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# taz.de -- Vakzine im Rekordtempo: Die Impfung der Willigen
> Schon bis Mitte Dezember könnten die ersten Corona-Impfungen beginnen.
> Was steht uns damit bevor? Fragen und Antworten.
Bild: Bald geht's los, und dann?
Kommt die Impfung endlich?
Ja, danach sieht es aus. [1][Gleich drei Pharmaunternehmen ist es gelungen,
einen Covid-19-Impfstoff zu entwickeln.] Allesamt haben diese in
Rekordgeschwindigkeit auch alle drei wichtigen Testphasen durchlaufen. Noch
liegen die Endergebnisse nicht vor, die Zwischenergebnisse aber klingen
vielversprechend. Insbesondere auf dem Impfstoff des Mainzer
Pharmaunternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer ruhen die
Hoffnungen. Mindestens genauso erfolgversprechend ist aber auch der
Impfstoff des US-Konzerns Moderna.
Beide Vakzine weisen nach aktuellem Stand eine Wirksamkeit von über 90
Prozent auf. Und bei beiden laufen in den USA und in Europa beschleunigte
Zulassungsverfahren. Als dritter funktionierender Impfstoff wird das Mittel
des schwedisch-britischen Pharmaherstellers AstraZeneca gehandelt, der mit
der Universität Oxford zusammenarbeitet. Dieser Stoff ist nach bisherigem
Kenntnisstand zwar etwas weniger wirksam, dafür aber kostengünstiger und
wahrscheinlich auch für bestimmte Risikogruppen verträglicher.
Zuletzt kamen aber Zweifel auf, weil bei den Studien gepfuscht wurde. Die
Wirksamkeit steht bislang jedoch nicht infrage. Derzeit arbeiten weltweit
mehr als 150 Forschungseinrichtungen an Impfstoffen gegen Covid-19. Bei
rund einem Drittel laufen klinische Studien. In Russland und China wird
sogar bereits geimpft. Deren Impfstoffen wird aber nicht getraut: Es liegen
nur unzureichende Studien vor.
Wann kann es losgehen?
Einen genauen Zeitpunkt gibt es offiziell noch nicht. Die
Zulassungsverfahren für die drei besonders erfolgversprechenden Stoffe
laufen ja noch. Doch die Entwicklungen gehen schneller voran, als noch vor
einigen Wochen angenommen. Der britische Premierminister Boris Johnson geht
von ersten Vergaben noch in diesem Jahr aus, ebenso sein französischer
Amtskollege Emmanuel Macron. Und auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
stellt erste Impfungen in Deutschland noch für Dezember in Aussicht. Allein
der noch amtierende US-Präsident Donald Trump prescht vor und kündigt erste
Impfstoff-Lieferungen noch für die kommende Woche an.
Wie soll die Massenimpfung laufen?
In Deutschland beschafft in einer ersten Phase der Bund den Impfstoff, die
Länderregierungen sind für die Verteilung zuständig. Letztere haben bereits
begonnen, spezielle Impfzentren aufzubauen. Denn die bislang
aussichtsreichsten beiden Impfstoffkandidaten gelten als sehr empfindlich,
ihre Lagerung als kompliziert. Außerdem kann in staatlich organisierten
Impfzentren am ehesten sichergestellt werden, dass der Impfstoff auch
wirklich zu den Zielgruppen gelangt. Mitte Dezember sollen diese
Impfzentren einsatzbereit sein.
In der Regel wird pro Landkreis ein Zentrum errichtet, in Großstädten wird
es mehr als nur eines geben. [2][Der Berliner Senat etwa plant] sechs
solcher Einrichtungen im gesamten Stadtgebiet. Zusätzlich zu den
stationären Zentren soll es mobile Impftrupps geben, die etwa zu den
Pflegeheimen kommen, um die besonders gefährdeten Menschen dort vor Ort zu
impfen. Erst wenn ein oder mehrere Impfstoffe in großem Umfang verfügbar
sind, soll die Impfung auch in gewöhnlichen Arztpraxen möglich sein.
Wer wird als Erstes geimpft?
Die Ständige Impfkommission (Stiko, ein unabhängiges Expertengremium,
koordiniert vom RKI), der Deutsche Ethikrat und die Nationale Akademie der
Wissenschaften Leopoldina haben [3][Empfehlungen] dafür erarbeitet, welche
Gruppen zunächst zum Zuge kommen sollen. Priorität haben ältere Personen,
Menschen mit Vorerkrankungen und Beschäftigte im Gesundheitswesen. An
zweiter Stelle sollen Menschen immunisiert werden, die in wichtigen
Bereichen arbeiten, also Polizist*innen, Rettungskräfte, aber auch
Erzieher*innen und Lehrpersonal. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat
das Papier als „gute erste Grundlage“ bezeichnet. Einiges deutet darauf
hin, dass er dieser Empfehlung folgen wird.
Wie lange wird es dauern, bis alle Willigen geimpft sind?
Bis genügend Dosen für alle zur Verfügung stehen, werden einige Monate
vergehen. Spahn geht von etwa einem halben Jahr aus. Doch das hängt nicht
zuletzt auch davon ab, wie schnell die Produktionskapazitäten aufgebaut
werden können. Die Nachfrage ist weltweit groß. Deutschland hat mit
Frankreich, Italien und den Niederlanden eine Impfallianz gebildet und sich
den Zugriff auf Hunderte Millionen Impfdosen gesichert – mittels Verträgen
mit einer ganzen Reihe von Pharmafirmen.
