| # taz.de -- Theaterfilm über queere Lebensentwürfe: Ganz normal Familie | |
| > Marina Prados und Paula Knüpling wollen mehr queere Stories, die von | |
| > queeren Menschen erzählt werden. Ihr Film „Family of the Year“ ist jetzt | |
| > im Netz. | |
| Bild: Szenenfoto aus „Family of the Year“: Filmfiguren Paula, Opa Volker, A… | |
| Berlin taz | Alles beginnt mit einem Familienfoto draußen auf einer | |
| Gartenbank. Es dauert ein Weilchen, bis sich die neun Leute verschiedener | |
| Generationen versammelt haben – und Schnitt: Jetzt werden die einzelnen | |
| Protagonist:innen vorgestellt. Die zehnjährige Anja macht einen Film | |
| über ihre Familie und wir alle können ihr am [1][Samstagabend dabei | |
| zuschaue]n. Er trägt den schönen Titel „Family of the Year“. | |
| Mit dabei ist Celine, die in die Kamera sagt, dass sie Anjas Mutter ist und | |
| noch ein Kind bekommen hat, das Baby auf ihrem Arm. Dann ist Paula an der | |
| Reihe. „Ich bin deine Tante“, sagt sie zu Anja, weil sie die Schwester von | |
| Celine ist. Und dann ist Marina dran, die Frau von Paula: „Ich komme aus | |
| Barcelona“, erzählt sie und auch, dass die beiden Frauen zusammen mit | |
| Ronald eine Familie gegründet haben – sie bekommen ein Kind. Paula ist | |
| schwanger, man kann ihren Babybauch deutlich sehen. | |
| Dann kommen nacheinander die anderen Familienmitglieder vor die Kamera – | |
| doch eine Person fehlt: Anjas Oma. Sie heißt Friederike und ist | |
| verschwunden, spur- und grundlos, wie es scheint. Eine mysteriöse Sache. | |
| Die Spurensuche beginnt mit einem Abschiedsbrief. Doch es ist eher ein | |
| kleines geheimnisvolles Gedicht, das mit „Es werde die Wahrheit“ endet. | |
| ## Ur-Ur-Urenkelin von Hirschfeld? | |
| Also suchen alle die Wahrheit. Anja befragt die Familienmitglieder, es gibt | |
| Ausschnitte aus alten Familienfilmen mit Friederike, und langsam treten | |
| (anfangs merkwürdig anmutende) Informationen zutage. Da will zum Beispiel | |
| Celine die Ur-Ur-Urenkelin von [2][Magnus Hirschfeld] sein – oder fehlt da | |
| noch ein „Ur“? Und es kommen echte Geheimnisse ans Licht, der Papst (!?) | |
| ist auf einmal mit im Spiel, es wird förmlich nach der Wahrheit gegraben. | |
| Die Rollen von Paula und Marina haben Paula Knüpling und Marina Prados – | |
| das Regieduo – selbst übernommen. Ihr einstündiger Film, im letzten August | |
| entstanden, nimmt das Verschwinden einer zentralen Figur in einem | |
| Familiengefüge zum Anlass, Lebensentwürfe und -modelle zu hinterfragen. Der | |
| Film macht Spaß, hat überraschende Momente, ist tiefgründig und witzig und | |
| kommt dankenswerterweise ohne theoretischen Überbau à la Judith Butler aus. | |
| „Wir kommen vom Theater, dem Schauspiel“, sagt Marina Prados am Telefon, | |
| „und haben irgendwann entschieden, dass wir unsere eigenen Geschichten | |
| machen wollen.“ Deshalb hat das Paar die [3][Produktionsfirma cmd+c] | |
| gegründet. | |
| Paula Knüpling ergänzt: „Wir wollten schon immer einen Film machen. Und | |
| weil wir im April schon kurz vor der Premiere unseres Stückes standen, war | |
| schon viel davon erarbeitet, das wir mit in den Film nehmen konnten. Wir | |
| haben wenig Tapes gemacht, haben sehr viel improvisiert.“ Die Darsteller im | |
