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# taz.de -- Proteste im Libanon: Ein Toter, mehr als 200 Verletzte
> Bei Protesten gegen die Coronabeschränkungen kommt es in Tripoli seit
> Tagen zu schweren Ausschreitungen. Ein Demonstrant erlag seinen
> Verletzungen.
Bild: Tripoli ist – wie schon 2019 – das Zentrum der aktuellen Proteste
Berlin taz | Erst im letzten Frühjahr hatte die Coronapandemie [1][den
Protesten im Libanon ein Ende bereitet] – nun flammen sie wieder auf,
offenbar ausgelöst durch aktuelle [2][Corona]maßnahmen. Am dritten Abend in
Folge kam es in der nordlibanesischen Stadt Tripoli am Mittwoch zu schweren
Unruhen, bei denen ein Mann getötet wurde, wie libanesische Medien am
Donnerstag [3][berichteten].
Bei den Straßenschlachten zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften
wurden zudem etliche Demonstrierende verletzt. Das Rote Kreuz sprach von
100 Verletzten, während es aus Krankenhauskreisen in der Stadt hieß, dass
mehr als 200 Menschen verletzt worden sein.
Die Polizei [4][teilte mit], es seien nicht nur Molotowcocktails auf
Sicherheitskräfte geworfen worden, sondern auch Handgranaten, die sonst im
Krieg eingesetzt würden. Sie meldete neun Verletzte in ihren Reihen.
Protestierende hatten versucht, in den Sitz der Regionalregierung der Stadt
einzudringen. Die Armee rückte in der Nacht aus und bezog Stellung auf dem
zentralen Al-Nur-Platz.
Die Regierung in Beirut hatte Mitte Januar einen harten Lockdown über das
Land verhängt. Es gilt eine 24-stündige Ausgangssperre, auch Supermärkte
haben geschlossen und dürfen ihre Waren nur liefern. Die Pandemie verstärkt
allerdings nur die Unzufriedenheit im Land und verschärft die Probleme, mit
denen viele Libanes*innen schon zuvor zu kämpfen hatten. Das
libanesische Pfund befindet sich seit Sommer im freien Fall, sodass
Lebensmittel immer teurer werden.
Die libanesische Regierung ist nach der [5][Explosion im Beiruter Hafen] im
August, die bis heute nicht gänzlich aufgeklärt worden ist, zurückgetreten
und momentan nur geschäftsführend im Amt. Seit Monaten suchen die Politiker
der großen Machtblöcke nach einer neuen konsensfähigen Regierung. Viele
Libanes*innen sind diese Machtkämpfe leid, doch nach Veränderung sieht
es aktuell nicht aus: Als neuer Regierungschef ist der einflussreichste
sunnitische Politiker des Landes, Saad Hariri, im Gespräch, der erst 2019
unter dem Druck der damaligen Massenproteste zurückgetreten war.
## „Braut der Revolution“
Auch damals stand Tripoli, von vielen auch „Braut der Revolution“ genannt,
im Zentrum der Proteste. Die Stadt gehört zu den ärmsten Gegenden Libanons
und ist eine sunnitische Hochburg in dem multikonfessionellen Land.
In sozialen Medien verbreitete sich diese Woche derselbe Hashtag –
[6][„Tripoli erhebt sich“] – wie während der Proteste 2019/2020. Viele
Nutzer*innen wandten sich gegen eine von ihnen wahrgenommene
Ungleichbehandlung der Stadt. „Tripoli verdient diese Vernachlässigung und
Marginalisierung nicht“, [7][twitterte Abed Harb], eigenen Angaben zufolge
Mitglied der kleinen libanesischen Partei Sabaa.
Nach Bekanntwerden des Todesfalles in Tripoli am Mittwoch sprach der
[8][Analyst und linke Aktivist Nizar Hassan] am Donnerstag von einer
Hinrichtung. Omar Tayba, dessen Alter mit 29 oder 30 Jahren angegeben wird,
sei von drei Kugeln getroffen worden. „Das ist eine Hinrichtung, keine
Bekämpfung von Randale“, [9][so Hassan]. Taybas Bruder sagte der
Nachrichtenagentur AFP, Omar habe die Proteste lediglich beobachtet. Dabei
sei er angeschossen worden.
Derweil appellierte Amnesty International an Frankreich, Waffenlieferungen
in den Libanon zu stoppen. Aus Frankreich gelieferte Gummigeschosse,
Tränengasgranaten und Granatwerfer seien dafür benutzt worden, friedlichen
Protest zu unterdrücken, kritisierte die Organisation am Donnerstag. Die
Angaben bezogen sich allerdings auf regierungskritische Proteste der
vergangenen Jahre.
28 Jan 2021
## LINKS
[1] /Arabische-Proteste-machen-Corona-Pause/!5674391
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[3] https://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2021/Jan-28/516764-protester…
[4] https://twitter.com/LebISF/status/1354520380245999622?s=20
[5] /Nach-Explosion-in-Beirut/!5700273
[6] https://twitter.com/search?q=%23%D8%B7%D8%B1%D8%A7%D8%A8%D9%84%D8%B3_%D8%AA…
[7] https://twitter.com/ABEAHARB/status/1354747869086019589?s=20
[8] /Aktivist-ueber-Krise-im-Libanon/!5648224
[9] https://twitter.com/Nizhsn/status/1354566467740721156?s=20
## AUTOREN
Jannis Hagmann
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Protest
Libanon
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Zehn Jahre Arabischer Frühling
Feminismus
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