Die Initiative ist mit der Europäischen Kommission abgestimmt und soll
allen EU-Staaten zugutekommen. Über Biontech haben sich die EU-Länder den
Zugriff auf mindestens 300 Millionen Impfdosen gesichert, mit Moderna,
AstraZeneca und weiteren Pharmaunternehmen gibt es ähnliche Verträge. Spahn
hat zudem eine nationale Vereinbarung mit Biontech über 30 Millionen
Impfdosen geschlossen. Bei den am weitesten erforschten Impfstoffen sieht
es danach aus, dass sich die Patienten im Abstand von mehreren Wochen
zweimal impfen lassen müssen.
Wird es eine Impfpflicht geben?
Nein, das hat Spahn mehrfach betont. Und auch Kanzlerin Angela Merkel
erklärte: „Niemand wird gezwungen, sich impfen zu lassen.“ Die Pandemie
kann wohl aber auch ohne Impfpflicht erfolgreich bekämpft werden. Denn um
die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen, soll laut Spahn eine
Durchimpfungsrate von 55 bis 65 Prozent ausreichen. Einer aktuellen
repräsentativen [4][Umfrage von Kantar] zufolge sagen 67 Prozent der
Deutschen, sie würden sich bestimmt oder wahrscheinlich impfen lassen. In
einer Umfrage von [5][Infratest dimap] von Anfang November lag der Anteil
mit 71 Prozent etwas höher. Auf beratungsresistente Impfgegner ist man also
zum Glück nicht angewiesen.
Werden Geimpfte mehr Freiheiten bekommen?
Der Anteil der Impfgegner*innen könnte allerdings abnehmen. Denn auch wenn
es keine Impfpflicht geben soll, ist absehbar, dass bereits Geimpfte
Vorteile im Alltag erfahren werden. So kündigte die Airline Qantas an,
demnächst nur noch Personen mit Impfnachweis an Bord zu lassen. Australien
und Finnland denken darüber nach, eine Einreise von einem Impfnachweis
abhängig zu machen. Möglich ist auch, dass eine Impfung Voraussetzung dafür
wird, im nächsten Jahr Kinos, Fußballstadien, ein Restaurant oder Konzerte
besuchen zu können.
Zwar ist fraglich, ob etwa Impfgegnern diese Nachteile zugemutet werden
können. Andererseits können Geimpfte auch nicht dauerhaft
freiheitsbeschränkenden Maßnahmen ausgesetzt werden. Eine ähnliche Debatte
gab es im Mai dieses Jahres über einen Immunitätsnachweis. Abgeschlossen
wurde diese allerdings nicht.
Ob geimpfte BürgerInnen von möglichen staatlichen Maßnahmen wie der
Kontaktbeschränkung ausgenommen werden, ist noch unklar. Das
Bundesgesundheitsministerium teilt auf Anfrage lediglich mit, dass
„Schutzmaßnahmen weiter – und im breiten Umfang – erforderlich sein werd…
solange eine starke Priorisierung bei den Impfungen noch stattfindet und
Impfstoffe ein äußerst knappes Gut darstellen“.
Eine rechtliche Einschätzung, ob Restaurants, Konzertveranstalter oder etwa
Sportvereine den Nachweis über eine Impfung gegen Covid-19 verlangen
können, um Zugang zu Veranstaltungen zu erhalten, konnte das
Bundesjustizministerium bis Redaktionsschluss nicht liefern.
Und wann wird das Leben wieder normal?
Auch wenn es mindestens ein halbes Jahr dauern wird, bis wirklich alle
Impfwilligen ihre Dosen bekommen – das Leben dürfte sich schon vorher
normalisieren. In Berlin etwa geht der Senat davon aus, dass in den sechs
Impfzentren zwischen 15.000 und 20.000 Menschen am Tag geimpft werden
können. Bis April dürften also die besonders gefährdeten Risikogruppen und
das Pflege- und Ärztepersonal geimpft sein.
Wenn Kinder, Jugendliche und die gesunden 20- bis 50-Jährigen bis dahin
noch nicht geimpft sind, dürfte die Pandemie dennoch ihren Schrecken
verlieren. Bei ihnen verläuft die Krankheit überwiegend glimpflich. Zudem
dürfte es im Fall von schweren Verläufen auch deutliche Fortschritte bei
den Medikamenten und den Therapien geben. Sobald vieles wieder im Freien
stattfinden kann – kombiniert mit einigen simplen Hygiene- und
Abstandsregeln –, dürfte das Leben wieder in den Normalmodus zurückkehren.
Die Wintermonate aber bleiben hart. Umso mehr gilt: durchhalten.
28 Nov 2020
## LINKS
[1] /Impfen-gegen-Corona/!5727231
[2] /Planung-fuer-Corona-Bekaempfung/!5729653
[3] /Verteilung-von-Corona-Impfstoff/!5727001
[4] https://www.kantardeutschland.de/zurueckhaltung-gegenuber-covid-19-impfstof…
[5] https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/ard-deutschland…
## AUTOREN
Paul Wrusch
Felix Lee
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