# taz.de -- EU-Unterhändler Michel Barnier: Ein Konservativer will zurück | |
> Die Brexit-Verhandlungen sind vorbei. Statt in den wohlverdienten | |
> Ruhestand zu gehen, hat EU-Unterhänder Barnier aber wohl andere Pläne. | |
Bild: Die Zukunft zwischen EU und Großbritannien ist etwas geregelt, doch was … | |
PARIS taz | Barnier legt das Dossier Brexit zu den Akten und räumt sein | |
Büro in Brüssel. Am 9. Januar wurde der ehemalige Brexit-Chefunterhändler | |
der Europäischen Union 70 Jahre alt, er könnte sich zur Ruhe setzen, um | |
sich seiner Familie zu widmen. Stattdessen stellte sich der Politiker | |
sofort wieder zur Verfügung – weil er den Eindruck habe, dass Frankreich | |
ihn brauchen könnte, [1][wie er im französischen Fernsehen kürzlich sagte.] | |
„Frankreich fehlt mir. Es hat viele Probleme, es herrschen | |
Ungerechtigkeiten und ein fast allgemeiner Mangel an Respekt“, sagte er. Er | |
glaube, dass das Land alle verfügbaren Energien benötige, und wolle sich | |
deshalb engagieren. Das klingt wie eine Stellenbewerbung oder vielleicht | |
sogar die Ankündigung einer Kandidatur. | |
Die Politik hatte er ganz früh, im Alter von 14 Jahren, bei der Bewegung | |
von General de Gaulle begonnen. Und dieser politisch konservativen und | |
christlich-sozialen Haltung ist er bis heute treu geblieben. 1992 | |
organisierte er dann die Winterolympiade in Albertville an der Seite von | |
Jean-Claude Killy. Heute kann Barnier den Lebenslauf einer eindrücklichen | |
Politikerkarriere in Savoyen, Paris und Brüssel vorweisen. | |
## Macron und Barnier kommen nicht zusammen | |
Er hat in diesen 55 Politikerjahren alle Posten und Institutionen | |
kennengelernt: als junger Berater von Ministern, als Regionalrat in | |
Savoyen, als Abgeordneter und Senator, mehrfacher Minister unter den | |
Präsidenten François Mitterrand, Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy, als | |
EU-Parlamentarier und zweimal als EU-Kommissar. Zweimal auch hatte er | |
vergeblich versucht, EU-Kommissionspräsident zu werden. Als er 2019 für | |
viele als klarer Favorit galt, hatte der französische Präsident Emmanuel | |
Macron schließlich Ursula von der Leyen den Vorzug gegeben, was ihm Barnier | |
bis heute nicht verzeiht. | |
Er wird von Macron trotz gewisser Sympathien für den rechtsliberalen | |
Regierungskurs als Oppositioneller betrachtet. Bei jeder Wahl hatte Barnier | |
der Liste und den Kandidaten seiner Partei, Les Républicains (LR), seine | |
Unterstützung zugesichert und einen Wechsel zu Macrons „En marche“ immer | |
wieder abgelehnt. Als aber mit dem Rücktritt von Edouard Philippe das Amt | |
des Premierministers vakant wurde, machte sich der Savoyer trotzdem wieder | |
Hoffnungen... und wurde prompt erneut von Macron versetzt. | |
Will er mit seiner angekündigten Rückkehr in die politische Arena womöglich | |
diesem undankbaren Staatschef mit einer Revanche bei den | |
Präsidentschaftswahlen von 2022 drohen? Eine explizite Antwort auf die | |
Frage nach einer eventuellen Kandidatur ließ er zunächst noch mit gutem | |
Grund offen. Denn für sein Angebot muss er zuerst eine Nachfrage entstehen | |
lassen. Bei der Partei LR sind nämlich längst andere für eine Nominierung | |
im Rennen, um in 16 Monaten Macron herauszufordern. Der aus Brüssel | |
heimkehrende verlorene Sohn stört bloß ihre Pläne, mit einem Segen der | |
Partei kann er vorderhand nicht rechnen. | |
11 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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