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# taz.de -- Neuer Höchststand an Corona-Infektionen: Morgen kommt der Weihnach…
> Anlässlich dramatischer Coronazahlen drängen immer mehr Politiker:innen
> auf härtere Maßnahmen – und das bald. Die 7 wichtigsten Fragen und
> Antworten.
Bild: Trotz Lockdown wird der Weihnachtsbaum festlich geschmückt
## 1 Warum soll jetzt doch ein schärferer Lockdown kommen?
Weil immer klarer wird, dass die bisherigen Maßnahmen absolut nicht
ausreichend sind. Nachdem Ende Oktober die neuen Kontaktbeschränkungen in
Kraft getreten waren, war der Anstieg der täglich gemeldeten Neuinfektionen
zwar zunächst gestoppt worden, und drei Wochen lang gingen die Werte sogar
leicht zurück. Doch in der letzten Woche stiegen die Zahlen wieder an –
zunächst etwas, dann dramatisch: An diesem Freitag lag [1][der Tageswert
mit 29.875] neuen Fällen mehr als 25 Prozent höher als der bisherige
Höchststand, der vom Vortag stammte. Während der neue Anstieg sich anfangs
vor allem auf die östlichen Bundesländer konzentriert, steigen die Werte
mittlerweile in allen Ländern.
Die Zahl der täglich gemeldeten Coronatoten ist seit Einführung der neuen
Beschränkungen permanent gestiegen. Im Schnitt starben in der vergangenen
Woche 419 Menschen pro Tag im Zusammenhang mit [2][Corona]. Anfang November
lag dieser Wert noch bei 64 Toten am Tag; der Höchststand während der
ersten Welle lag im April bei 233 Todesfällen am Tag. Malte Kreutzfeldt
## 2 Was sagt Merkel?
Normalerweise bleibt Angela Merkel auch in dramatischen Situationen stoisch
wie ein Felsbrocken in der Uckermark. Aber am Mittwoch redete sie den
Deutschen und den MinisterpräsidentInnen so leidenschaftlich ins Gewissen,
wie man es selten bei ihr erlebt hat.
„Wenn wir jetzt vor Weihnachten zu viele Kontakte haben und anschließend es
das letzte Weihnachten mit den Großeltern war, dann werden wir etwas
versäumt haben“, [3][rief die Kanzlerin am Rednerpult.] „Das sollten wir
nicht tun.“ Unmissverständlich machte sie klar, dass sie die Empfehlungen
der Wissenschaftsorganisation Leopoldina für richtig hält.
Vor Weihnachten frühere Schulschließungen und Homeoffice als Regel, nach
Weihnachten ein harter Lockdown. Zu Glühweinständen und Waffelbäckereien in
den Städten sagte Merkel: „Es tut mir wirklich im Herzen leid“, aber wenn
der Preis dafür sei, dass am Tag 590 Menschen stürben, „dann ist das nicht
akzeptabel aus meiner Sicht“.
Die Kanzlerin hat offenbar genug von der Disziplinlosigkeit vieler Menschen
und der Zögerlichkeit einiger Ministerpräsident:innen. Jene hatten Ende
November Lockerungen für Weihnachten und Silvester beschlossen.
Unterdessen fordert etwa auch Bundesinnenminister Horst Seehofer einen
harten Lockdown – noch vor Weihnachten. Am Sonntag will Merkel erneut mit
den Ministerpräsident:innen beraten. Ulrich Schulte
## 3 Wie sieht es in den Krankenhäusern aus?
Die Lage verschärft sich zusehends. Ein Beispiel aus dem besonders
betroffenen Oberspreewald-Lausitz-Kreis in Südbrandenburg: Dort waren
während der ersten Coronawelle im Frühjahr gerade mal 13
Covid-19-Patient:innen im Krankenhaus, seit Herbst sind es 134. Innerhalb
weniger Tage sind bis zu 90 Mitarbeiter:innen ausgefallen, weil sie in
Quarantäne mussten oder anderweitig erkrankt sind. Die Klinikleitung hat
bereits alle planbaren Behandlungen verschieben lassen und 130 Betten auf
Normalstationen komplett vom Netz genommen.
