Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Preis für alternatives Kulturzentrum: Warnung vor Wiederholungen
> Die Obermayer Awards werden für die Vermittlung jüdischer
> Verfolgungsgeschichte verliehen. Unter anderem in diesem Jahr an den
> Verein AKuBiZ.
Bild: Auf dem Sonnenstein in Pirna gibt es seit 2011 eine Gedenkstätte für di…
„Es gibt eine Welle des Hasses da draußen!“ Joel Obermayer, Direktor der
US-amerikanischen Obermayer-Stiftung, beklagt so antijüdische Ressentiments
bei der diesjährigen Verleihung der Obermayer Awards. Sein Vater Arthur und
dessen Frau Judith riefen im Jahr 2000 diesen Preis ins Leben, nachdem sie
ein Jahr zuvor Deutschland besucht hatten. Mit der Auszeichnung werden
Gruppen oder Einzelpersonen gewürdigt, die die Erinnerung an früheres
jüdisches Leben wachhalten und heutigen Rassismus bekämpfen.
Coronabedingt wurde sie am Montagabend per Onlineübertragung aus dem
Berliner Abgeordnetenhaus an sechs Preisträger verliehen. „In den ersten 19
Jahren war es nur ein Geschichtspreis“, blickt die Juryvorsitzende und
Präsidentin des Touro Colleges Berlin, Sara Nachama, zurück. Die
Erinnerungskultur dominierte.
Seit etwa zwei Jahren aber rücken auch Initiativen und Personen in den
Fokus, die dieses Gedenken mit dem gegenwärtigen Kampf gegen den erneut
wachsenden Antisemitismus und nazistische Ideologie verbinden. Dazu passt
der unter gleichrangigen zuerst genannte Preisträger 2021. Das Kürzel
„AKuBiZ“ steht für Alternatives Kultur- und Bildungszentrum, ein Verein in
Pirna am Rand der Sächsischen Schweiz.
„Diesen Preis haben wir gern entgegengenommen“, spielt Anne Nitschke vom
Verein auf [1][einen Eklat im Jahr 2010] an. Damals sollte das AKuBiZ schon
den sächsischen Förderpreis für Demokratie erhalten, lehnte ihn aber wegen
der vom Bund und der CDU-FDP-Landesregierung verordneten
„Extremismusklausel“ ab. Sie band eine öffentliche Förderung von Vereinen
und Initiativen an ein schriftliches Bekenntnis zur
freiheitlich-demokratischen Grundordnung, um verdächtige Linke
fernzuhalten.
## Regionale Erinnerung und antirassistische Bildungsarbeit
Die Pirnaer verbinden in vorbildlicher Weise regionale Erinnerung an
jüdisches Leben und Judenverfolgung mit antirassistischer Bildungsarbeit
vor allem für junge Leute. Nicht auf bemüht-angestrengte Weise, sondern
beispielsweise durch lockere [2][Wanderseminare auf den Spuren des
Widerstandes gegen die NS-Diktatur] in der Sächsischen Schweiz.
Die aufgrund der Euthanasieverbrechen berüchtigte Festung
Pirna-Sonnenstein, heute Gedenkstätte, hat man gleich am Ort, aber wer weiß
schon, dass die Touristenattraktion Burg Hohnstein einmal ein KZ war? „Die
Wanderungen kommen gut an und sind sofort ausgebucht“, berichtet Anne
Nitschke.
In die gleiche Richtung geht ein digitaler Atlas zur Lokalgeschichte im
Nationalsozialismus. Ein antifaschistischer Chor am Kulturzentrum führt
Chorwerke einst verfemter Komponisten auf. Auf das vor dem Holocaust reiche
jüdische Leben blickt eine eigens entwickelte Wanderausstellung zurück. Mit
aktueller rechter Gewalt und Fremdenfeindlichkeit setzt sich eine
Comicreihe auseinander.
## Elbsandsteingebirge weiterhin rechtstrendig
Das alles leistet das kleine Team vom AKuBiZ ehrenamtlich. Eine
institutionelle Förderung haben sie nicht beantragt und schlagen sich mit
jährlich höchstens 20.000 Euro Projektmitteln durch. Das symbolische
Preisgeld für den Obermayer Award von tausend Euro bessert also an der
knappen Kasse wenig. Zum „Dank“ für seine Arbeit werden im Pirnaer Büro ab
und zu die Scheiben eingeworfen. Das Elbsandsteingebirge gilt weiterhin als
rechtstrendig, obschon organisierte militante Strukturen wie die „Skinheads
Sächsische Schweiz“ zerschlagen wurden.
Es fällt auf, dass mit dem Erich-Zeigner-Haus in Leipzig ein weiterer
sächsischer Verein ausgezeichnet wurde, der sich ebenfalls mit lokaler und
regionaler NS-Geschichte auseinandersetzt. Gewürdigt wurde auch die Arbeit
von vier Einzelpersonen. Elisabeth Kahn, Friederike Fechner, Marion
Lilienthal und Volker Keller vermitteln als Künstlerinnen, Pädagoginnen
oder pensionierter Lehrer in verschiedenen Städten die jüdische
Verfolgungsgeschichte und warnen vor Wiederholungen.
2 Feb 2021
## LINKS
[1] /Saechsischer-Demokratiepreis/!5132497
[2] /Burg-Hohnstein-im-Elbsandsteingebirge/!5619423
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Jüdisches Leben
Antirassismus
Antisemitismus
Preisverleihung
Antifaschismus
taz.gazete
Integration
Fotogeschichte
Sachsen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Arbeit, Selbstachtung und Demokratie: Der arbeitende Souverän
Um sich an der Demokratie zu beteiligen, braucht es Selbstachtung. Doch
wenn die eigene Arbeit wenig zählt, wird es schwierig. Das ist ein Problem.
Kulturförderung in Sachsen: Integration ausgebremst
Der Bedarf wächst, die Mittel aber nicht. In Sachsen stehen renommierte
kulturelle Integrationsprojekte vor dem Ende.
Nachlass des Fotografen Julius Frank: Die Augen von Lilienthal
Julius Frank war der jüngste Spross einer Fotografen-Dynastie. 1936 floh er
vor den Nazis in die USA. Sein Nachlass kehrt nun nach Lilienthal zurück.
Burg Hohnstein im Elbsandsteingebirge: Auf den Wegen des Widerstands
Sozialdemokraten und Kommunisten, die bedrohten Menschen zur Flucht
verhalfen, Sabotageakte organisierten – eine Wanderung zur KZ-Burg.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.