Ende ihrer bisherigen Erfolgsserie. | |
Das wurde allerdings in der noch relativ kurzen Geschichte der AfD schon | |
mehrfach behauptet. | |
Ja, ich habe auch schon oft gedacht, jetzt ist das Ende der Fahnenstange | |
erreicht. Und dann war es das doch nicht. Man muss also vorsichtig sein. | |
Aber wenn man überlegt, wo in der Bundesrepublik der Platz für eine | |
Rechtsaußenpartei ist, kommt man zu dem Ergebnis: Mit ihrer populistischen | |
Eskalationsschraube hat sich die AfD ihr eigenes Grab geschaufelt. | |
Interessanterweise haben sich viele der erfolgreichen Rechtsaußenparteien | |
in Europa ja auch genau andersherum entwickelt. | |
Vom Rechtsextremismus Richtung Mitte. | |
Genau. Die sind, wie der frühere Front National, die Lega oder auch | |
Parteien im skandinavischen Raum, in der rechtsextremen Ecke entstanden und | |
haben eine taktische Zivilisierung durchlaufen. Sie sind in die Mitte | |
gerückt, um größere Wählersegmente zu erreichen. Die AfD ist den | |
umgekehrten Weg gegangen und hat jetzt das Stigma des Rechtsextremismus. | |
Was glauben Sie: Was wird dann passieren? | |
Die AfD wird weiter versuchen, sich juristisch zu wehren. Fatal wäre | |
natürlich, wenn ihre Klagen erfolgreich wären und der Verfassungsschutz die | |
Einstufung zurücknehmen müsste. | |
Wenn die AfD aber damit scheitert und die Partei als rechtsextremer | |
Verdachtsfall eingestuft ist, wäre das Ende der Ära Meuthen automatisch | |
eingeleitet. Seine Konkurrenten von ganz rechtsaußen könnten jubilieren, | |
dass der ganze Anpassungskurs gescheitert ist, und sich durchsetzen. | |
Meuthen könnte dann die Reißleine ziehen, die Partei verlassen und einen | |
Teil der AfD mitnehmen. Sie könnten dann in den westdeutschen Bundesländern | |
Republikaner 2.0 spielen. | |
Wenn man Ihnen folgt, gäbe es also eine Art Republikaner 2.0 im Westen und | |
eine „Lega Ost“. Wie erfolgreich könnten solchen Parteien sein? | |
Nicht sehr. Wahrscheinlich müssten sie zumindest im Westen der Republik um | |
die Fünfprozenthürde kämpfen, der Niedergang wäre sehr wahrscheinlich. Aber | |
derzeit ist das natürlich noch ein Prozess mit offenem Ausgang. | |
3 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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