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# taz.de -- Belastung von Frauen wächst: Neues aus der Mutti-Falle
> Arbeit in der Familie verschiebt sich in Pandemie-Zeiten zu Lasten der
> Frauen. Ein Grund für Depressionen? Dann doch lieber Eierlikör und Italo
> Disco.
Bild: Neues aus der Mutti-Falle – die Erwartungen an die Frauen, alles zu sch…
Der Kollege smst mir zu dieser Kolumnenreihe: „Inzwischen schreiben da ja
nur noch Muttis über das Coronaleben mit Kindern. Väter scheinen was
anderes zu tun zu haben.“ Ein paar Tage war ich dann nochmal eine Umdrehung
depressiver. Dann wütender. Auf ihn, auf mich, auf die ganze
Scheißsituation, aufs Schweinesystem. Denn vielleicht hat er recht.
Über was zum Henker soll ich denn sonst schreiben? Was ist da schon noch?
Außer eben: Wir sind zu Hause, die Heizungsluft ist schlecht, wir müssen
drei Mal Essen machen. Die Kinder kriegen neue Wochenpläne. Die Kinder
haben Videokonferenzen. Sie können weder Disziplin noch Technik allein. Die
Stimmung ist ätzend, weil Eltern nicht ohne Grund nicht die Lehrer*innen
ihrer Kinder sein sollten und alle mehr Zeit für sich bräuchten.
Und ja, tatsächlich, die Mütter scheinen anders, stärker betroffen zu sein
von der [1][irre anstrengenden Heimschul- und Betreuungsarbeit] als die
Väter. Zumindest beobachte ich das bei vielen. Nicht, dass die Väter nicht
auch sitzen mit den Kindern, schwitzen und verzweifeln, loben, schimpfen
und Tränenausbrüche aushalten.
## Wir schneiden uns ins eigene Fleisch
Aber sie gehen danach arbeiten, in die Werkstatt, das Büro, ins häusliche
Arbeitszimmer. Die Verwaltung dieses ewigwährenden Zustands scheint mehr
auf den Schultern der Mütter zu ruhen. Wir Frauen können das halt oft
besser. Wir mailen und telefonieren, wir haben die Termine und Stundenpläne
im Blick, tauschen uns mit anderen Müttern aus und organisieren das
bisschen Rumpffreizeit für die Kinder, das noch möglich ist. Wir meckern,
wenn die Männer den Musik-VK-Termin vergessen. Wir schneiden uns ins eigene
Fleisch, weil die Männer uns dann eben machen lassen, wo wir es doch so
viel besser können.
Und dann haben wir den Salat. Den neuen Job aber nicht.
Denn am Ende des Tages bleibt uns nach all dem Gerödel höchstens noch genug
Energie für Rumpferwerbsarbeit (Kolumnen schreiben zum Beispiel, das geht
nämlich auch nachts oder ganz früh morgens, bevor alle geweckt werden
müssen, weil gleich die „Schule“ anfängt). Aber sicher nicht fürs
Bewerbungen-Schreiben. Call it Mental Load. Verzehrende Immanenz.
Stagnation. Mutti-Falle.
Herrgottsakra.
Darauf einen selbstgebrauten Eierlikör beim spätabendlichen
Distanzspaziergang mit der Freundin.
Mir fehlt dieser Tage die intellektuelle Hellsichtigkeit, um Ursachen und
Wirkungen vollends aufzudröseln, die Erkenntnisse sämtlicher feministischer
Waves anzuwenden und luzide Schlussfolgerungen zu ziehen.
## Traurigkeit omnipräsent
Ich verweise in Sachen schlaue, datengestützte Analyse zu den Fallstricken
weiblicher Sozialisation (für den sozial-emotionalen Kitt sorgen, die
Bedürfnisse anderer frühzeitig erkennen und sich selbst zurücknehmen,
verbindlich und kommunikativ sein, belastbar und rücksichtsvoll und vor
allem nie lange sauer) auf das schöne Buch [2][„Speak Out! Die Kraft
weiblicher Wut“ der US-Amerikanerin Soraya Chemaly.] Es ist im Mai 2020
erschienen, und ich habe die Hälfte davon übersetzt. Die andere Hälfte habe
ich nicht geschafft. Burnout, so lautete die ach so zeitgemäße Diagnose.
Corona macht Traurigkeit und Erschöpfung noch mehr zu gleichzeitig
omnipräsenten wie irgendwie geheiligten Zuständen; Mütter sprechen viel
darüber untereinander, denken aber trotzdem, es allein hinkriegen zu
müssen. Und beantragen dann drei Wochen Mutter-Kind-Kur.
Schluss damit.
Wir sind viele. Und wir werden jetzt aufmüpfig. Lassen die Beschulung
einfach sein. Machen es uns und den Kindern schön. Fahren in die Wälder,
mit Sack und Pack, den [3][neuen tropischen Zimmerpflanzen] und dem
Eierlikör. Bauen Lehmhütten, sammeln Kräuter, machen Feuer, häuten
Wildkaninchen. Tanzen zu Trance, Italo Disco und Happy Hardcore. Fahren nur
noch mal kurz in die Stadt, wenn wir einen Impftermin haben. Ach was,
entwickeln einen eigenen Impfstoff. Gründen Imperien. Kirsten Riesselmann
30 Jan 2021
## LINKS
[1] /Schulschliessung-aus-Sicht-einer-Mutter/!5738030
[2] /Misogynie-und-Rassismus/!5689403
[3] /Geschichte-der-Zimmerpflanze/!5648549
## AUTOREN
Kirsten Riesselmann
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