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# taz.de -- Grüne Garantiesicherung: So wollen Grüne Hartz IV abschaffen
> Die Grünen stellen ihr Konzept einer Grundsicherung vor. Sie wollen
> Sanktionen abschaffen und die Regelsätze erhöhen. Unklar: Die
> Gegenfinanzierung.
Bild: Anja Hajduk während einer Rede im Juni 2020 – diesmal fand das Presseg…
Berlin taz | In der Grünsten aller Welten müssen kaum noch Menschen
Grundsicherung beantragen. Wer zu wenig verdient, bekommt einfach vom
Finanzamt einen Zuschuss zum Gehalt überwiesen und hat damit ein staatlich
garantiertes Mindesteinkommen. Diesen Ausblick geben die Grünen im
Bundestag in ihrem [1][Konzept zur Überwindung von Hartz IV], welches sie
am Freitag vorstellten.
Ziel sei es die Grundsicherung umfassend zu reformieren, zu
entbürokratisieren und vom Stigma zu befreien, so die stellvertretende
Fraktionsvorsitzende Anja Hajduk beim digitalen Pressegespräch.
Auf dem Weg zur vollendeten Garantiesicherung wollen die Grünen ganz
pragmatisch vorgehen und Hartz IV Stück für Stück reformieren. So soll etwa
das Partnereinkommen zunächst bei unverheirateten Paaren nicht mehr
angerechnet werden. Die Regelsätze sollen erhöht werden, und zwar von 432
Euro, die Alleinstehende derzeit erhalten, auf 603 Euro für Erwachsene.
Sanktionen sollen entfallen. Ziel sei ein Kulturwandel, denn, „Wo Angst
ist, kann kein Vertrauen entstehen und wird die Vermittlung in den
Arbeitsmarkt erschwert“, so der sozialpolitische Sprecher Sven Lehmann.
Antragsteller:innen sollen nach dem grünen Konzept auch nicht mehr genötigt
werden, nachzuweisen, dass sie nicht über große Vermögen verfügen. Eine
Vermögensprüfung solle nur noch „bei begründetem Zweifel“ stattfinden,
heißt es im Konzept. Die Möglichkeiten, zusätzlich zur Grundsicherung zu
verdienen, wollen die Grünen ausbauen. Zusätzliche Erwerbstätigkeit müsse
auch zu einem „spürbar höheren Einkommen führen“.
Derzeit beziehen rund 900.000 Erwerbstätige Hartz IV, gut die Hälfte davon
sind geringfügig beschäftigt. Weitere 1 bis 2 Millionen Arbeitnehmer:innen
hätten vermutlich auch Anspruch auf Grundsicherung, würden sie aber nicht
in Anspruch nehmen, so Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sprecher für
Arbeitsmarktpolitik der Grünen.
Ziel des Grünen-Konzepts sei es auch, mit weniger Bürokratie verdeckte
Armut zu verringern und untere Einkommen zu entlasten. Das grüne
Grundsicherungskonzept ist daher verknüpft mit weiteren
arbeitsmarktpolitischen Forderungen, etwa den Mindestlohn auf 12 Euro zu
erhöhen.
## Kosten im zweistelligen Milliardenbereich
Die Bausteine des grünen Grundsicherungskonzepts müssen nicht zwingend
zugleich, sondern könnten auch unabhängig voneinander eingeführt werden,
erläuterte Hajduk. „Wir haben einen sehr realistischen Ansatz gewählt, der
umsetzbar und finanzierbar ist.“
Die Finanzierungsfrage lassen die Grünen jedoch offen. Im Endausbau würde
die grüne Grundsicherung pro Jahr einen „niedrigen zweistelligen
Milliardenbetrag“ kosten, wie Hajduk sagte. Würden die Maßnahmen einzeln
umgesetzt, würde das jeweils untere Milliardenbeträge erfordern. Beträge,
die man auch über einen normalen Haushalt abdecken könnte. Also ohne
Steuererhöhungen für Reiche und Erben.
Welche Vorschläge, die Grünen tatsächlich umsetzen können, wird maßgeblich
davon abhängen, ob und mit wem sie künftig regieren. Die [2][CDU hält an
Hartz IV] in der jetzigen Form fest. Die FDP will nur [3][die
Zuverdienstmöglichkeiten verbessern]. Die Sozialdemokrat:innen wollen Hartz
IV „überwinden“ und durch [4][ein Bürgergeld ersetzen], dessen Höhe und
Bedingungen sie jedoch in ihrem Sozialstaatskonzept vom Dezember 2019 nicht
konkretisieren.
## Linkspartei-Chefin lobt – und ermahnt
Der Grüne Lehmann kritisierte SPD und CDU, sie hätten die Ärmsten und die
Bezieher:innen von Hartz IV in der gegenwärtigen Pandemie vergessen. „Die
SPD versucht erst gar nicht, Sanktionsfreiheit und eine Erhöhung der
Regelsätze durchzusetzen“, so Lehmann.
Am stärksten liegen die Grünen beim Thema Grundsicherung wohl mit der
Linkspartei auf einer Linie. Die Linke fordert eine Mindestsicherung von
1.050 Euro. Zusammen mit den Grünen hat die Linksfraktion Ende 2019 einen
Antrag zur Abschaffung der Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger:innen in den
Bundestag eingebracht.
Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, erklärte gegenüber der taz,
es sei einerseits erfreulich, dass sich die Grünen mit ihrem Ja zu
Sanktionsfreiheit und zu deutlich höheren Regelsätzen klar auf die linke
Vorstellung einer sanktionsfreien Mindestsicherung zu bewegten. „Das macht
Lust auf soziale Mehrheiten links der Union.“
Wer es aber ernst damit meine, müsse auch bereit sein,
Millionenerbschaften, Millionengewinne und Millionenvermögen stärker zu
besteuern. Dazu sei die Union aber niemals bereit. „Das heißt, wenn die
Grünen weiter auf Schwarz-Grün spielen, können sie dieses schöne Konzept in
die Tonne treten“, so Kipping.
Am kommenden Donnerstag bringen die Grünen ihren Antrag aber zunächst in
den Bundestag ein.
8 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw02-de-garantiesicherun…
[2] /Nordrhein-Westfalen-kuerzt-bei-Hartz-IV/!5659464
[3] https://www.fdp.de/forderung/75-2
[4] /Linkswende-auf-dem-SPD-Parteitag/!5644342
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
Grüne
Hartz IV
Grundsicherung
Bedingungsloses Grundeinkommen
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