| Film hätten übrigens auch das Theaterstück gespielt. Gedreht wurde im | |
| Schrebergarten der Eltern von Paula Knüpling, einem „tollen, irgendwie | |
| entrückten Ort“. | |
| ## Im Dreh wie auch im wahren Leben | |
| Wie fiktional, wie dokumentarisch ist der Streifen? Schließlich spielen die | |
| beiden Frauen ja sich selbst. Im Film ist die Figur Paula schwanger. War | |
| das Paula Knüpling zum Dreh auch im wahren Leben? | |
| „Genau damit wollten wir spielen“, antwortet Paula Knüpling auf die Frage. | |
| „Wir beide sind ja auch tatsächlich wie im Film verheiratet.“ Marina Prados | |
| verrät, dass das im Film „ein falscher Babybauch“ war. „Auch wir beide | |
| wollen ein Kind haben, aber Corona hat alles durcheinandergebracht. Noch | |
| sind wir beide alleine.“ | |
| Die beiden Filmfiguren Friederike, die Verschwundene, und ihr Ehemann | |
| Marcel sind auch im wahren Leben „meine biologische Eltern – alle anderen | |
| aber sind mehr oder weniger Darsteller“, sagt Paula Knüpling. „Aber Ronald | |
| zum Beispiel lebt auch in echt in einer queeren Familie, also in einem | |
| Konstrukt, wie wir es darstellen, aber eben mit anderen Menschen. Und die | |
| Themen, die im Film aufkommen, sind unsere Themen.“ | |
| Queere Lebensentwürfe also. Mit ihrer Produktionsfirma cmd+c verfolgen die | |
| Künstlerinnen einen ganz eigenen Ansatz. In vielen Serien im Fernsehen und | |
| noch mehr bei den Streamingdiensten gehört es längst zum guten Ton, | |
| wenigstens eine queere Figur im Cast zu haben. | |
| ## Präsenz von Queerness in Serien | |
| „Genau da setzen wir an“, sagt Paula Knüpling. „Wir haben uns den queeren | |
| Themen verschrieben, weil die wachsende Präsenz von Queerness in Serien | |
| einerseits natürlich super ist. Andererseits sind die Personen, die diese | |
| Geschichten erzählen, also die Regisseur:innen, die Produzenten etc. selbst | |
| oft nicht queer. Dadurch entsteht dieser Bruch, die oft stereotype | |
| Darstellung der queeren Community.“ | |
| Die beiden wollen es anders machen: „Die Leute in unserer Produktion sind | |
| selbst queer und wir als Macherinnen auch“, bringt es Paula Knüpling auf | |
| den Punkt. Marina Prados sagt das so: „Die Geschichtenerzähler:innen | |
| müssen queer werden.“ | |
| Dass das funktioniert, lässt sich in „Family of the Year“ begutachten. Und | |
| auch das: Queersein ist nicht abendfüllend. „Uns ist auch wichtig“, sagt | |
| Paula Knüpling, „dass der erzählte Charakter eben nicht nur queer ist, | |
| sondern auch andere Charakterzüge haben kann.“ | |
| Würden die beiden eigentlich für den RBB oder einen anderen Sender mal eine | |
| queere Serie entwickeln, schreiben und drehen wollen? „Total gerne“, sagt | |
| Paula Knüpling. „Wir wollen uns ja weiter in Richtung Film entwickeln, da | |
| mehr Fuß fassen. Das ist genau das Ziel: dort zu arbeiten, wo queere | |
| Geschichten bisher von nicht queeren Geschichtenerzähler:innen | |
| entstehen.“ | |
| 30 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.ballhausost.de/produktionen/family-of-the-year/ | |
| [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Magnus_Hirschfeld | |
| [3] https://www.cmdc-company.com/de/ueber-uns/ | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hergeth | |
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