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# taz.de -- Zustimmung zum Brexit-Deal: Britisches Unterhaus sagt yes!
> Die Abgeordneten haben am Mittwoch mit klarer Mehrheit für den
> Handelsvertrag mit der EU gestimmt. Auch Brexit-Hardliner stimmten zu.
Bild: Premierminister Boris Johnson sprach sich im Parlament für das Handelsab…
London taz | Nach neuneinhalb Monaten der Verhandlungen über die
[1][zukünftigen Beziehungen mit der EU] blieben Großbritanniens Parlament
am Mittwoch nur fünf Stunden.
Fünf Stunden für eine Sondersitzung zum neuen Handelsvertrag zwischen dem
Vereinigten Königreich und der EU, in denen sich die Gemüter noch einmal
zum Thema Brexit erhitzten. [2][Das Abkommen] wurde schließlich mit 521 zu
73 Stimmen verabschiedet. 36 Labour-Abgeordnete enthielten sich ihrer
Stimme, drei von ihnen traten deswegen von ihren Frontposten zurück. Die
grüne Caroline Lucas stimmte gegen das Abkommen. Das Oberhaus sollte im
Laufe des Tages ebenfalls votieren – auch hier wurde Zustimmung erwartet.
Viele Abgeordnete schalteten sich aufgrund der Pandemie digital zu. Zum
Auftakt der Debatte empfahl Premierminister Boris Johnson das
Handelsabkommen dem Parlament. Mit dem Deal übernehme Großbritannien wieder
die „Kontrolle über unsere Gesetze, Grenzen, Gelder und Gewässer“. Die
Brit*innen würden nun „freundliche Nachbarn werden, ja der beste Freund und
Verbündete, den die EU haben könnte“, sagte er weiter.
Der Premier beschrieb die neue Beziehung als eine zwischen souveränen
Gleichberechtigten, die in Freundschaft, Handel, Geschichte, Interessen und
Werten miteinander verbunden seien, während beide Seiten zugleich ihre
Handelsfreiheit respektierten.
## Auch Brexit-Hardliner stimmt zu
Bereits am Vortag war klar, dass die Mehrheit der konservativen
Abgeordneten dem Vertrag zustimmen würde, nachdem die Gruppe der
konservativen Brexit-Hardliner, der European Research Group (ERG), dem
Vertrag ihre Zustimmung gegeben hatte. Unter ihnen ist auch einer der
damaligen Hauptrebellen gegen den Vertrag von Maastricht im Jahr 1992, der
80 Jahre alte konservative Abgeordnete und Anwalt Sir Bill Cash.
Dieser sprach sich nicht nur für das Abkommen aus, er verglich Johnson im
Unterhaus mit niemand Geringeren als Alexander dem Großen und Winston
Churchill. Die Gruppe urteilte zwar, dass mit den eingefügten
Wettbewerbsklauseln zu verhindern versucht werde, dass sich das Vereinigte
Königreichs zu weit von EU-Linie entferne. Aber eine robuste britische
Regierung könne sich dem stellen.
Als schließlich die ehemalige Premierministerin Theresa May zu Wort kam,
betonte sie, dass sie zwar das Abkommen befürworte – Souveränität jedoch
bedeute nicht das gleiche wie Exzeptionalismus und Isolation.
„Großbritannien muss eine Rolle in der internationalen Ordnung spielen“,
forderte sie.
Premier Johnson weigerte sich wiederholt, Fragen zum Schicksal des
Finanzsektors zu beantworten. Dieser macht 80 Prozent der britischen
Wirtschaft aus. Viele Kritiker*innen sagen, das Abkommen beinhalte nicht
genügend Rechte und Schutz für den Sektor. Nicht nur von der
oppositionellen Labourpartei und der Schottischen Nationalpartei (SNP)
kamen entsprechende Fragen, sondern auch von konservativen Abgeordneten wie
May.
## „Dieser Deal oder keiner“
[3][Oppositionsführer Keir Starmer] gab an, dass die Wahl der
Parlamentarier*innen eine ganz einfache sei, egal wie proeuropäisch jemand
sei: entweder für diesen Deal oder für einen No-Deal. Die Aussichten auf
ein anderes Abkommen innerhalb der nächsten 24 Stunden bestünden nicht.
Dass es zeitlich so knapp wurde, bezeichnete er als Versagen. Trotz Kritik
an dem Abkommen im Bereich Handel und Sicherheit werde Labour sich hinter
das Abkommen stellen.
Der SNP-Fraktionssprecher im Unterhaus, Ian Blackford, betonte, dass der
Brexit entgegen dem Willen der Mehrheit in Schottland geschehe und das Ziel
seiner Partei, [4][die schottische Unabhängigkeit] und der Wiederbeitritt
zur EU, nun gestärkt werde. „Am Tisch der EU ist ein Sitz frei. Er wird
nicht lange frei sein“, beendete er seine Ansprache. Auch die nordirische
protestantische DUP stellte sich in Westminster gegen den Vertrag.
Ein Jet der Royal Air Force sollte den von EU-Kommissionschefin Ursula von
der Leyen und Ratspräsident Charles Michel am Mittwochmorgen
unterschriebenen Vertrag am Abend nach Großbritannien fliegen. Bis
Donnerstagabend wird der Vertrag von Johnson und der Beschluss des
Parlaments von der Queen im Eilverfahren unterzeichnet, damit das Abkommen
vor Ablaufen der Übergangszeit am 31. Dezember um Mitternacht in Kraft
getreten ist.
30 Dec 2020
## LINKS
[1] /Handelsabkommen-von-EU-und-GB/!5736179
[2] /Handelsvertrag-mit-Grossbritannien/!5736153
[3] /Grossbritannien-und-die-Labour-Partei/!5695300
[4] /Wahl-in-Grossbritannien/!5649624
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
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