# taz.de -- Krise der AfD im Norden: Stramm nach rechts gestrauchelt | |
> Die AfD ist auch im Norden zerstritten und hat mehrere Mandate in | |
> Landesparlamenten verloren. Die Partei steckt in ihrer bislang tiefsten | |
> Krise. | |
Bild: Nachdem die AfD ihren Fraktionsstatus verloren hatte, musste im Kieler La… | |
HAMBURG taz | Der Weihnachts- und Neujahrsgruß des AfD-Bundessprechers Tino | |
Chrupalla hat nur eine einzige Botschaft. Auf Facebook appellierte | |
Chrupalla an seine Partei, sofort damit aufzuhören, sich | |
„auseinanderzudividieren“, denn sie seien „eine Partei“ und dürften si… | |
nicht „von außen und nicht von innen spalten“ lassen. Der Appell dürfte im | |
Allgemeinen Applaus erhalten, im Besonderen Ambitionen aber nicht bremsen. | |
Die vermeintliche „Alternative“ ist zum Jahresende 2020 in ihrer bisher | |
tiefsten Krise. Nach den anfänglichen Erfolgen im Norden, wirken sich in | |
den Landesverbänden Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein | |
verstärkt die bundespolitischen Dispute aus. Die AfD hat mehrere Mandate in | |
den Landesparlamenten verloren, in gleich drei Bundesländern hat die Partei | |
den Fraktionsstatus verloren. Personelle Konflikte wechseln sich mit | |
politischen Richtungsstreitigkeiten ab – mit ausgelöst durch staatliche | |
Interventionen. | |
Denn seit der Gründung der Partei 2013 haben journalistische Recherchen, | |
antifaschistische Analysen und wissenschaftliche Studien auf die | |
völkisch-nationalistische Basis der Partei als rechtsextremes | |
Charakteristikum hingewiesen. Erst mit der Debatte des Bundesamtes für | |
Verfassungsschutz und der Landesämter, einen Teil der AfD –„den Flügel“… | |
den Thüringer Landtagsfraktionsvorsitzenden Björn Höcke – beobachten zu | |
müssen und die Gesamtpartei möglicherweise zu beobachten, erhöhte sich der | |
Druck in der Partei – auch wenn die Ämter und Behörden bisher keine neue | |
Erkenntnis vortrugen. Zivilgesellschaft und Medien könnten aber mit zum | |
staatlichen Handeln beigetragen haben. | |
Schon seit 2015 deutete sich der nun offen ausgebrochene Streit an, | |
inwieweit die AfD eine „Bewegungspartei“ oder „Bürgerpartei“ sein will… | |
„Flügel“, der sich formal auflöste, um eine Beobachtung der gesamten Part… | |
durch den Verfassungsschutz zu verhindern, erklärte in dem Jahr, eine | |
„Widerstandsbewegung“ sein zu wollen und warnte davor, zu einer | |
„technokratisch ausgerichteten Partei“ zu werden. | |
## Streit um die Ausrichtung der Partei | |
Der Name des Parteinetzwerks ist zwar weg, doch das Netzwerk von Personen | |
nicht – auch im Norden. In Niedersachsen spiegelten sich die ungeklärte | |
Ausrichtung, aber auch die unklaren Kräfteverhältnisse gerade erst wieder. | |
Auf dem Landesparteitag im September dieses Jahres setzte sich der | |
AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Kestner in einer Kampfabstimmung um den | |
Landesvorsitz gegen die AfD-Landtagsfraktionsvorsitzende Dana Guth durch. | |
Kestner steht dem „Flügel“ nahe und versteht sich selbst als „Patriot“. | |
Nach der Abwahl reagierte Guth wie erwartet. Gemeinsam mit zwei anderen | |
AfD-Mandatsträgern verließ sie die Fraktion und beendete so mit den | |
Abtrünnigen den Fraktionsstatus. Eine Rache, die weniger Geld bedeutete – | |
rund 100.000 Euro monatlich. Von der Bundes- bis zur neuen Landesspitze | |
wurde Guths Parteiausschluss gefordert. Anfang Dezember verließ sie die | |
AfD. | |
Auf dem Landesparteitag im Dezember zur Nominierung der Kandidaten zur | |
Bundestagswahl 2021 erlitt aber auch Kestner eine krachende Niederlage, er | |
erlangte keinen Listenplatz. Joachim Wundrak, Generalleutnant a. D. und | |
vermeintlich moderater, wurde Spitzenkandidat, gefolgt von zwei weiteren | |
Jörg-Meuthen-Nahestehenden. | |
