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# taz.de -- Berliner Wochenmärkte im Lockdown: Zu buntes Markttreiben?
> Ein Blick auf die Märkte Kollwitzplatz, Maybachufer und Winterfeldtplatz
> zeigt, dass die Corona-Auflagen teilweise nicht eingehalten werden.
Bild: Markttag in Prenzlauer Berg: Am Wochenende auf dem Kollwitzplatz
Berlin taz | [1][Berlin ist im Lockdown] – doch der kennt Ausnahmen.
Wochenmärkte zum Beispiel dürfen laut der geltenden
Infektionsschutzverordnung des Senats öffnen, sofern sie sich „auf die für
den Einzelhandel zugelassenen Sortimente“ beschränken. Wer Lebensmittel,
Bücher und Schreibwaren am Marktstand feilbietet, darf das also tun. Die
MarkbetreiberInnen nutzen diese Möglichkeit, wie eine taz-Recherche am
Wochenende in einigen Bezirken zeigt, rege – und stellen die Bezirksämter
vor die Frage, wie viel Markttreiben mit Blick auf den Gesundheitsschutz
toleriert wird.
Am Kollwitzmarkt in Prenzlauer Berg herrscht am Samstagmittag Vollbetrieb
wie vor der Pandemie. Vor den Ständen mit Käse und Biobrot warten lange
Schlangen. Zwar wird die Maskenpflicht weitgehend eingehalten, doch wer
über den Markt schlendert, kann unmöglich Abstand halten. Außerhalb des
Markts stehen überall Grüppchen beieinander, mit einem Coffee-to-go in der
Hand, ohne Maske, es wird gelacht, manche umarmen sich zur Begrüßung.
Vor einem Stand, an dem Schaffelle und Wollpullover verkauft werden,
erklärt ein Mitarbeiter des Ordnungsamts, dass man die Order habe, keine
Stände zu schließen. „Wenn wir zumachen, kann es sein, dass der Betreiber
klagt, dann kommen auf den Bezirk Schadenersatzforderungen zu.“ Allerdings
werde man eine Anzeige schreiben. Nach Informationen der taz hat der
Schaffell-Händler seinen Stand gegenüber dem Ordnungsamt als Verkaufsstelle
mit Reformhausbedarf deklariert.
Neben ihm mischt sich ein anderer Standbetreiber ein. Er verkauft
Ledertaschen und Portemonnaies. Auch ein paar Schreibutensilien und
Schmuckblöcke liegen auf der Auslage: „Papeteriebedarf“, sagt er. Der
Marktbetreiber, der auch die Wochenmärkte in Pankow und am Hackeschen Markt
betreibt, zuckt mit den Schultern. „Es ist nicht meine Aufgabe zu
kontrollieren, wer auf dem Kollwitzplatz was verkauft“, betont er. „Ich
muss auch nicht nachsehen, ob alle die Hygienevorschriften einhalten.“
## Bezirk sieht keinen Handlungsbedarf
Tatsächlich ist das Sache des Ordnungsamts. Der zuständige Pankower
Stadtrat Daniel Krüger (AfD) hatte in der Adventszeit mobile Glühweinstände
auf Gehwegen in seinem Bezirk heftig kritisiert und angekündigt, gegen
„Glühwein-Pulks“ vorgehen zu wollen.
Stadtrat Krüger sagt auf taz-Anfrage am Montag, man sehe derzeit keinen
Handlungsbedarf am Kollwitzplatz. In der vergangenen Woche habe es
lediglich einen strittigen Fall gegeben, über den diskutiert worden sei.
Auch was „die Coffee-to-go-Situation“ angehe, meldeten die Mitarbeiter
nichts, was ein Einschreiten rechtfertigen würde, so Krüger.
Am Neuköllner Maybachufer wurde der Wochenmarkt wegen der
Corona-Abstandsregeln schon vor Monaten bis in die Hobrechtstraße hinein
erweitert. Das tut dem zweimal wöchentlich stattfindenden „Türkenmarkt“,
der mittlerweile in vielen Reiseführern steht und vor der Pandemie
Tourist*innen aus aller Welt anzog, auch unabhängig von der Coronagefahr
sehr gut: Die Atmosphäre ist zwischen den weiter auseinander und sich am
Ufer nicht mehr direkt gegenüberstehenden Ständen entspannter, das Schauen
und Schlendern fällt leichter.
