# taz.de -- Weniger Impfstoff von AstraZeneca: Bestellt und nicht abzuholen | |
> AstraZeneca kann Millionen von Impfdosen nicht liefern. Die EU erwägt | |
> jetzt Exportkontrollen und fordert Transparenz. | |
Bild: Der britische Premierminister Boris Johnson hat ihn: den Impfstoff von As… | |
BERLIN taz | Als der große Corona-Impfstoffhersteller AstraZeneca vor | |
Kurzem erklärte, dass er statt der vereinbarten 80 Millionen Einheiten in | |
den kommenden Monaten nur 31 Millionen an die EU liefern könne, [1][war es | |
mit der Geduld der EU-Kommission vorbei]. Am Montagmittag mussten Vertreter | |
des britisch-schwedischen Konzerns vor dem sogenannten EU-Lenkungsausschuss | |
zur [2][Impfstrategie] Rede und Antwort stehen. Mit dabei waren Vertreter | |
der 27 EU-Staaten. | |
Die EU-Kommission wollte wissen, ob das Unternehmen seinen vertraglichen | |
Verpflichtungen nachkommt. „Sollten wir noch in diesem Monat eine bedingte | |
Marktzulassung von der Europäischen Kommission erhalten, werden wir in der | |
Lage sein, monatlich nach und nach mehrere zehn Millionen Dosen zu | |
liefern“, sagte eine Sprecherin von AstraZeneca am Dienstag gegenüber der | |
taz. „Die ersten Millionen Dosen“ würden demnach noch in der ersten | |
Februarhälfte ausgeliefert, nachdem sie die Qualitätskontrolle durchlaufen | |
haben. Von einer Million Einheiten entfallen nur je rund 180.000 auf | |
Deutschland. | |
Für die EU ist daran besonders misslich, dass sie bereits 336 Millionen | |
Euro vorausbezahlt hat, damit AstraZeneca nach der Zulassung besonders | |
schnell liefern kann. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides ist | |
irritiert, dass die Belieferung Großbritanniens derweil uneingeschränkt | |
weitergeht – dort ist der AstraZeneca-Impfstoff schon seit Dezember | |
zugelassen, die EU-Zulassung wird für Freitag erwartet. „Die EU möchte | |
wissen, welche Dosen von AstraZeneca bisher wo produziert wurden und an wen | |
sie geliefert wurden“, sagte Kyriakides. Aktuell gibt es | |
AstraZeneca-Produktionen in Belgien und in Großbritannien. | |
AstraZeneca konnte am Dienstag auf Anfrage nicht erklären, wie die | |
Verteilung der vorhandenen Chargen auf die verschiedenen Märkte geregelt | |
ist. Das Unternehmen machte auch nicht transparent, was eigentlich los ist | |
in der Produktion, sondern gab nur den Aussetzer bekannt. Dabei hatte sich | |
die EU bei ihrer gemeinsamen Bestellung vor allem auf das | |
britisch-schwedische Unternehmen verlassen. Kyriakides hat dort 400 | |
Millionen Dosen vorbestellt. Das war mehr als bei allen anderen Anbietern. | |
Erst durch Nachverhandlungen hat sie die Zahl der Bestellungen beim | |
Konkurrenten Biontech von 300 auf 600 Millionen Einheiten hochgeschraubt. | |
Die Extradosen kommen jedoch erst nach und nach im Jahresverlauf. | |
## Spahn bringt Ausfuhrkontrollen ins Spiel | |
Die Bundesregierung hatte zuvor immer wieder Ankündigungen gemacht, bis | |
wann ein Großteil der Bevölkerung geimpft werden könne. Die Lieferungen von | |
AstraZeneca waren bei diesen Ankündigungen fest eingeplant. Spahn hatte | |
eine Impfung bis Juni in Aussicht gestellt, die Kanzlerin bis September. | |
„Wenn alles nach Plan geht“, hatte Angela Merkel noch hinzugefügt. | |
