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# taz.de -- Akelius auf dem Immobilienmarkt Berlin: Hai ändert Schwimmstil
> Die viel kritisierte Wohnungsfirma Akelius strukturiert um: Mietshäuser
> werden in neue Firmen verschoben. Plant Akelius Verkäufe wegen des
> Mietendeckels?
Bild: Akelius hat wehrhafte Mieter:innen
Berlin taz | Nach Informationen der taz und des Spiegel bereitet die viel
kritisierte Wohnungsfirma Akelius offenbar den Verkauf von Tausenden
Wohnungen in Berlin und Hamburg vor. Der Konzern hat zahlreiche Grundstücke
in neu gegründete Firmenkonstrukte verschoben, wie der taz vorliegende
Recherchen von vernetzten Akelius-Mieter:innen nahelegen. Mieter:innen
seien über die Umstrukturierungen per Brief Mitte Dezember 2020 bis Anfang
Januar aufgeklärt worden.
Mieter:innen vermuten, dass Akelius damit den Verkauf der Immobilien
vorbereiten will. Betroffen wären demnach Tausende Wohnungen in Berlin und
Hamburg. Nach Angaben von Mieter:innen soll Akelius bereits den
Reparaturservice in einigen betroffenen Wohnungen gekündigt haben. Sie
vermuten deswegen, dass ein Verkauf möglicherweise bereits im März
stattfinden soll. In Berlin sind offenbar über 100 Adressen und in Hamburg
wohl über 50 betroffen.
Laut einer der taz vorliegenden Liste betroffener Häuser tragen die neu
gegründeten Firmenkonstrukte in Berlin die Namen A.B.R. GmbH & Co. KG,
durchnummeriert von 1 bis 59, jene in Hamburg die Namen A.H.R. Gmbh und Co.
KG von 1 bis 34. Die Bewohner:innen hätte ihre Miete überraschend direkt
zum 1. Januar auf andere Konten zahlen sollen – obwohl diese teilweise noch
gar nicht existierten. Übertragen in diese neuen Kommanditgesellschaften
wurden laut Unterlagen der Mieter:innen zumeist zwei, manchmal drei
Grundstücke nebst darauf stehender Gebäude. Bei vorsichtiger und grober
Schätzung von 15 Wohnungen pro Haus käme man auf wenigstens 3.000
betroffene Wohneinheiten in Hamburg und Berlin.
Akelius ist für seine aggressive Aufwertungsstrategie berüchtigt. Der
Konzern des schwedischen Milliardärs Roger Akelius hat seit 2006
systematisch Immobilien gekauft, aufwendig modernisiert und deutlich teurer
wiedervermietet. Weltweit besitzt Akelius 44.000 Wohnungen, über 14.400
davon in Berlin. Die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für das Recht
auf Wohnen, [1][Lailani Farha], hat Akelius 2020 durch ihr Geschäftsmodell
die Verletzung von Menschenrechten vorgeworfen.
## Der Mietendeckel kostet Akelius 23 Millionen Euro
Allerdings hat der Berliner Mietendeckel dem Konzern einen Strich durch die
Rechnung gemacht. Laut [2][Jahresabschlussbericht 2020] rechnet Akelius
durch den rot-rot-grünen Mietenstopp für 2021 mit 23 Millionen Euro weniger
Einnahmen. Laut Gründer Akelius hat der Konzern seit Inkrafttreten des
Deckels sämtliche [3][Modernisierungsvorhaben gestoppt]. Könnte die
Regulation ein Grund für mögliche Verkäufe sein? Will der Konzern einen
Teil seines Portfolios aufgeben und woanders investieren?
Akelius bestätigte auf eine Anfrage von taz und Spiegel einen
„firmeninternen Umstrukturierungsprozess“. Allerdings verändere sich für
die Mieter:innen nichts außer dem Namen des Vermieters. Einen möglichen
Verkauf dementiert Akelius leicht, aber nicht eindeutig: „Grundsätzlich ist
Akelius ein langfristiger Bestandshalter von Wohnimmobilien. Vereinzelt
können leerstehende Wohnungen auch zum Verkauf angeboten werden“, heißt es
auf Nachfrage.
