# taz.de -- Untersuchungsausschuss zu Anis Amri: Staatswohl vor Aufklärung | |
> Karlsruhe lehnt eine Klage der Opposition zum Amri-Untersuchungsausschuss | |
> ab. V-Mann-Führer können künftig leichter vor Befragung bewahrt werden. | |
Bild: Anschlagsort: der Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dez… | |
KARLSRUHE taz | Das Bundesverfassungsgericht hat die Kontrolle des | |
Verfassungsschutzes durch den Bundestag erschwert. Ein V-Mann-Führer muss | |
nicht in einem Untersuchungsausschuss aussagen, wenn dies die von ihm | |
geführten V-Personen beunruhigen könnte. Mit dieser Absenkung der | |
parlamentarischen Kontrollrechte lehnte das Gericht eine Klage von FDP, | |
Linken und Grünen ab. | |
Seit März 2018 versucht ein Untersuchungsausschuss des Bundestags | |
aufzuklären, ob [1][der Verfassungsschutz] den Anschlag des Tunesiers Anis | |
Amri auf den Berliner Weihnachtsmarkt hätte verhindern können. Amri hatte | |
im Dezember 2016 [2][mit einem geraubten Lkw elf Menschen getötet]. | |
Die Abgeordneten wollen herausfinden, was eine V-Person, die das Bundesamt | |
für Verfassungsschutz (BfV) in Amris islamistischem Umfeld eingesetzt | |
hatte, damals wusste und mitteilte. Das Bundesinnenministerium verweigerte | |
jedoch eine Vernehmung des V-Mann-Führers. Dieser betreue derzeit V-Leute | |
in einer anderen wichtigen Operation, die nicht irritiert werden dürfte. | |
Diese Begründung hielt die Opposition aus FDP, Linken und Grünen aber nicht | |
für ausreichend und erhob eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht. Es | |
bestehe keine Gefahr der Enttarnung des V-Mann-Führers, wenn dieser unter | |
Ausschluss der Öffentlichkeit aussage. | |
## Richter sehen Staatswohl gefährdet | |
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts lehnte nun jedoch den Antrag | |
der Opposition ab. Das Innenministerium habe zu Recht die Zustimmung zur | |
Aussage des V-Mann-Führers verweigert. Auch wenn keine Gefahr der | |
Enttarnung bestehe, genüge es, wenn die von ihm geführten Spitzel den | |
Eindruck bekommen könnten, ihre Vertraulichkeit sei nicht mehr gesichert. | |
Es bestehe dann nämlich die Gefahr, dass die Leute ihre Tätigkeit beenden | |
und nur schwer neue Quellen gewonnen werden können. Damit sei das | |
„Staatswohl“ gefährdet. | |
Diese Gefahr bestehe vor allem im islamistischen Milieu, so die | |
RichterInnen, wo auf „Verräter“ mit religiös aufgeladener Gewalttätigkeit | |
reagiert werde. Dort könne nur die „Zusage und Wahrung uneingeschränkter | |
Vertraulichkeit“ die Arbeitsfähigkeit des Verfassungsschutzes sichern. | |
Nur ein Verfassungsrichter stimmte gegen die Mehrheit und gab ein | |
Sondervotum ab: Peter Müller, Ex-CDU-Ministerpräsident des Saarlands. Er | |
warf der Mehrheit vor, ihre Sicht beruhe auf bloßen „Vermutungen“. Es kön… | |
nicht sein, dass der Verfassungsschutz durch die Zusage „uneingeschränkter | |
Vertraulichkeit“ die parlamentarische Kontrolle aushebeln und sich gegen | |
Kritik immunisieren könne. Die Argumente, die die Mehrheit für den | |
Islamismus anführten, könne der Dienst künftig auch bei Einsätzen gegen | |
Links- und Rechtsextremisten nutzen. | |
Damit hat der Amri-Untersuchungsausschuss die Beweisaufnahme abgeschlossen | |
und kann seinen Abschlussbericht vorbereiten. | |
3 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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