Und es reicht doch nicht: Inzwischen werden verlegungsfähige Patient:innen
in umliegende Kliniken geschafft, deren Kapazitäten sich allerdings
ebenfalls erschöpfen. In Teilen Deutschlands, etwa in Sachsen oder Bayern,
ist die Lage noch dramatischer, teils sind keine Betten auf den
Intensivstationen mehr frei. In einigen Corona-Hotspots wird nach Angaben
von Mitarbeiter:innen inzwischen sogar positiv getestetes Pflegepersonal
weiter eingesetzt.
„Wir sind schon sehr bald an der Grenze des Machbaren“, sagte am Donnerstag
der Chef der Berliner Charité, Heyo K. Kroemer. Rein rechnerisch stehen
zwar aktuell von rund 22.500 noch rund 4.700 Intensivbetten bundesweit zur
Verfügung. Aber belegbare Betten, für die auch ausreichend Personal
bereitstehe, „davon gibt es nicht mehr sehr viele in Deutschland“, so
Kroemer. Manuela Heim
## 4 Was wird aus dem Weihnachtsgeschäft?
Noch ist unklar, ob die Geschäfte schon in den nächsten Tagen dichtmachen
müssen oder erst wenige Tage vor Weihnachten. Dass die Schließung des
stationären Einzelhandels kommt und dann bis zum 10. Januar dauern wird,
gilt als gesichert. Einige Länderchefs haben das bereits angekündigt.
Berlin will spätestens ab dem 20. Dezember alle Geschäfte, die keine
Lebensmittel verkaufen, schließen lassen. In Sachsen gilt dieser Shutdown
schon ab Montag. Problem dabei: Die benachbarten Bundesländer befürchten
einen Ansturm sächsischer Konsument:innen auf ihre Innenstädte – und damit
auch mit noch mehr Infektionen. Bundesregierung und einige
Ministerpräsidenten drängen daher auf ein bundesweites Vorgehen.
Die Branchenverbände laufen Sturm dagegen. Für den Einzelhandel sind die
Wochen vor und nach Weihnachten die umsatzstärksten im Jahr. Jeder
Schließungstag im Nichtlebensmittelhandel verursache bundesweit
Umsatzausfälle von 800 Millionen Euro. Die Einzelhandelsverbände fordern
dieselben staatlichen Hilfsprogramme, die seit November für Kneipen,
Restaurants und Kulturstätten gelten.
Diese erhalten bis zu 75 Prozent ihres durchschnittlichen Umsatzes vom
November 2019. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verweist auf
die Überbrückungshilfe III, mit der alle stark betroffenen Unternehmen
einen Großteil ihrer Fixkosten ersetzt bekommen. Das reicht den
Einzelhandelsverbänden aber nicht. Sie warnen vor einem Geschäftesterben in
nie gekanntem Ausmaß.
Für Shopper:innen, die noch nicht alle Geschenke beisammen haben, dürfte es
eng werden. Die Lieferdienste sind schon jetzt am Rande ihrer Kapazitäten,
die Bestände vieler Onlinehändler*innen aufgebraucht. Dann hilft nur noch
eins: Gutscheine unterm Weihnachtsbaum. Felix Lee
## 5 Warum werden die Schulen jetzt doch geschlossen?
Lange Zeit haben die Kultusminister:innen darauf beharrt: Schulen
müssen offen bleiben. Nun haben sie vor den hohen Infektionszahlen
kapituliert. „Auch die Schulen müssen ihren Beitrag leisten, damit die
Infektionen sinken“, fasste die rheinland-pfälzische Schulministerin
Stefanie Hubig (SPD) am Freitag den Diskussionsstand nach der
Kultuministerkonferenz (KMK) zusammen. Schulen seien zwar keine Hotspots,
aber auch keine virusfreien Blasen und könnten sich nicht abkoppeln,
pflichtete ihr der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU) bei.
Allerdings: „Wenn wir Schulen schließen und Einkaufscenter offen lassen,
wird das gar nichts bewirken“, warnte Lorz.