Ohne Maske kommt keiner auf das Marktgelände, dafür sorgen Ordner an den
Zugängen und auf die Wege gesprühte große Hinweise. Ganz ohne Gedrängel
geht das Einkaufen – es werden im Lockdown ausschließlich Lebensmittel
angeboten – hier aber nicht: Ab dem frühen Nachmittag wird es voll.
Auch auf dem Winterfeldtmarkt in Schöneberg, Berlins größtem Wochenmarkt,
war am Samstag viel los. Allerdings gibt es dort zurzeit deutlich weniger
Stände als zu Normalzeiten. Nur noch sogenannte Monatshändler, die im
Unterschied zu Tageshändlern regelmäßig kommen und feste Stände haben,
seien zugelassen, sagt Umweltstadträtin Christiane Heiß (Grüne) zur taz. In
Tempelhof-Schöneberg ist Heiß zuständig für die Wochenmärkte. Durch die
Einbeziehung einer Seitenstraße sei die Fläche des Winterfeldtmarktes zudem
vergrößert worden. Das entzerre das Ganze noch mal.
Vieles im Infektionsschutzgesetz sei Auslegungsfrage, sagt Heiß. Zum Teil
sei das ganz schön verwirrend, auch für Marktverwaltung, Ordnungsamt und
Polizei, die das Ganze kontrollieren müssten. „Ich sage immer, man muss die
Dinge im Einzelnen klären“, so Heiß. Jede Woche setze sich das Bezirksamt
mit den Außendienstmitarbeitern, mit der Marktverwaltung und der
Gewerbeaufsicht zusammen, um über strittige Fälle zu beraten. Bei Blumen
zum Beispiel suche man derzeit „eine gemeinsame Linie“ mit den anderen
Bezirken.
## Essen und Trinken verboten
Bei Kleidern, Schmuck und Ähnlichem sei vereinbart, dass solche Artikel nur
verkauft werden dürften, wenn es sich um ein „Mischgewerbe“ handele,
konkret heißt das: wenn das Sortiment am Stand „zu mehr als 50 Prozent aus
Infektionsschutz-Masken und Hygieneartikeln“ bestehe, so Heiß. „Die Händl…
versuchen, die Regeln zu beachten und gleichzeitig zu überleben“, so der
Eindruck der Stadträtin. Und für Imbisse gelte: Auf dem Markt dürfe weder
gegessen noch getrunken werden, auch beim Herumlaufen nicht. Dass die Leute
dann am Rand des Marktes zusammenstehen und das Gekaufte verzehren, sei ihr
bekannt, sagt Heiß.
Am heutigen Dienstag kommen derweil die LänderchefInnen mit der
Bundeskanzlerin eine Woche früher als zunächst geplant zusammen, um über
[2][weitere Lockdownverschärfungen] und eine als wahrscheinlich geltende
Verlängerung in den Februar hinein zu beraten. Diskutiert wird über eine
FFP2-Maskenpflicht in Bussen und Bahnen und im Einzelhandel sowie über eine
Verpflichtung für Arbeitgeber, Homeoffice zu ermöglichen. Auch
Ausgangsbeschränkungen ab 20 Uhr wurden im Vorfeld diskutiert.
Berlins Regierender Michael Müller (SPD), der derzeit auch den Vorsitz der
MinisterpräsidentInnenkonferenz innehat, hatte in der vergangenen Woche
insbesondere beim Homeoffice noch Spielraum für Verschärfungen gesehen. Dem
RBB hatte er gesagt, er könne sich eine „Begründungspflicht“ für
Arbeitgeber vorstellen, warum sie Beschäftigte im Büro halten. Am Mittwoch
will der Senat über die Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse für Berlin
entscheiden.
Die Infektionszahlen weisen aktuell leicht nach unten: Die 7-Tage-Inzidenz
lag zu Wochenbeginn nur noch bei rund 160 Neuinfizierten pro 100.000
EinwohnerInnen. Zuletzt hatte sie beinahe 200 betragen. Seit Samstag würden
in dem Fall auch für [3][BerlinerInnen Reisebeschränkungen] gelten.
19 Jan 2021
## LINKS
[1] /Sondersitzung-im-Abgeordnetenhaus/!5738297
[2] /Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5744395
[3] /Corona-Reisebeschraenkungen/!5741447
## AUTOREN
Uwe Rada
Alke Wierth
Anna Klöpper
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