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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Dealer aus dem Hinterhof
> Um die schleppende Impfkampagne zu beschleunigen, hat die EU neue Partner
> gefunden: Südamerikanische Drogenkartelle.
Bild: Endlich ist der Stoff, aus dem die Impfträume sind, in den richtigen Hä…
„Sie können mich El Tedioso nennen“, quäkt der Mann mit dem seltsam
unscharfen Gesicht ins Mikrofon. „Oder einfach Patrón.“ Seine Stimme klingt
unmelodiös und zwei Oktaven zu hoch. „Eine Berufskrankheit“, erklärt der
EU-Impfbeauftragte. „Ich habe in Dokumentarfilmen einfach zu oft mit
verzerrter Stimme gesprochen.“
Der neue Sonderbeauftragte der Europäischen Union für die Herstellung und
Distribution von Corona-Impfstoffen heißt mit bürgerlichem Namen Joaquín
Ignacio Archivaldo Porfirio Guzman Lopez-Salazar y Ramirez und ist erst
seit Kurzem EU-Bürger. Dafür besitzt er Ausweisdokumente gleich aller 27
EU-Staaten, ferner einen mexikanischen, einen US-amerikanischen sowie einen
Diplomatenpass, der ihn als Gesandten des Heiligen Stuhls und Erzbischof
der Bahamas ausweist. „Falls die Luft hier zu bleihaltig wird“, witzelt der
Impf-Zar, als Kommissionschefin Ursula von der Leyen ihn der Weltpresse als
Hoffnung für die stockende Vakzin-Beschaffung in der Europäischen Union
präsentiert.
Überschwänglich lobend, aber etwas vage beschreibt die EU-Chefin die
bisherige Arbeit ihres Experten bei einem der weltweit größten Logistiker
und Hersteller pharmazeutischer Erzeugnisse. „Auch unter den schwierigsten
Bedingungen der Pandemie ist es ihm gelungen, die Produktion zu steigern
und ein engmaschiges Vertriebsnetz zu entwickeln, das zielgenaue Lösungen
für die Menschen vor Ort anbietet“, streicht von der Leyen heraus. „Genau
so jemand fehlte uns bisher.“
Tatsächlich hat El Tedioso zuvor als Chefvertriebler des Sinaloa-Kartells
gewirkt und war vor allem mit En-gros-Kokainschmuggel und dem Aufbau von
Drogenküchen in ganz Europa betraut. Doch für die gute Sache der
Corona-Impfung ist er bereit, einen zeitweiligen Karriererückschritt
hinzunehmen und EU-Kommissar zu werden.
## Dauerhaft verpixeltes Gesicht
Auf das Licht der Öffentlichkeit legt der seriöse Drogenhandelskaufmann
allerdings keinen gesteigerten Wert. Nicht einmal seine Frau Carmen
Violencia Chinchilla Maria kennt sein wahres Gesicht. Das hat sich der
Absolvent der Universidad de Narcotrafico Aplicado von Oaxaca schon vor
Jahren von einem Augmented-Reality-Chirurgen in Miami dauerhaft verpixeln
lassen. Doch warum vertraut Brüssel plötzlich einem hergelaufenen
gesichtslosen Banditen und nicht länger den ortsansässigen Banditen von der
Pharmaindustrie?
Um die Lieferengpässe bei den Impfdosen und das peinliche Verteilungschaos
zu beenden, hat die EU-Kommission zu einem Mittel gegriffen, mit dem schon
US-Präsident Woodrow Wilson die reibungslose Versorgung der amerikanischen
Bevölkerung mit hartem Alkohol in harten Zeiten sichergestellt hat:
Prohibition.
Sämtliche Impfstoffe gegen das Coronavirus sind ab sofort illegal und nur
noch unter der Hand zu bekommen. Das soll die Produktion ankurbeln und
gleichzeitig die Akzeptanz für die Substanzen in der Bevölkerung erhöhen.
Schon posieren straßenaffine Gesangskünstler auf ihren Instagram-Accounts
mit verbotenen Impf-Ampullen, in den Szenebezirken der Hauptstädte öffnen
Flüsterkneipen, die experimentierfreudigen Kunden die volle Palette von
AstraZeneca bis Pfizer bieten wollen. Auch bislang kritische Konsumenten
könnten gewonnen werden.
