# taz.de -- Minusgeschäft Regionalflughäfen: Eine Luft-Nummer | |
> In Dortmund zahlt jeder mit der Wasserrechnung für den Betrieb eines | |
> Flughafens. Doch schon bald könnte dem „Airport 21“ das Ende drohen. | |
Bild: Hochbetrieb auf dem Flughafen Dortmund in der Coronapandemie | |
DORTMUND taz | Gespenstisch leer wirkt die halbdunkle, Hunderte Meter lange | |
Ankunftsebene des Dortmunder Regionalflughafens, gelegen im Stadtteil | |
Wickede. Die Schalter von Mietwagenfirmen wie Hertz und Avis sind verwaist, | |
über den grauen Boden in Granitoptik schlendern nur eine Handvoll Menschen. | |
Auch eine Etage höher, auf der per Glasdach lichtdurchfluteten Abflugebene, | |
ist nicht viel los: Im Duty-Free-Shop blicken nur eine Handvoll Leute auf | |
die vollen Regale mit Champagner und Parfüm. Einen Kaffee gibt es nur in | |
der „East Bar“ – doch nur to go im Pappbecher. Kund:innen sind in dem Lad… | |
keine zu sehen. | |
Wie auch an allen anderen deutschen Flughäfen sind die Passagierzahlen in | |
Dortmund massiv eingebrochen. Vor der Pandemie hatte die Geschäftsführung | |
des Airports 21 übers Jahr gerechnet 2,95 Millionen Passagiere eingeplant. | |
Jetzt rechnet Sprecher Guido Miletic bestenfalls noch mit 1,22 Millionen | |
Fluggästen, die von Dortmund vor allem Ziele in Osteuropa wie Katowice in | |
Polen oder Cluj-Napoca in Rumänien, aber auch München ansteuern können. | |
2019, vor Corona, waren es rund 2,7 Millionen. | |
Tristesse prägt das Nahverkehrsterminal vor der Abflugebene. Hier wartet | |
ein einziger leerer Bus. In warmer schwarzer Winterjacke steht davor Mario | |
Krüger. Der 63-Jährige war bis 2016 Landtagsabgeordneter, davor elf Jahre | |
Fraktionschef der Grünen im Stadtrat. | |
Heute ist Krüger Vorsitzender der „[1][Schutzgemeinschaft Fluglärm]“ – … | |
würde das Flugfeld am liebsten sofort dichtmachen. „Niemand braucht diesen | |
defizitären Regionalflughafen“, sagt er. „Nordrhein-Westfalens größter, … | |
Corona profitabler Airport Düsseldorf hat 2019 etwa 25 Millionen Fluggäste | |
gezählt – und ist mit der Bahn wie mit dem Auto in 45 Minuten erreichbar“, | |
so seine Begründung. | |
Was Krüger besonders verärgert: Im Gegensatz zu Düsseldorf hat Dortmunds | |
Flugplatz seit 1998 in jedem einzelnen Jahr Millionenverluste geschrieben – | |
mal waren es 28 Millionen wie 2004, mal 24 Millionen wie 2009. 2019 steckte | |
der Betrieb mit 10,36 Millionen Euro tief in den roten Zahlen. Offiziell | |
summieren sich die Verluste der vergangenen 22 Jahre auf mehr als 356 | |
Millionen Euro. | |
„Dazu kommen noch 78,5 Millionen durch Darlehen und Kreditübernahmen durch | |
die Stadtwerke als Hauptanteilseigner“, rechnet Krüger vor. Außerdem habe | |
es Pensionszusagen und indirekte Subventionen, etwa für die | |
Flughafenfeuerwehr, gegeben. Insgesamt, schätzt der langjährige grüne | |
Ratsfraktionssprecher, habe der Flugbetrieb damit im Lauf der Jahre etwa | |
500 Millionen Euro an Subventionen verschlungen. | |
## Ein Flughafen im Mehrheitsbesitz der Stadtwerke | |
Bezahlen muss die jede Dortmunderin und jeder Dortmunder. Schließlich | |
gehört die [2][Flughafen Dortmund] GmbH zu 26 Prozent der Stadt selbst – | |
und zu den restlichen 74 Prozent den Stadtwerken, die wiederum eine | |
100-prozentige Stadttochter sind. Vermeiden können die Bürger:innen die | |
Quersubventionierung des Flugbetriebs nicht: Spätestens bei der | |
Müllentsorgung sind sie Zwangskund:innen der Stadtwerke. | |
Unterstützt werden mit diesen Subventionen Billigfluglinien wie [3][Wizz | |
Air]. Im August hat die ungarische Airline in Dortmund eine Basis eröffnet | |
und in Dortmund drei Maschinen stationiert. Die aber seien sofort weg, wenn | |
Gewerkschaften für eine Verbesserung der prekären Arbeitsbedingungen | |
kämpfen würden, erklärte der Chef von Wizz Air, József Váradi, gegenüber | |
dem Portal aerotelegraph: „Das machen wir überall so. Gewerkschaften | |
