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# taz.de -- Politiker bei Clubhouse: Oder können wir es bitte lassen?
> Bodo Ramelow hat Peinlichkeiten auf der App Clubhouse von sich gegeben.
> Mehr Investigativstorys aus dem Medium braucht wirklich niemand.
Bild: Im Klubhaus gefangen? Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow
Kennen Sie Podcasts? Diese Audioformate, wo Menschen sich vor allem gern
reden hören? Wäre es nicht toll, wenn sich weitere Menschen einfach
zuschalten könnten, die sich auch gerne reden hören? Interaktiv labern ohne
Unterlass? Das müssen sich die Entwickler*innen von [1][Clubhouse]
gedacht haben, einem neuen sozialen Netzwerk für Audio-Gesprächsrunden.
An sich nichts bahnbrechend Neues: wie Whatsapp ohne Tippen oder eben
Podcasts mit Publikumsbeteiligung. Oder – vielleicht erinnern wir uns – wie
eine Podiumsdiskussion, bei der zwischendurch das Mikro herumgereicht wird.
Dass Clubhouse aber ganz besonders ist, suggerieren die
Entwickler*innen mit den Kniff, dass man zunächst zur App eingeladen
werden muss. Angeblich hat das damit zu tun, dass die Userzahlen nicht
schneller anwachsen sollen, als die Entwicklungsabteilung hinterherkommt.
Aber in Kombi mit dem Titel „Clubhouse“ hat man eher den Eindruck, dass dem
Produkt ein gewisser Mythos angeheftet werden soll: Exklusiv, exklusiv –
das muss ich unbedingt haben, sonst verpasse ich was!
Und tatsächlich haben wir schon was verpasst. Thüringens Ministerpräsident
Ramelow (Linke) hat sich nämlich in der Nacht zum Samstag in einer
Talkrunde auf Clubhouse eingewählt – und sich dort verhalten, als säße er
im Pyjama an der Hausbar.
## Kritik aus dem eigenen Kabinet
Bei Beratungen zur Coronakrise vertreibe er sich die Zeit mit Candy Crush
spielen, plauderte der Landesvater – und verwendete zwischendurch auch noch
einen Kosenamen für die Bundeskanzlerin. Aufgeschrieben hat das umgehend
die Welt am Sonntag, deren Chefredakteur sich ebenfalls eingewählt hatte.
Ob der Pyjama trug, ist nicht bekannt. Schade eigentlich, denn was ein
Haufen Politiker*innen und Journalist*innen so anhaben, wenn sie
sich Freitagabend in eine audio-only Veranstaltung einklinken, wäre noch
die interessanteste Frage an der ganzen Episode.
Über den WamS-Bericht beschwerte sich Ramelow, über Ramelows Verhalten
beschwerte sich der große Rest, unter anderem sogar Ramelows Innenminister
Georg Maier (SPD).
## Jagd auf Geschichten
Natürlich ist es unmöglich, was Bodo Ramelow da von sich gegeben hat. Und
natürlich ist es strunzblöd, davon auszugehen, dass man auf einem sozialen
Medium „unter sich“ ist. Die AGB von Clubhouse mögen es verbieten, zu
zitieren, aber Journalist*innen werden sich im Zweifel immer aufs
öffentliche Interesse berufen, das gilt für einen Onlinetalk ebenso wie,
prä-pandemisch, für den Plausch am Stehtisch.
Das Grauenvolle an der Geschichte ist eher, dass sich Clubhouse durch den
Vorfall nun möglicherweise als weiteres soziales Medium etabliert, auf dem
Journalist*innen herumgeistern müssen, bis sie irgendwo etwas
vermeintlich Berichtenswertes gefunden haben – so wie man sich also jetzt
schon auf Twitter, dem Journalismusnetzwerk schlechthin, Stunden beim
Scrollen durch Beefs und Branchen-Insiderjokes verdaddeln kann, gehört bald
auch noch der verbale Dünnpfiff am Freitagabend auf Clubhouse zur
Rechercheleistung.
Man könnte argumentieren, dass Wähler*innen wissen sollten, was für ein
Typ jemand ist, der da im September mit seiner Partei wieder an die
Regierung gewählt werden möchte. Andererseits: [2][Dass Ramelow impulsiv
ist, war bekannt]. Dafür muss man sich nicht auch noch am Wochenende Radio
Bodo reinziehen.
Deswegen, frommer Wunsch: Können wir den App-Hype dieses Mal einfach
überspringen? Man wird ja noch träumen dürfen!
Korrekturhinweis: Clubhouse ist nicht erst vor einer Woche in Deutschland
gestartet, wie zunächst im Text stand. Die App war schon vorher auch für
deutsche Nutzer*innen im Apple-Store verfügbar. Personen in Deutschland
wurden aber erst ab Dezember allmählich eingeladen.
25 Jan 2021
## LINKS
[1] /Neues-soziales-Netzwerk-Clubhouse/!5741788
[2] /Landtagswahl-in-Thueringen/!5629070
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Bodo Ramelow
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Soziale Medien
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Schwerpunkt Coronavirus
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