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# taz.de -- Handelsabkommen zwischen UK und EU: Historischer Sieg?
> In Großbritannien ist man sich uneins über den Brexit-Deal. Starker
> Protest gegen den Vertrag kommt aus der Fischerei.
Bild: Wer darf wie viele Fische fangen? Das war einer der Streitpunkte auf dem …
London taz | In Großbritannien haben alle Seiten begonnen, das seit Samstag
veröffentlichte [1][Handelsabkommen] zwischen der EU und dem Vereinigten
Königreich auseinanderzunehmen. Premierminister Boris Johnson ist bereits
der Meinung, dass der Vertrag selbst Prüfungen „talmudischer Ausmaße“
überleben werde. Am Mittwoch soll über den Text im britischen Parlament
abgestimmt werden.
Im Fokus steht nun die harsche Kritik des konservativen
Brexit-Hardliner-Flügels ERG (European Research Group) am Abkommen. Der
hatte sich einst in den Weg von Ex-Premierministerin Theresa May gestellt.
Doch richtig Sorgen braucht sich Johnson hier nicht zu machen. Denn bereits
vor dem vollendeten Deal hatte seine Entourage bestimmte Punkte mit
Mitgliedern der ERG abgecheckt.
Deren drei Hauptforderungen, dass der [2][Europäische Gerichtshof kein
Sagen über das Land mehr hat], dass es kein gemeinsames Regelbuch mit durch
die EU definierten Regeln gibt und dass Großbritannien ein unabhängiger
Küstenstaat ist – sie sind nun im Vertrag erfüllt. ERG-Mitglieder, wie
Gruppenchef Mark Francois, lamentierten denn auch nur über den Mangel an
Zeit für eine tiefgehende Vertragsprüfung. Anders als das Königreich hätte
die EU hier bis Februar Zeit.
So überrascht es in Großbritannien nicht, dass der Ex-Geschäftsführer der
Kampagnengruppe Vote Leave, Matthew Elliot, den Deal feiert als „Sieg, mit
dem Boris Johnson in die Geschichte eingeht“. Und während jedoch manche
mögliche Straftarife befürchten, glaubt Daniel Hannan, einstiger
konservativer Parlamentarier und absoluter Brexit-Hardliner, nicht daran:
„Handelsbarrieren schaden am meisten dem Land, das diese errichtet.“
Zustimmung zum Deal als Zeichen der Versöhnung
Mit einer Regierungsmehrheit am Mittwoch bei der Abstimmung wird gerechnet
– selbst wenn es Gegenstimmen aus den eigenen Reihen geben würde.
Oppositionschef Keir Starmer erklärte bereits am Donnerstag, dass sich
Labour, trotz der Tatsache, dass der Deal „dünn“ sei, hinter das Abkommen
stellen würde. Der ehemalige Labour-EU-Abgeordnete Richard Corbett befindet
allerdings, es sei unglaubwürdig, einem Abkommen zuzustimmen, das seine
Partei in den letzten drei Jahren ständig kritisiert habe. Er empfiehlt,
sich der Stimme zu enthalten.
Andere, darunter Schattenministerin Debbonaire, die eine
Anti-Brexit-Hochburg in West-Bristol vertritt, aber auch die
Außenpolitikexpertin von Labour, Lisa Nandy, wollen mit Ja stimmen. Es soll
ein Zeichen der Versöhnung sein – Richtung der bei den letzten Wahlen an
die Tories verlorenen und dann für den Brexit plädierenden ehemaligen
Labourbezirke. Einig sind sich hier mittlerweile alle, dass ein
No-Deal-Szenario schlechter wäre.
Starken Protest gegen das Abkommen gibt es dennoch, vor allen aus der
Fischerei. Die Verringerung des Fanganteils der EU um 25 Prozent in den
nächsten fünfeinhalb Jahren ist ihr zu wenig. Barrie Deas, Geschäftsführer
des britischen Verbands der Fischer*innen, kritisierte, dass die Fischerei
für den Vertrag als Ganzes geopfert werde. Die Internetseite des Verbands
listet Einzelheiten des Abkommens auf. So würde sich innerhalb von fünf
Jahren der britische Anteil an Kabeljau aus dem Ärmelkanal nur von 9,3 auf
10,2 Prozent erhöhen, Schellfisch in der Keltischen See nur von 10 auf 20
Prozent und Seelachs aus der Nordsee von 23 auf nur 26 Prozent.
„In der gesamten Fischindustrie macht sich ein tiefes Gefühl der
Enttäuschung, des Verrats und von Wut breit“, heißt es dort weiter. Nicola
Sturgeon wiederum, die Vorsitzende der schottischen Nationalpartei, sieht
das Versprechen gegenüber schottischen Fischer*innen gebrochen. Ganz zu
schweigen von den schottischen Kartoffelsamen, die jetzt nicht mehr in die
EU importiert werden können. Beides wohl auch ein Grund für das Streben
Sturgeons nach der Unabhängigkeit Schottlands und dem Beitritt in die EU.
Ein im Abkommen nicht gelöster Punkt ist die Frage nach Gibraltar. Der
dortige Regierungschef Picardo ist jedoch optimistisch, dass es zu einer
Lösung kommt. Befragt zur Zukunft sagte Premierminister Boris Johnson der
Zeitung Sunday Telegraph, dass seine Regierung eine Reihe Änderungen plane
– so etwa Freihäfen, Verbesserungen beim Tierschutz und neue Datengesetze.
27 Dec 2020
## LINKS
[1] /Neuer-Handelsvertrag-mit-Grossbritannien/!5736152
[2] /Handelsvertrag-mit-Grossbritannien/!5740544
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
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