zerstören das Geschäft“, glaubt der 54-jährige Ökonom. „Wenn die | |
Gewerkschaften versuchen, uns zu erwischen, dann schließen wir einfach die | |
Basis und ziehen weiter.“ | |
Dortmunds Flughafen ist von Wizz Air abhängig. Rund 70 Prozent des | |
Passagieraufkommens habe die Billigfluglinie 2019 gestellt, sagt Krüger – | |
und blickt dabei auf die Abflughalle, in der nur wenige Fluggäste warten. | |
Vielen ist anzusehen, dass sie schlecht bezahlte Arbeitsmigrant:innen sind: | |
Statt teurer Aluminium-Rollkoffer besteht ihr Gepäck oft aus Plastiktüten | |
und mit Folie umwickelten Paketen. | |
Gehalten werden könne Wizz Air nur mit massivem Preisdumping, sagt auch der | |
Unternehmer Johannes Kleinschnittger, der die Zwangssubventionierung seit | |
Jahren kritisiert: Im Jahr 2000 seien pro Passagier:in noch Gebühren von | |
11,64 Euro fällig gewesen, rechnet der Dortmunder mit Blick auf die | |
Entgeltordnung des Regionalflughafens vor. Heute zahle Wizz Air | |
„keinesfalls“ mehr als 5,86 Euro. | |
„Wenn Sie im Sommer bei uns im Garten sind, verstehen Sie Dutzende Male am | |
Tag ihr eigenes Wort nicht mehr“, sagt Rolf Reinbacher. Der 68-jährige | |
frühere Bankkaufmann sitzt in der Küche der rotverklinkerten | |
Doppelhaushälfte im Stadtteil Aplerbeck, die er zusammen mit seiner Frau | |
Regina in den Achtzigern gebaut hat. „Normalerweise donnern hier morgens, | |
mittags und abends Jets drüberweg“, klagt der Rentner – denn das Haus der | |
beiden liegt direkt in der Abflugschneise des keine fünf Kilometer | |
entfernten Airports. „Im Moment“, sagt Reinbacher, „hören Sie natürlich | |
nichts – am Flughafen ist ja tote Hose.“ | |
Als das Ehepaar Reinbacher 1988 in Aplerbeck einzog, bestand am Airport nur | |
ein kleines Geschäftsterminal. 1.050 Meter war die bis heute einzige Start- | |
und Landebahn lang. Doch der lange in Dortmund allein regierenden SPD galt | |
das Flugfeld als Prestigeprojekt, das den Anschluss der selbsternannten | |
„Westfalenmetropole“ an die Welt sichern sollte – und das wurde ausgebaut: | |
1997 wurde die Startbahn erst auf 1.450, zur Jahrtausendwende dann auf | |
2.000 Meter verlängert. | |
Und der Flughafen soll weiter wachsen. Beantragt ist die Aufhebung der | |
sogenannten Landeschwellen – um die Anwohner:innen auch im benachbarten | |
Unna zu schützen, dürfen bisher nur 1.700 Meter der Landebahn genutzt | |
werden. Für Fluglinien bedeutet das: Je nach Wetterlage können ihre | |
Maschinen nicht voll besetzt landen. | |
„Unverantwortlich“ sei die faktische Verlängerung der Landebahn, findet der | |
Dortmunder Vorsitzende des Umweltverbands BUND, Thomas Quittek. 725.000 | |
Tonnen Kohlendioxid würden jedes Jahr am Flughafen in die Luft geblasen, | |
sagt Quittek, der mit dem Fahrrad nach Wickede gekommen ist. Dabei seien | |
gerade innerdeutsche Ziele wie München auch bequem mit der Bahn erreichbar. | |
## Lärmgegner hoffen auf Brüssel | |
Mario Krüger, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Fluglärm, hofft deshalb | |
auf die Europäische Union. Die hat die massiven Subventionen für die | |
insgesamt 14 deutschen Regionalflughäfen wie Frankfurt-Hahn, | |
[4][Kassel-Calden] oder Erfurt-Weimar geprüft. Vor sechs Jahren verfügte | |
die Europäische Kommission, dass all diese mit Staatsgeld künstlich am | |
Leben gehaltenen Flughäfen bis zum 1. Januar 2024 schwarze Zahlen schreiben | |
müssen. | |
Doch danach sieht es gerade nicht aus: Schon im Geschäftsjahr 2018 war etwa | |
Frankfurt-Hahn mit 15,1 Millionen, Kassel-Calden mit 5,9 Millionen und | |
Erfurt-Weimar mit 2 Millionen Euro in den Miesen. Zu einem regelrechten | |
Desaster entwickeln sich die Zahlen in diesem Jahr. „Alle Flughäfen werden | |
in den nächsten Jahren kein Geld verdienen“, musste Ralph Beisel, | |
Geschäftsführer der [5][Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen] | |
(AdV), bei einer Anhörung im nordrhein-westfälischen Landtag im September | |
einräumen. | |
