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# taz.de -- Brexit-Verhandlungen ohne Ergebnis: Unterhändler drehen Extrarunde
> Überraschend verkünden Ursula von der Leyen und Boris Johnson weitere
> Gespräche über ein Handelsabkommen.
Bild: Wohin des Weges? Larry, die offizielle Hauskatze von Downing Street 10 in…
Brüssel/London taz | Am Sonntag sollte endgültig Schluss sein, beide Seiten
schienen zum „harten Brexit“ bereit. Doch nun wollen die EU und
Großbritannien ihre Last-Minute-Gespräche über ein Handelsabkommen doch
noch fortsetzen – diesmal ohne neue Frist, obwohl zum Jahresende die
britische Mitgliedschaft in EU-Binnenmarkt und Zollunion endet und keiner
weiß, wie danach der Handel geregelt sein wird. Es drohen schwere
Verwerfungen im Warenverkehr zwischen der EU und Europas zweitgrößter
Volkswirtschaft.
„Trotz der Erschöpfung nach fast einem Jahr Verhandlungen, trotz der
Tatsache, dass immer wieder Fristen versäumt wurden, glauben wir, dass es
verantwortungsvoll ist, jetzt noch die Extrameile zu gehen“, erklärte
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag in Brüssel nach
einem Telefonat mit dem britischen Premier Boris Johnson. Ihr Statement war
kurz, die ähnlich lautende Erklärung Johnsons wenig später kaum länger.
Auch Johnson nahm das Wort von der „Extrameile“ in den Mund und betonte:
„Das Vereinigte Königreich wird den Verhandlungstisch nicht verlassen.“
Offenbar will keine Seite für ein Scheitern der Gespräche verantwortlich
sein – allein das genügt, um sie weiterlaufen zu lassen.
Eine sachorientierte Begründung für die überraschende Verlängerung nannten
weder die EU-Chefin noch der britische Premierminister. Vielmehr betonten
beide, die Positionen beider Seiten blieben weit auseinander. Unklar ist,
ob die Gespräche vielleicht auf Wunsch der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
fortgesetzt werden. Kurz zuvor hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in
Berlin für eine Verlängerung der Gespräche ausgesprochen. Jede Möglichkeit,
noch zu einem Ergebnis zu kommen, sei hoch willkommen, sagte Merkel.
Zuletzt hatten sich beide Seiten auf einen harten Bruch zur Jahreswende
eingestellt. Auf Drängen Frankreichs, Belgiens und anderer EU-Länder hatte
die EU-Kommission am Donnerstag eine ganze Reihe von Notmaßnahmen für den
„No Deal“ bekanntgegeben. Dazu zählen Pläne für den Schiffs- und
Flugverkehr, die Banken oder digitale Dienste. [1][Nach einem ergebnislosen
Dinner mit Johnson in Brüssel] am vergangenen Mittwoch hatte von der Leyen
einen „No Deal“ als wahrscheinlichsten Ausgang bezeichnet. Dies teilte sie
auch dem EU-Gipfel am Freitag mit.
## Auf den Notfall vorbereitet
In Großbritannien bezeichnete Premier Johnson am Freitag einen „No Deal“
als „sehr, sehr wahrscheinlich“ und gab eigene Notfallmaßnahmen bekannt:
unter anderem die Bereitstellung von vier Milliarden Pfund zur
Gewährleistung der Lebensmittelversorgung.
Die britische Regierung verkündete außerdem den Einsatz der Kriegsmarine,
um nach dem 1. Januar gegebenenfalls gegen fremde Fischerboote in
britischen Gewässern vorzugehen. Denn im Fall eines „No Deal“ erlöschen d…
bestehenden EU-Fischereirechte in den britischen Hoheitsgewässern zum
Jahreswechsel. Die Ankündigung wurde am Wochenende von der Boulevardpresse
bejubelt, aber Tobias Ellwood, der konservative Vorsitzende des
parlamentarischen Verteidigungsausschusses, nannte sie
unverantwortlich.
Während sich von der Leyen und Johnson nun beide zur Fortsetzung der
Gespräche bekannt haben, sind sie offensichtlich unterschiedlicher Meinung
über das mögliche Format. Boris Johnson brachte am Sonntag erneut
Direktverhandlungen mit EU-Regierungen ins Spiel. Den Vorschlag, die
Gespräche in bilateralen Verhandlungen aus der Sackgasse zu holen, lehnten
jedoch schon beim EU-Gipfel am Freitag Kanzlerin Merkel und Frankreichs
Staatschef Emmanuel Macron ab. Von der Leyen betonte am Sonntag, verhandeln
würden die bestehenden Unterhändler.
Hinter den Kulissen gibt es Bewegung. Dies gilt vor allem für die heikle
Frage des „Level Playing Field“, also der fairen Wettbewerbsbedingungen.
Von der Leyen deutete an, dass man den Briten in dieser Frage
entgegenkommen könne.
Gemeint ist offenbar, dass London nicht jede Änderung der Wirtschafts-,
Umwelt- und Sozialgesetzgebung in der EU nachvollziehen muss, wie es die EU
bisher verlangt hatte. Im Rahmen einer „managed divergence“ könnten die
Europäer vielmehr von Fall zu Fall entscheiden, ob sie zusätzliche Zölle
auf britische Waren erheben, die nicht zu denselben Wettbewerbsbedingungen
produziert wurden. Ähnlich könnten umgekehrt die Briten vorgehen. Die Frage
bleibt, ob eine solche Entscheidung ein Schiedsverfahren voraussetzt.
Vielleicht hat auch das bereits sichtbare Chaos an den Grenzen einen
Eindruck gemacht. Nicht nur wegen des Brexit, auch aufgrund von Covid-19
und Weihnachten bauen britische Unternehmen jetzt extra Vorräte auf, was zu
verstärktem Verkehr und langen Wartezeiten führt. In manchen Häfen stauen
sich die Containerschiffe. Die Autohersteller Honda und Jaguar Landrover
mussten aufgrund fehlender Teile die Produktion zwischenzeitlich stoppen.
13 Dec 2020
## LINKS
[1] /Das-Nordirland-Problem-beim-Brexit/!5730592
## AUTOREN
Eric Bonse
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
Schwerpunkt Brexit
Großbritannien
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