„Viele der hartleibigsten Impfgegner Sachsens sind schon lange gute Kunden
bei mir. Wenn die neben ihrem üblichen Crystal Meth auch Vakzine in meinem
Angebot sehen, verschwinden vielleicht Berührungsängste und gesundheitliche
Bedenken“, meint ein Chemnitzer Dealer, der unter dem Nischel bald auch
Biontech verticken will.
„Prohibition ist als wirtschaftlicher Anreiz einfach unschlagbar“, erklärt
der überzeugte Schwarzmarktwirtschaftler El Tedioso. „Sie sorgt für die
entsprechenden Gewinnmargen. Sobald die Impfstoffe verboten sind, werden
die Bürger sie überall an den gewohnten Handelsplätzen in Stadtparks und
hinter Bahnhöfen kaufen können – genau wie Crystal und Schore auch. Die
Impfung selbst wird dann gegen ein Handgeld an Ort und Stelle von lokalen
Fachkräften vorgenommen, die garantiert über reichlich Injektionskompetenz
verfügen.“
Außerdem ist der amtlich bestellte EU-Narcotrafikant erfolgreich in
Nachverhandlungen mit dem säumigen Impstofflieferanten von AstraZeneca
getreten. Ein Sprecher der Firma bezeichnete den neu ausgehandelten Deal
mit dem EU-Kartell als „Win-win-Situation“ und betonte den großen
gemeinsamen Nutzen der Anstrengung. „Die Leute werden schneller geimpft,
und wir behalten unsere Beine.“
Nun sollen auch die übrigen Hersteller mit dieser urwüchsigen „Plata o
plomo“-Methode zur Kooperation angeregt werden. Selbst produzieren müssen
sie die Vakzine allerdings bald nicht mehr. Künftig wird der Impfstoff von
Kartellköchen in den Hinterhoflaboren der niederländischen oder
tschechischen Provinz hergestellt. „Die dezentrale Produktionsweise
erlaubt uns, mit chirurgischer Präzision auf die Nachfragesituation zu
reagieren“, gibt der Impfkommissar zu bedenken. „Außerdem können wir die
Rezepte leichter anpassen.“
## Leichen in einem Waldstück
Natürlich hagelt es Kritik an dieser klandestinen Vorgehensweise. Das
beweisen ein paar Leichen, die kurz nach der Pressekonferenz in einem
Waldstück gefunden werden. Wegen möglicher Meth-Rückstände in den
Apparaturen könnten die modifizierten Impfstoffe euphorisierende Wirkung
haben und ziemlich süchtig machen, hatten die verscharrten Kritiker
bemängelt.
„Damit wollen wir bloß sicherstellen, dass die Bürger auch wirklich zum
zweiten Impftermin erscheinen“, verteidigt El Tedioso die veränderte
Rezeptur. „Um gegen alle Mutationen gefeit zu sein, müssen wir ohnehin
nachimpfen. Am besten dreimal täglich.“
In einem Pilotprojekt im Ruhrgebiet ist die illegale Impfstoffabgabe schon
Realität. Heute Morgen hat der 83-jährige Rentner Herbert Winschowski
seinen Impftermin erhalten. Man hatte eine tote Taube mit einem Zettel im
Schnabel an seine Tür genagelt. „Siebzehn Uhr, auf dem Spielplatz hinter
dem alten Zechengelände“ stand darauf. Dort sollte Herbert Winschowski
zunächst die geforderten 200 Euro in einem Mülleimer deponieren und
anschließend den Oberarm freimachen.
Als wir auf dem Spielplatz eintreffen, ist das Impfteam allerdings schon
verschwunden. Herbert Winschowski jedoch ist noch da. Mit entrücktem
Gesichtsausdruck und stecknadelkopfgroßen Pupillen sitzt der Rentner auf
der Schaukel. Der 83-Jährige wurde offenbar versehentlich mit Heroin
geimpft.
1 Feb 2021
## AUTOREN
Christian Bartel
## TAGS
EU
Drogen
Impfung
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Archäologie
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