Durch den „Corona-Hammer“ liege das „Luftverkehrsaufkommen zurzeit weit | |
unter 10 Prozent“, sagt AdV-Sprecherin Isabelle Polders. „Da kann man nur | |
defizitär sein.“ Der Regionalflughafen Paderborn-Lippstadt hat deshalb | |
bereits Insolvenz angemeldet. Und für den Airport Münster-Osnabrück, der | |
2018 ein Minus von 6,5 Millionen Euro einfuhr, beziffert Geschäftsführer | |
Rainer Schwarz die „covidbedingten Verluste“ auf 1 Million Euro – pro | |
Monat. | |
In Brüssel kämpft der Flughafenverband deshalb um eine Fristverlängerung – | |
die regionalen Airports sollen auch über 2023 hinaus subventioniert werden | |
dürfen. CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will außerdem der | |
gesamten Luftverkehrsbranche unter die Arme greifen: Von der EU-Kommission | |
hat der Bayer im August coronabedingte Unterstützung in Höhe von 1,36 | |
Milliarden Euro genehmigen lassen. Bei einem Luftverkehrsgipfel Ende | |
November war von weiteren „Entlastungen“ in Höhe von einer Milliarde Euro | |
die Rede. | |
Doch ob und wie viel Geld wohin genau fließen wird, bleibt unklar – die | |
Verkehrsministerien in Berlin und in Düsseldorf ließen entsprechende | |
Anfragen der taz unbeantwortet. „Völlig intransparent“ seien Scheuers | |
Versprechen, sagt deshalb der Verkehrsexperte Werner Reh. | |
Bundesverkehrsminister Scheuer müsse die Hilfen endlich offenlegen. | |
Reh ist Mitautor einer im August veröffentlichten Studie zum Thema | |
Regionalflughäfen. „Ökonomisch und klimapolitisch unverantwortlich“ sei | |
deren Dauersubventionierung, lautet das Fazit. „Nur durch Steuergeld werden | |
Billigflüge, etwa von Dortmund nach München für 39,90 Euro, möglich“, sagt | |
Reh. Der Staat sorge damit selbst dafür, dass sein eigenes | |
klimafreundliches Unternehmen Bahn kaum konkurrenzfähig sei. | |
## Rettungsbemühungen des Oberbürgermeisters | |
Doch aller aktuellen Coronahilfen zum Trotz: Bleibt | |
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager beim Verbot staatlicher | |
Subventionen ab dem Jahr 2024, sei mit den 14 defizitären deutschen | |
Regionalflughäfen wie Erfurt-Weimar, Saarbrücken & Co in vier Jahren | |
„Schluss“, glaubt auch Reh. In Dortmund bringt SPD-Oberbürgermeister Thomas | |
Westphal deshalb bereits eine „Flughafen-Allianz“ mit Münster-Osnabrück u… | |
Paderborn-Lippstadt ins Gespräch. | |
„Bevor die Flughäfen einfach so verschwinden, können wir eher darüber | |
reden, wie wir sie nutzen und wie über einen solchen Verbund ein | |
leistungsfähigeres Luftverkehrssystem hier in Westfalen aufrechtzuerhalten | |
ist“, wirbt Westphal. Die Reaktionen sind mehr als skeptisch: „Uns konnte | |
bislang noch niemand erklären, worin eigentlich die Vorteile eines solchen | |
Zusammenschlusses liegen sollen“, sagt etwa der Sprecher des Flughafens | |
Münster-Osnabrück, Andrés Heinemann. | |
Im Stadtrat ist eine Mehrheit aus Grünen, CDU und Linken schon einen | |
Schritt weiter. In einem gemeinsamen Antrag fordern ihre Fraktionen von | |
Westphals Verwaltung, „Nachfolgeszenarien für die Wertschöpfung auf der | |
Fläche des Dortmunder Flughafens zu identifizieren“. Die drei Parteien | |
haben das Ende des Airports also bereits im Blick – beraten wird der Antrag | |
pandemiebedingt Anfang Februar. | |
Auf der Hunderte Quadratmeter großen Besucherterrasse des Flughafens in | |
Dortmund steht ein einziger, einsamer Planespotter. Auf dem Flugfeld | |
verlieren sich nur drei Maschinen von Wizz Air, Lauda und Eurowings. | |
„Nichts los hier“, sagt der Mann, dessen Hobby die Flugzeugbeobachtung ist | |
– und geht. | |
17 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://www.sgf-do-un.de/ | |
[2] https://www.dortmund-airport.de/ | |
[3] https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/heuschrecken-kapitalismus-gewerksch… | |
[4] /Flughafen-Kassel-Calden/!5260837 | |
[5] https://www.adv.aero/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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