Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- In die Geschäfte nur mit Coronatest: Wie andersweltlich das alles …
> Sagenhaft niedrige Preise – unerreichbar, weil der Coronatest fehlt.
> Keine Lust auf Schlangestehen beim Testzentrum und Viren einsammeln.
Bild: Nein, zu Hause selbst getestet und dann das Strichelchen vorgezeigt – d…
Zahlen steigen, Temperaturen nicht, Infektionsschutzgesetze werden
vielleicht geändert, Kanzlerkandidat*innen eventuell gekürt. Alle,
die noch keinen Kleingarten und keine [1][alte Dorfschule in der Uckermark]
haben, suchen wie von der Tarantel gestochen nach ihrem Fleckchen im
Grünen, sie googeln, nein, sie ecosiaen nach Datschen, Höfen und
Stellplätzen oder beauftragen gleich Tiny-House-Bauer mit dem Bau eines
Tiny House. Das ist der Frühling 2021.
Auch der Kottbusser Damm macht auf Springtime: Stehen da tatsächlich
Rollständer auf dem Trottoir, behängt mit Konfektionsware und sagenhaft
niedrigen Preisen? Hat da ein Modegeschäft auf? Yes, indeed: Bei den
Restposten aus London ist die Tür einladend weit geöffnet. Einen Meter
weiter drinnen allerdings flattert rotes Absperrband, samt Stoppschild und
Tafel: „Betreten nur nach Vorlage eines negativen Coronatests.“
Ich stelle mich an die Bandbarriere und warte, bis eine Mitarbeiterin kommt
und mir weitere Auskunft gibt: Ja, ich brauche einen tagesaktuellen Test
aus dem Testzentrum. Nein, zu Hause selbst getestet und dann das
Strichelchen vorgezeigt reiche nicht. Nein, so richtig lohne sich dieses
Konzept nicht, es kämen nicht viele. Ach ja, die Apotheke ein paar Meter
weiter teste auch.
Tatsächlich knubbeln sich vor der Mauritius-Apotheke, berühmt für ihre
unglaublich leuchtenden, großformatigen Sonderangebotsaufkleber, die
Testwilligen, viele ohne Maske.
## Viren einsammeln
Konzept der Gewerbetreibenden auf dem Kottbusser Damm offenbar: ab zu
Mauritius, Schlangestehen, Viren einsammeln, Attest und
Weleda-Infludoron-Streukügelchen, „bei den ersten Anzeichen einer
Erkältung“, zum reduzierten Preis aus der Apotheke tragen und nichts wie ab
zu den Klamöttchen. Dann Partyfummel im feinsten Tigerlook nach Hause
tragen, brav im Schrank bunkern und auf die Öffnung der Außengastronomie
warten.
Ich kaufe lieber – wahrscheinlich nur, weil es der leisetreterischen
Verklemmtheit meines Bildungsstands entspricht – nette
Geburtstagspostkarten im Kunst-Café „Klötze und Schinken“ auf der
Bürknerstraße. Gleich im Dutzend, denn eine retrogestylte
Landschulkreidetafel vor dem Laden bittet um diese Geste der Solidarität.
Ein paar Meter weiter hat Frau Doktor Sibylle Katzenstein, republikweit
bekannt aus „Hart aber fair“ und „Maybrit Illner“, einen Eimer auf die
Straße gestellt: „Liebe Raucher, bitte entsorgen Sie Ihre Kippen in den
Aschenbechern. Wir testen viele Kinder, die Kippen aufheben könnten.
Covid-19 wird über Tröpfchen und Speichel übertragen, Kippen sind
potenziell infektiös. Vielen Dank!“ Es sind keine Kippen im Eimer,
drumherum aber schon.
## Barkultur muss sein!
Das Bürkner Eck hat DIY-Linolschnittkarten in einen Halter gestellt. Die
Barbetreiber finden, „Ein bisschen Barkultur muss sein!“, und bieten ihre
Drinks als „Bottled Cocktails“ an, auf der Website steht, was es so gibt.
Wie lange schon hat man nicht mehr auf eine gepflegte Cocktailkarte
geschaut!
Wie kultiviert, wie dunkel, lockend, andersweltlich das alles klingt:
„Quitte & Brot – Roggenbasierter Korn von SWD, Koriandergeist, Quitte und
Zitrone verbinden sich zu einem fruchtigen Vodka-Sour-Twist.“ Oder der
„Artist’s Special“, eine „Whiskey-Sour-Variante mit rauchigem Scotch,
Sherry Amontillado, Johannisbeere und Zitrone“. Ja, bald schon wird
bestellt, bald schon wird der Distanzspaziergang mit sprödem Handbier
abgelöst von Raffinesse und Sinnesfreude.
Aber halt, was war da noch mit diesem Amontillado? 9. Klasse, Poe? Das Fass
Sherry als Köder im Keller, danach lebendig eingemauert? Das magische
Denken will, dass auf den Künstlerspezial mit hoher Wahrscheinlichkeit ein
dreimonatiger Brücken-Lockdown folgt, die erneute Schließung von Schulen
und Restposten, der Verbot des Sommerurlaubs, der Streik des
Intensivpflegepersonals, der Tod der Kulturnationen. Hier hilft nur
therapeutischer Rat: Gedankenstopp. Darauf!
16 Apr 2021
## LINKS
[1] /Keine-Landidylle/!5710896
## AUTOREN
Kirsten Riesselmann
## TAGS
Kolumne Berlin viral
Schwerpunkt Coronavirus
Einkaufen
Berlin-Neukölln
Berlin-Kreuzberg
Kolumne Berlin viral
Kolumne Berlin viral
Kolumne Berlin viral
Test
Kolumne Berlin viral
Kolumne Berlin viral
Kolumne Berlin viral
## ARTIKEL ZUM THEMA
Familien in der Pandemie: Kinder haben einfach keine Lobby
Die Auswirkungen des Lockdowns werden im Umfeld unserer Autorin immer
deutlicher. Eltern sind am Limit, Kinder spüren, dass sie zur Belastung
werden.
Komplexe Pandemie-Logistik: Ein Satz zum Einrahmen
Endlich wieder ins Museum! Und dann auch gleich zum Shoppen? Mit der „Na
ICH pass ja auf“-Attitüde kann man sich jedes Corona-Risiko schönreden.
Denkschleifen in Zeiten der Isolation: Nullen und Einsen, Emojis und Likes
Jeden Morgen das gleiche Dilemma: Offene Tabs und Schlagzeilen lenken vom
Denken ab. Wo ist nochmal der Aus-Knopf? Ein Essay aus der neuen
Normalität.
Sommerferien doch nicht auf Balkonien?: Digitaler Impfausweis kommt
Spätestens im Juni soll eine Impfung oder ein negativer Test per App
nachgewiesen werden können. Bundesregierung setzt auf Open-Source-Lösung.
Endlich wieder Kunst: Das Luftholen tut so gut
Tapfer tun wir weiter so, als hielten Frühling und Post-Corona-Ära Einzug.
Wir nutzen die Möglichkeiten, die sich bieten. Zumindest für einen Moment.
Belastung von Frauen wächst: Neues aus der Mutti-Falle
Arbeit in der Familie verschiebt sich in Pandemie-Zeiten zu Lasten der
Frauen. Ein Grund für Depressionen? Dann doch lieber Eierlikör und Italo
Disco.
Ferien zu Hause wegen Corona: Die scharren schon mit den Hufen
Corona, du bist ein Einpeitscher in Sachen Achtsamkeit. Wie die Familie die
dritten Ferien damit verbrachte, Freude in heimischen Gefilden zu suchen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.