# taz.de -- Klimafreundlicher Luftverkehr: Fliegen soll CO2-neutral werden | |
> Die Unternehmen der deutschen Luftfahrt wollen bis zum Jahr 2050 | |
> klimafreundlich wirtschaften. Der Staat soll ihnen dabei helfen. | |
Bild: Der Staat soll helfen, um die deutsche Luftfahrt Co2-neutral zu machen, f… | |
Die deutsche Luftfahrt will bis zum Jahr 2050 CO2-neutral werden – und | |
fordert dafür Hilfe vom Staat. Der Bundesverband der Deutschen | |
Luftverkehrswirtschaft (BDL) und weitere Verbände stellten am Montag einen | |
Katalog mit entsprechenden Maßnahmen und Forderungen vor. Bis wann welche | |
Zwischenziele erreicht werden, konnte der BDL-Präsident Peter Gerber nicht | |
sagen. Dazu sei die Mithilfe von Politik und Partnern nötig, erklärte er | |
nur. | |
Die Luftfahrt wird weltweit von der Coronakrise schwer getroffen, weil | |
nahezu überall der Reiseverkehr zusammengebrochen ist. Viele Airlines | |
können wie die deutsche Lufthansa nur mit massiver Staatshilfe überleben. | |
Allein die Lufthansa hat vom deutschen Staat 9 Milliarden Euro bekommen, | |
auch der deutsche Ferienflieger Condor wird mit großen Summen gestützt. | |
„An unseren Flughäfen zählen wir aktuell zehn Prozent der Passagiere von | |
2019“, berichtete Gerber. Die Branche rechnet aber damit, dass sich das | |
Flugaufkommen nicht nur erholen, sondern langfristig deutlich steigern | |
wird. Vor der Coronakrise war die Luftfahrt nach Angaben der Branche global | |
für 3 bis 5 Prozent der [1][klimaschädlichen CO2-Emissionen] | |
verantwortlich. „Unser Ziel ist der klimaneutrale Flugbetrieb“, betonte | |
Gerber. | |
Erreichen wollen die Unternehmen das unter anderem mit technischen | |
Innovationen und operativen Verbesserungen wie effektiveren Flugrouten und | |
der punktuellen Verlagerung von Reiseverkehr auf die Schiene bei kurzen | |
Strecken. Nach Ansicht der Verbände könnte etwa ein Fünftel des | |
innerdeutschen Flugverkehrs auf die Schiene umgelenkt werden – überall da, | |
wo Reisende an einem Tag ein Ziel erreichen und an den Ausgangspunkt | |
zurückkehren können. | |
## Die deutsche Branche fürchtet Wettbewerbsnachteile | |
Die Branche sei grundsätzlich offen für eine CO2-Bepreisung, sagte Gerber. | |
Eine CO2-Bepreisung gilt als eines der zentralen Instrumente, mit denen | |
klimaschädliche Emissionen verhindert werden können, weil die bepreisten | |
Produkte oder Dienstleistungen teurer werden. „Nationale Instrumente der | |
CO2-Bepreisung sind extrem kontraproduktiv“, sagte Gerber. Die deutsche | |
Branche – [2][der es auch wegen der Staatshilfen besser geht als der | |
meisten internationalen Konkurrenz] – fürchtet Wettbewerbsnachteile und | |
drängt deshalb auf internationale Lösungen. | |
Ein wichtiger Hebel auf dem Weg zur CO2-Neutralität sind die Maschinen. Mit | |
jeder neuen Flugzeuggeneration sinkt der Kerosinverbrauch um 15 und 20 | |
Prozent und damit auch der CO2-Ausstoß, sagte Condor-Chef Ralf Teckentrup, | |
der auch Präsident des Airlineverbands BDF ist. Neue Flugzeuge erforderten | |
hohe Investitionen. „Damit das nicht durch Corona zum Erliegen kommt, | |
brauchen wir Unterstützung“, sagte er. Nach seinen Vorstellungen soll der | |
Staat mit einem Förderprogramm finanzielle Anreize setzen, damit die | |
Unternehmen energieeffiziente Flugzeuge kaufen können. So könnten die | |
CO2-Emissionen pro Flug jährlich um 1 bis 1,5 Prozent gesenkt werden, sagte | |
er. | |
Außerdem setzen die Manager darauf, fossiles Kerosin durch als nachhaltig | |
geltende Kraftstoffe zu ersetzen. Die erforderlichen Produktionsanlagen | |
müssen erst noch geschaffen werden. Dafür arbeitet die Branche gemeinsam | |
mit der Politik und Industrie an einem Fahrplan, der Anfang nächsten Jahres | |
vorgestellt werden soll. Die Lösung aus Sicht der Branche: Der Staat soll | |
mit den Einnahmen aus den Luftverkehrsabgaben die „Investitionen für den | |
umfassenden Systemwechsel zu nachhaltigen Flugkraftstoffen“ fördern. Von | |
europaweiten Vorschriften für Beimischungen, die den Treibstoff weniger | |
klimaschädlich machen könnten, hält die Branche nichts. „Das würde zu | |
Wettbewerbsverzerrungen führen“, sagte Teckentrup. | |
Vor der Coronakrise verzeichnete die Luftfahrt weltweit große | |
Wachstumsraten, die zu einem massiven Preisverfall bei Tickets geführt | |
hatten. Aus Klimaschutzgründen auf Wachstum verzichten, will die Branche | |
auch künftig nicht. „Es geht nicht um die Frage, ob wir auf Fliegen | |
verzichten wollen, sondern Fliegen so CO2-neutral wie möglich zu | |
gestalten“, sagte Stefan Schulte, Präsident des Flughafenverbandes ADV. | |
## Auch von den Grünen kommt Kritik | |
Genau das ist das Problem, findet Michael Müller-Görnert vom ökologischen | |
Verkehrsclub Deutschland (VCD). „Die Branche setzt auf andere Kraftstoffe, | |
um weiterhin wachsen zu können“, sagte er. Doch CO2-Emissionen seien nicht | |
die einzige klimaschädliche Folge des Fliegens, zum Beispiel schaden auch | |
Kondensstreifen. Schon heute werde die Luftfahrt erheblich gefördert, etwa | |
weil es keine Kerosinsteuer gibt. | |
Er plädiert dafür, Wettbewerbsgleichheit mit anderen Verkehrsträgern | |
herzustellen, etwa mit der Bahn, um Reisende zum Umsteigen zu bewegen. Auch | |
von den Grünen kommt Kritik. „Der Masterplan Klimaschutz geht einen Schritt | |
in die richtige Richtung, ist insgesamt aber nicht ausreichend, um das | |
immense Klimaproblem des Luftverkehrs zu lösen“, sagte die grüne | |
Bundestagsabgeordnete Daniela Wagner. | |
14 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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