Bundesländer wie Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben die
Schulpflicht bereits aufgehoben, spätestens mit Beginn der Weihnachtsferien
am 18. Dezember werden die Schulen bundesweit verwaist sein, und das wohl
für mehrere Wochen. Hubig will aber keine verlängerten Ferien, wie sie die
Leopoldina vorgeschlagen hat, sondern nach den Weihnachtsferien straffen
Fernunterricht, möglichst bald auch wieder im Wechsel mit
Präsenzunterricht. Für die jüngeren Kinder müsste es eine Notbetreuung
geben.
Vorschreiben kann die KMK das aber nicht, ohnehin geht das Ergebnis ihrer
Beratungen nur als Empfehlung in die Runde der Ministerpräsident:innen ein.
Wie lange die Schulen zu sind, wagten die Kultusminister:innen nicht zu
prognostizieren. Auch nicht, welche Auswirkungen dieser Schullockdown auf
Abschlussprüfungen und Lehrpläne hat. Anna Lehmann
## 6 Wie feiern wir nun Weihnachten?
Noch gilt in den meisten Bundesländern, dass man an den Weihnachtstagen mit
bis zu zehn Personen gleichzeitig privat feiern darf (Kinder bis 14 Jahre
nicht mitgezählt). Die Anzahl der Haushalte ist dabei in den meisten
Bundesländern nicht begrenzt. Doch dass sich diese Regelungen bis
Heiligabend halten, ist derzeit unwahrscheinlich.
In Berlin und Thüringen ist die Höchstzahl von Besucher:innen längst auf
fünf Personen plus Kinder bis 14 Jahre begrenzt, andere Länder wie
Nordrhein-Westfalen kündigen jetzt die gleichen Schritte an.
Die [4][Besuchsregeln] können sich also noch ändern. Man findet sie auf den
Webseiten der Landesregierungen.
Dabei stellt sich die Frage, ob und wie sie überhaupt kontrolliert werden
sollen. Für Verstöße gegen die Infektionsschutzverordnungen sind die
Ordnungsämter zuständig, diese haben aber kein Zutrittsrecht für
Privatwohnungen, heißt es im Bezirksamt Berlin-Mitte. Missliebige Nachbarn,
die eine große Besuchergruppe nebenan registrieren, könnten wegen Verstoßes
gegen die Coronaregeln die Polizei rufen.
Inwieweit die Polizei auf solche Fälle eingestellt ist, war bis
Redaktionsschluss von der Polizei Berlin nicht zu erfahren. In Thüringen
hat Landesgesundheitsministerin Heike Werner (Linke) bereits erklärt, dass
die Einhaltung der Gästeobergrenze in Wohnungen nicht kontrolliert wird.
Barbara Dribbusch
## 7 Kann man sich mit einer Quarantäne oder mit Schnelltests vor dem
Besuch absichern?
Wer eine gute Woche vor dem Weihnachtsbesuch seine Kontakte reduziert,
senkt damit das Risiko, sich zu infizieren und das Virus womöglich an die
alten Eltern weiterzugeben. Auch die Antigen-Schnelltests, die man bei
entsprechenden Testzentren oder beim Hausarzt machen oder im Internet
bestellen kann, helfen. Ein negatives Testergebnis ist aber immer nur eine
Momentaufnahme.
Der Antigen-Schnelltest schlägt unmittelbar nach einer Infektion, wenn man
noch nicht hochansteckend ist, nicht unbedingt an, sondern in der Regel
erst im [5][Laufe der ersten Woche] nach einer Infektion, wenn man selbst
hochinfektiös ist. Ein paar Tage Selbstquarantäne plus Schnelltest vor dem
Besuch sind daher die sicherste Variante. Barbara Dribbusch
11 Dec 2020
## LINKS
[1] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[3] https://www.youtube.com/watch?v=bRCcziEr37c
[4] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/corona-massnahmen…
[5] https://deref-web.de/mail/client/nxJw-7XKNyA/dereferrer/?redirectUrl=https%…
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
Ulrich Schulte
Anna Lehmann
Felix Lee
Manuela Heim
Barbara Dribbusch
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