AfD-Bundessprecher Meuthen hatte vor den Feiertagen gerade erst in der | |
Jungen Freiheit erneut dem AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Alexander | |
Gauland Konter gegeben. Die AfD sei eine „konservativ-freiheitliche | |
Bürgerpartei“, sagte er der neu-rechten Wochenzeitung, „ohne als | |
parlamentarischer Arm der sehr heterogenen 'Querdenkerbewegung’ oder | |
anderer Straßenprotestbewegungen zu fungieren“. | |
Diese Ausrichtung hatte zuvor Gauland gegenüber der Deutschen | |
Presse-Agentur betont und beklagt: „Wir sollten das, was der Präsident des | |
Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, sagt, nicht zum Maßstab unseres | |
Handelns machen“. So könne man „aber keine echte Opposition sein“, meinte | |
Gauland. | |
In Schleswig-Holstein bestimmten Streitereien seit Jahren den | |
AfD-Landesverband – bis in die Landtagsfraktion hinein. Im September dieses | |
Jahres beendete Frank Brodehl den Fraktionsstatus. In der Debatte über | |
Ganztagsschulen im Landtag erklärte er, dass dies seine letzte Rede als | |
Mitglied der AfD und ihrer Fraktion sei. Als Grund führte er den Rechtsruck | |
des Landesverbandes an, denn „die völkisch-nationalistischen Kräfte“ hät… | |
„eher noch zugenommen“. | |
## Kontakte ins rechtsextreme Milieu | |
Dieser Richtungsstreit ist auch ein Grund dafür, warum der Landesverband | |
nach dem Rauswurf der ehemaligen Landeschefin Doris von Sayn-Wittgenstein | |
wegen rechtsextremer Kontakte bis hin ins Holocaustleugner*innen-Milieu | |
noch keinen neuen Landesvorsitzenden fand. | |
In Bremen wiederum kam die AfD in die Bürgerschaft – bei jeder Landeswahl | |
seit 2015. Einen Fraktionsstatus erreichte sie wegen der niedrigen | |
Wahlergebnisse und den internen Konflikten aber nicht. Die Nähe des | |
Gruppenvorsitzenden und AfD-Bundestagsmitglieds Frank Magnitz zum „Flügel“ | |
und zur rechtsextremen Identitären Bewegung störte intern aber kaum. Hier | |
wird der Führungsstil beklagt. | |
In Hamburg schließlich wurde Anfang Dezember bekannt, dass Detlef | |
Ehlebracht die Bürgerschaftsfraktion und die Partei verlässt. Aus | |
persönlichen Gründen, erklärte der nun ehemalige parlamentarische | |
Geschäftsführer der AfD-Fraktion. Bereits 2018 wendete sich der | |
AfD-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende Jörn Kruse wegen der anhaltenden | |
Rechtsentwicklung von Fraktion und Partei ab. Verlässt ein weiterer | |
AfD-Mandatsträger die Fraktion, ist auch an der Elbe der Parlamentsstatus | |
verloren. | |
Der Druck wächst. Denn Mitte Dezember konstatierte der Hamburger | |
Innensenator Andy Grote (SPD), dass die „aktuellen Erkenntnisse des | |
Verfassungsschutzes“ ein „sichtbar erhöhtes rechtsextremistisches | |
Potenzial“ innerhalb der Hamburger AfD nahelegten – bis in die Fraktion | |
hinein. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts hatte allerdings schon 2017 | |
unter anderem auf die möglichen Beziehungen des Fraktionspressesprechers | |
zur rechtsextremen Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland hingewiesen. | |
Seit 2015 ist durch die taz auch bekannt, dass der | |
Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende Alexander Wolf ein Alter Herr der | |
rechtsextremen Burschenschaft Danubia ist. In dem Richtungsstreit konnte | |
Wolf sich in den Medien wegen der Kritik am „Flügel“ dennoch als moderat | |
inszenieren – ganz wie Meuthen. Obwohl Wolf gerade erst wieder formulierte, | |
dass die Partei weg wolle „vom links-rot-grün-versifften 68er-Deutschland“. | |
Dass solche medialen Inszenierungen trotz ihrer Widersprüchlichkeit | |
tatsächlich gelingen, das offenbart den bundesdeutschen Rechtsruck – auch | |
im Norden. | |
5 Jan 2021 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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