Nun hat Spahn die Idee von Ausfuhrkontrollen aus der EU ins Spiel gebracht. | |
Bisher können die Hersteller den Impfstoff in andere Weltgegenden | |
verschiffen, ohne dass die Behörden die exakten Mengen kennen. Eine | |
Ausfuhrkontrolle würde bedeuten, dass die Anbieter eine Genehmigung für den | |
Export einholen müssen. Das bedeutet kein Ausfuhrverbot – aber exakte | |
Zahlen zum Preis zusätzlicher Bürokratie. Hintergrund ist die | |
Unterstellung, dass AstraZeneca durchaus in Europa Wirkstoff produziert | |
hat, diesen aber woanders hin verkaufte. | |
Unterdessen kam erhebliche Verwirrung um die Wirksamkeit des Impfstoffs bei | |
älteren Menschen auf. Das [3][Handelsblatt hatte am Montagabend unter | |
Berufung auf die Bundesregierung gemeldet], der Impfstoff von AstraZeneca | |
weise bei Senioren nur eine Wirksamkeit von 8 Prozent auf – eine viel zu | |
niedrige Zahl, die sich mit dem offiziellen Durchschnittswert von ungefähr | |
70 Prozent kaum vereinen ließe. Der Impfstoff wäre für seinen angestrebten | |
Zweck, die gefährdetsten Gruppen zu schützen, damit in der Praxis | |
unbrauchbar. | |
Vom Bundesgesundheitsministerium kam am Dienstag teilweise Entwarnung. Es | |
sei richtig, dass der Impfstoff an verhältnismäßig wenig Testpersonen über | |
65 Jahren erprobt sei. Doch eine Wirksamkeit von nur 8 Prozent konnte das | |
Ministerium nicht bestätigen. „Auf den ersten Blick scheint es so, dass in | |
den Berichten zwei Dinge verwechselt wurden“, sagte ein Sprecher. Rund 8 | |
Prozent der Probanden der Wirksamkeitsstudie waren zwischen 56 und 69 Jahre | |
alt, nur 3 bis 4 Prozent über 70. Das alles hat aber mit der Wirksamkeit | |
nichts zu tun. | |
## Zweifel an Medienbericht | |
Tatsächlich haben die Konkurrenten Biontech und Moderna ihre Impfstoffe | |
wesentlich gründlicher an Senioren erprobt. Biontech hat 18.000 Personen | |
über 55 Jahren in die Studie aufgenommen, das waren 40 Prozent der | |
Teilnehmer. Aufgrund des angestrebten Einsatzgebiets haben die | |
Wissenschaftler auch darauf geachtet, Tests an bettlägerigen | |
Pflegeheimbewohnern durchzuführen. Biontech konnte daher guten Gewissens | |
eine Wirksamkeitsrate von 94 Prozent für die Hauptzielgruppe verkünden, | |
während AstraZeneca hier etwas unklar bleibt. Somit ist es tatsächlich | |
möglich, dass die europäische Arzneibehörde EMA die Zulassung für Senioren | |
nun infrage stellt. | |
AstraZeneca selbst wehrte sich derweil vehement gegen Unterstellungen, der | |
Impfstoff sei fast unwirksam und die Zulassung in Großbritannien sei zu | |
Unrecht erfolgt. Eine Sprecherin verwies auf Daten aus der zweiten | |
Studienphase vom November. Das Immunsystem der älteren Teilnehmergruppe | |
habe zuverlässig auf den Wirkstoff angesprochen. Der Handelsblatt-Bericht | |
sei „völlig falsch“. Doch auch AstraZeneca selbst kann keine aktuellen, | |
klaren Wirksamkeitsdaten zur Verhinderung von Infektionen bei Älteren aus | |
der großen Phase-3-Studie nennen. | |
26 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /EU-beschwert-sich-bei-Pharmakonzernen/!5746112 | |
[2] /Impfstrategie-der-EU/!5741911 | |
[3] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/pandemie-bekaempfung-rueck… | |
## AUTOREN | |
Finn Mayer-Kuckuk | |
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