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# taz.de -- Forscher über Meerplastik und Entsorgung: „Überall zerstreut“
> Der Biochemiker Aaron Beck untersucht den im Atlantik treibenden
> Plastikmüll. Eine Chance der Entfernung von Mikroplastik aus dem Meer
> sieht er nicht.
Bild: Kann kaum von natürlichen Schwebteilchen getrennt werden: Mikroplastik i…
taz: Herr Beck, Ihre Fahrt ging in den Atlantik südlich der Azoren. Warum?
Aaron Beck: Ich nehme an, Sie haben vom nordpazifischen Müllstrudel gehört.
Es gibt einen ziemlich vergleichbaren Strudel im Nordatlantik. Es gibt dort
diese großen Meereswirbel, eine Art Zirkulationssystem. Und diese
Zirkulationsmuster tendieren dazu, treibende Plastikstücke in ihrer Mitte
anzuhäufen. Die Stelle im Nordatlantik ist recht wenig erforscht – es ist
bereits eine Menge Forschung im westlichen Nordatlantik vorangetrieben
worden, deshalb haben wir gute Datenmengen über das Plastik dort, aber im
östlichen und zentralen Nordatlantik gibt es eine große Datenlücke. Wir
waren also auf das Zentrum des Wirbels fokussiert.
Was waren die Ziele der Expedition?
Es gab zwei Projekte, die an dieser Fahrt teilgenommen haben. Das erste ist
ein EU-Verbund-Projekt namens Hotmic, gefördert durch JPI Oceans beim
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das vom Kieler Geomar
koordiniert wird. Dessen Ziel ist zu verstehen, wie Plastikstücke von den
Ursprungsgegenden zu den Küsten und in die Ozeane gelangen und schließlich,
so nehmen wir an, in der Tiefsee ankommen. Das andere Projekt ist
Plastisea, auch vom BMBF gefördert. Es untersucht die Mikrobengemeinschaft
und natürlich produzierte bakterielle Enzyme, die vielleicht dazu genutzt
werden könnten, Plastik zu zersetzen. Plastisea will Enzyme identifizieren,
die in einem industriellen Kontext zur Plastikzersetzung und zur
Beseitigung des Plastiks, das wir an Land haben, genutzt werden könnten. Es
geht bei beiden Projekten darum zu verstehen, wie alles im Ozean
funktioniert, mit dem Ziel, die Plastikquellen an Land zu verringern,
sodass das Plastik das Meer gar nicht erst erreicht.
Also werden diese Enzyme irgendwann Plastik von Müllhalden fressen?
So in etwa. Oder etwa in einem Recycling-Kontext: dass man vielleicht mit
dem Plastikmüll umgehen kann, indem man ihn auf seine Grundbestandteile
reduziert und diese so industriell wiederverwendet werden können.
Welche Erkenntnisse haben Sie bei den beiden Projekten gewonnen?
Die Fahrt funktioniert eher als eine Möglichkeit, Materialproben zu
sammeln, die dann als Basis für die Arbeit der nächsten Monate bis Jahre
dienen – das gilt für beide Projekte. Größtenteils haben wir auf dem Schiff
noch keine Ergebnisse. Das meiste untersuchen wir in den Labors an Land.
Wie lange bräuchte es, um diese Enzyme einzusetzen?
In diesem Fall beziehen Sie sich auf das Plastisea-Projekt, an dem ich
nicht teilhabe. Aber meines Wissens nach kann alles recht schnell
geschehen, wenn man ein Enzym findet, das funktioniert, und dann auch die
Biotechnik, um das Enzym herzustellen, sowie die Ingenieurstechnik, um es
in einem industriellen Kontext zu nutzen. Es ist eine Frage des Geldes,
genug Leute zu haben, die daran arbeiten. Aber sobald man das Enzym findet,
das die Fähigkeiten hat, nach denen man schaut, ist es eine lösbare
Aufgabe, es auf einem industriellen Level nutzbar zu machen.
Es gab ja bereits häufiger Funde von plastikfressenden Enzymen. Warum
konnten diese noch nicht genutzt werden?
Die Enzyme, die wir bislang kennen, arbeiten entweder nicht gut genug oder
nicht schnell genug oder sie arbeiten nicht richtig unter den gewünschten
Bedingungen.
Gibt es auch bei dem Projekt Hotmic praktische Folgen Ihrer Forschung?
Ja. Was zurzeit ein Rätsel ist – es gibt Millionen von Tonnen von Plastik,
die jedes Jahr ins Meer gelangen und irgendwie können wir das meiste davon
nicht finden. Mehr als 95 Prozent des Plastiks scheint zu verschwinden.
Weit weg vom Land, wo es außer Reichweite ist, lässt sich das Plastik nicht
managen. Wenn wir verstehen, wie das Plastik transportiert wird, und wo es
am Ende landet, können wir unsere Reduzierungsanstrengungen fokussieren.
Das ist eine der Hoffnungen.
Wie könnte das aussehen?
Das Problem von Meerplastik ist ein Problem der Müll- und Abfallhandhabung.
Es gibt nahezu keinen Weg, insbesondere das Mikroplastik zu entfernen, das
überall entlang der Wassersäule zerstreut ist. Es lässt sich nicht
entfernen, ohne gleichzeitig all den natürlichen Partikeln, dem natürlichen
Plankton zu schaden. Deshalb müssen wir verhindern, dass das Plastik jemals
ins Meer gelangt.
12 Jan 2021
## AUTOREN
Hagen Gersie
## TAGS
Meeresverschmutzung
Meeresbiologie
Müll
Meeresschutz
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Atlantik
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