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# taz.de -- Neues soziales Netzwerk Clubhouse: Du kommst hier nicht rein
> Die Audioplattform Clubhouse erlebt einen Hype in Deutschland. Doch der
> elitäre Zugang ist nicht das einzige Problem der App.
Bild: So siehts aus – im Club
Im Jahr 2005 prognostizierte der Zukunftsforscher Matthias Horx: „Von
Facebook wird in fünf Jahren niemand mehr reden!“ Heute hat das Netzwerk
2,6 Milliarden monatlich aktive Nutzer:innen. Man kann also guten
Gewissens sagen, dass Horx mit seiner Vorhersage daneben lag. Würde man in
seine Prognose allerdings den Namen einer anderen Plattform einsetzen,
hätte er vermutlich recht behalten. Denn es sprießen zwar regelmäßig neue
soziale Medien aus dem Boden, doch den wenigsten gelingt es, sich zu
etablieren. 2018 sollte Vero – True Social das neue große Ding sein, heute
spricht keine:r mehr davon.
Jetzt gibt es wieder ein neues soziales Medium, das einen Hype erlebt. Bei
Clubhouse gibt es nichts zu lesen, sehen oder liken. Es ist eine reine
Audioplattform. In deren verschiedenen Räumen finden Podiumsdiskussionen
oder unterhaltsame Gesprächsrunden statt, in wieder anderen wird Musik
aufgelegt. Als Nutzer:in kann man Räume erstellen oder bestehenden
beitreten, stille Zuhörer:in sein oder selbst das Wort ergreifen. Eine
Hybridform aus Live-Podcast und Telefonkonferenz.
Die App wurde im März 2020 von Paul Davison und Rohan Seth mit ihrer Firma
Alpha Exploration Co. aus dem Silicon Valley gegründet. Am vergangenen
Wochenende ist sie auch in Deutschland so richtig angekommen. Ihr Erfolg
ist nicht nur auf Langeweile in der Pandemie zurückzuführen, sondern vor
allem auf die Marketingstrategie.
Bisher können nur iPhone-User:innen die App installieren, ein Großteil der
Smartphone-User:innen ist also ausgeschlossen. Zudem braucht es eine
Einladung. Jede Nutzer:in des Cloubhouse hat die Berechtigung, zwei
weitere Menschen einzuladen. Dass auch viele Prominente unter den
User:innen sind, verstärkt die Anziehungskraft.
## Auf einen Schwatz mit Promis
In den USA waren Paris Hilton und Oprah Winfrey früh dabei, in Deutschland
konnte man sich am Sonntag mit Politiker:innen wie Christian Lindner
oder Dorothee Bär, der Influencerin Caro Daur oder dem Spiegel-Kolumnisten
Sascha Lobo unterhalten. Die Idee ist nicht neu, aber funktioniert: Der
künstlich verknappte Zugang zur App macht sie zum Gesprächsthema. Für alle,
die drin waren, rein wollten oder auf keinen Fall Teil sein möchten. Der
Wunsch, zum „Club“ zu gehören, geht bisweilen so weit, dass Nutzer:innen
ihre Einladungen für 50 Euro bei eBay Kleinanzeigen anbieten.
Doch bevor die Plattform sich durchgesetzt hat, werden schon einige
Probleme sichtbar, angefangen beim Datenschutz. Wer nicht schon beim
Einrichten der App den Zugriff auf sein Adressbuch erlaubt, muss dies
spätestens dann tun, wenn er Andere einladen möchte. Damit bekommt der
Konzern auch Zugriff auf Daten von Personen, die die App selbst nicht
nutzen – ein Konzept, das vermutlich gegen die Datenschutzgrundverordnung
verstößt.
Zudem werden alle Gespräche aufgenommen. Laut den Nutzungsbedingungen
geschieht das „vorübergehend und verschlüsselt“, kommt es jedoch während
des Gesprächs zu einer Warnung aufgrund eines möglichen Regelbruchs, wird
die Aufnahme so lange gespeichert, bis das Bewertungsverfahren der Warnung
abgeschlossen ist.
Doch nicht nur die mangelnde Inklusion und der fehlende Datenschutz sind
problematisch, auch der Umgang mit Hate Speech, Desinformation und
Verschwörungstheorien ist es. Da die Gespräche alle live stattfinden, gibt
es kaum Möglichkeiten, strafrechtlich relevante Äußerungen zu
dokumentieren. Während Hate Speech eines der größten Probleme bei den
erfolgreichen Plattformen ist, hätte man sich von einer neuen Plattform
bessere Handhabung gewünscht als lediglich die Möglichkeit für
Nutzer:innen, Verstöße zu melden oder andere Nutzer:innen zu blockieren.
## Auch rechtsextreme Blogger auf Clubhouse
So berichteten verschiedene US-amerikanische Medien schon von
Holocaustleugnung und rassistischen und sexistischen Äußerungen, die auf
der Plattform getätigt worden sind. Die [1][Journalistin Taylor Lorenz
dokumentierte beispielsweise bei Twitter], dass auch der rechtsextreme
Blogger Curtis Yarvin zu den regelmäßigen Nutzern der App zählt und trotz
wiederholter rassistischer Aussagen nicht entfernt wurde. Fraglich ist
deshalb auch, ob die App in Deutschland die geltenden Gesetze zur
Regulierung von Hate Speech einhalten kann.
In vielerlei Hinsicht wird Clubhouse wohl also keine bessere Alternative zu
Facebook & Co sein. Der Hype ist trotz allem real: Die App befindet sich
zwar noch in der Betaphase, wird jedoch bereits jetzt mit 100 Millionen
Dollar bewertet. Ob sich die App, nachdem sie für alle geöffnet wird, im
Mainstream durchsetzt und [2][wir in fünf Jahren noch darüber sprechen],
wird sich zeigen. In der Vergangenheit waren vor allem Plattformen wie
[3][Tiktok] erfolgreich, die zu Beginn vorrangig von Teenagern genutzt
wurden. Bei Clubhouse kommen sie (bislang) noch nicht rein. Der Club ist
erst ab 18.
18 Jan 2021
## LINKS
[1] https://twitter.com/taylorlorenz/status/1312972341580689409?lang=de
[2] /Internetnutzung-2020-und-Medienkompetenz/!5737065
[3] /TikTok-und-Datensicherheit/!5703143
## AUTOREN
Carolina Schwarz
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Soziale Medien
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