Akelius wolle auch zukünftig in Berlin investieren. Die immer wieder
erhobene Kritik weist das Unternehmen zurück: Mieter:innen könnten bei
Akelius ruhig schlafen, die Bestände seien bezahlbar und voll vermietet.
Steuern zahle man in Deutschland wie jede andere GmbH auch.
Die Mieter:innen vermuten, dass das Gegenteil der Fall ist: Falls
Akelius einen Verkauf plane, könnten die Umschichtungen der Grundstücke und
Häuser eine Strategie sein, um Steuern zu vermeiden. Kreativer Umgang mit
Steuern wäre für Akelius nichts Neues: Der Konzern verfügt offenbar über
ein weitverzweigtes Firmennetzwerk bis in die [4][Bahamas und nach Zypern].
Aufgrund der mutmaßlichen Nutzung von Steuervermeidungsmodellen wie
sogenannten [5][Share Deals] zeigte die SPD-Bundestagsabgeordnete
[6][Cansel Kiziltepe] den Konzern 2020 sogar bei der Steuerfahndung an.
## „Ein schönes Paket“
Die Mieter:innen vermuten, dass Akelius durch die Übertragung der
Grundstücke in andere Firmenkonstrukte die Immobilien neu bewerten und so
Wertsteigerungen mit alten Verlusten und Abschreibungen verrechnen kann. So
müsse man nur auf einen Teil der bereits erzielten Wertsteigerungen Steuern
zahlen. Firmenkonstrukte wie die neu gegründeten Kommanditgesellschaften
eigneten sich dafür prinzipiell gut, sagt Christoph Trautvetter vom
Netzwerk Steuergerechtigkeit: „Sie bieten Flexibilität für
Umstrukturierungen und können dafür sorgen, dass Verluste beim Verkauf
nicht ‚verloren‘ gehen.“
Trautvetter kann sich auch vorstellen, dass die Umschichtung der
Grundstücke zur Vorbereitung eines Verkaufs dienen könnte. „Es sieht so
aus, als würden sie ein schönes Paket schnüren und dieses dann
möglicherweise als Share Deal verkaufen“, so der Steuerexperte, der auch
eine [7][Studie über den Berliner Immobilienmarkt] für die Linken-nahe
Rosa-Luxemburg-Stiftung erstellt hat. Als mögliche Käufer:innen kämen
Trautvetter zufolge etwa institutionelle Investoren wie Blackstone, die
Empira AG oder Bluerock infrage, die in den vergangenen Monaten trotz hoher
Preise größere Immobilienpakete gekauft hätten. Aber auch größere
Wohnungsunternehmen wie Heimstaden oder die Deutsche Wohnen seien
potenzielle Käufer, sagt Trautvetter.
Eine umfangreiche Auflistung der Adressen vieler betroffener Häuser aus
Berlin liegt der taz vor. Viele der Häuser liegen in
[8][Milieuschutzgebieten] in Kreuzberg, Neukölln oder Schöneberg. Dort
gelten soziale Kriterien, die Verdrängung verhindern sollen und
Mieterhöhungen und Umwandlung in Eigentum erschweren.
Die Mieter:innen vermuten, dass Akelius jene Häuser abstoßen will, aus
denen die Firma etwa durch Umwandlung in Eigentum weniger Rendite ziehen
kann. Für viele der umgeschichteten Häuser und Grundstücke existierten
demnach Abwendungsvereinbarungen; ebenso fehlten für eine Aufteilung
erforderliche [9][Abgeschlossenheitsbescheinigungen]. Beides stehe
Umwandlungen in Wohneigentum im Weg. Die Mieter:innen gehen davon aus,
dass die betroffenen Häuser nicht besonders marktattraktiv seien. In nicht
betroffenen Akelius-Häusern hingegen käme es zu Anträgen auf Umwandlung in
Wohneigentum.
## Mieter:innen fordern dauerhaften Deckel und Enteignung
Laut der in der Vernetzung organisierten Mieterin Ira Wolf (Name geändert)
lassen sich an Akelius alle aktuellen Missstände auf dem Wohnungsmarkt
aufzeigen: Erst kaufe Akelius großflächig Häuser und umgehe mit Share Deals
das bezirkliche Vorkaufsrecht. Dann vernichte das Unternehmen preiswerten
Wohnraum durch die Verschiebung der Wohnungen ins Luxussegment. Schließlich
verwandle der Konzern Mietwohnungen in Eigentum, verkaufe sie zu
Höchstpreisen oder verkaufe Bestände in Mega-Deals an andere Spekulanten
weiter.
Die Mieter:innen fordern die Schließung aller Steuerschlupflöcher und
mögliche Vorkäufe durch die Bezirke, falls ein Deal zustande kommen sollte.
Ebenso brauche Berlin einen „konsequenten Mieter*innenschutz mit
dauerhaftem Mietendeckel und der Enteignung von Akelius im Rahmen der
Kampagne ‚[10][Deutsche Wohnen & Co. Enteignen]‘“. Für einen potentiellen
Käufer sprechen die Mieter:innen von Akelius schon mal eine Warnung aus.
So sagte Wolf: „Wir sind gut organisiert und werden uns auch weiter
vernetzen. Der Eigentümer übernimmt organisierte Mieter und sollte sich
warm anziehen.“
## Bezirk will Vorkauf prüfen
Kampfeslustig zeigt sich auch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Florian
Schmidt, grüner Baustadtrat, sagte der taz, dass man einen Vorkauf prüfen
werde – selbst bei einer möglichen Umgehung des Vorkaufsrechts durch einen
Share Deal. In diesem Fall könne man „im Nachhinein, und dafür gibt es
keine Frist, das Vorkaufsrecht prüfen und gegebenenfalls vor Gericht
durchsetzen“. Genug Mittel für Vorkäufe seien auf Seite des Senats
vorhanden, so Schmidt. „Je größer das Paket, umso größer die Motivation b…
Bezirk, Senat und Drittkäufern, das Vorkaufsrecht zu prüfen und auszuüben.“
Das habe man zuletzt bereits bei den Paketen der [11][Deutsche Wohnen] und
[12][Heimstaden] erlebt.
Katrin Schmidberger, grüne Sprecherin für Wohnen im Abgeordnetenhaus,
wertet einen möglichen Vorkauf auch als Erfolg rot-rot-grüner Politik. Sie
sagte der taz: „Der Mietendeckel und der anstehende Volksentscheid setzen
Unternehmen wie Akelius stark unter Druck.“ Das sei genau eines der Ziele
des Mietendeckels gewesen, so Schmidberger. Angesichts der Größenordnung
des Pakets sei mit Blick auf das Vorkaufsrecht vor allem der Senat gefragt.
Cansel Kiziltepe, die Akelius angezeigt hatte, sieht in dem möglichen Deal
einen Erfolg der organisierten Mieter:innen: „Wenn sich jetzt abzeichnet,
dass Akelius Berlin teilweise verlassen will, dann ist das auch ein Erfolg
der Mieter*inneninitiativen. Die Akelius-Mieter:innen haben einen
besseren Vermieter verdient.“
16 Feb 2021
## LINKS
[1] /Akelius-nach-dem-Mietendeckel/!5684869
[2] https://mb.cision.com/Main/3302/3281800/1369224.pdf
[3] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/roger-akelius-ich-habe-zu-vie…
[4] https://akelius-vernetzung.de/2020/04/14/akelius-schuettet-117-mio-e-divide…
[5] /Mietenwahnsinn-in-Berlin/!5581628
[6] /Share-Deals-bei-Immobilienfirma/!5712416
[7] /Studie-zum-Wohnungsmarkt-in-Berlin/!5723793
[8] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/foerderprogramme/stadtern…
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Abgeschlossenheitsbescheinigung
[10] /Enteignungs-Volksbegehren/!5743994
[11] /Berliner-wehren-sich-gegen-Heimstaden/!5725082
[12] /Heimstaden-akzeptiert-Milieuschutz/!5727119
## AUTOREN
Gareth Joswig
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