# taz.de -- Neues Album von Rapper Weekend: Schmeckt nach Aschenbecher | |
> Kritik an der Szene: „Lightwolf“, das neue Album des Gelsenkirchener | |
> Rappers Weekend, ist ein Abgesang auf toxische Männlichkeitsbilder. | |
Bild: Rappt nicht nur am Wochenende: Weekend | |
„Ich bin Fan davon, wenn ein Album stringent ist“, sagt der Rapper | |
Christoph Wiegand, der vor Kurzem unter seinem Aliasnamen Weekend ein neues | |
Album veröffentlicht hat, im Telefoninterview mit der taz. Das Sprachspiel | |
deutet einen der roten Fäden in seiner HipHop-Version an und die Zerlegung | |
maskulinistischen Imponiergehabes einen anderen. | |
„Lightwolf“ beinhaltet [1][Milieustudien, Medienschelte und einige | |
notwendige Schimpfkanonaden]. Die Musik kann als Entwicklungsroman gehört | |
werden und beginnt von daher mit einer Spurensuche. | |
„Ich kann mich immer noch sehen, wie ich mit sechzehn in der Schule sitz / | |
1,95 hoch und mindestens zehn Kilo Untergewicht“, damit beginnt dieses | |
Werk, von dem Weekend sagt, es sei nicht so autobiografisch, wie es | |
scheint; aber eine ordentliche Portion Eigenvita darf in den 13 Songs des | |
Albums schon vermutet werden. | |
Weekend rappt weiter, während ein nervöser Pendelbeat hin und her tickt und | |
die zeitlos elektronische Klanglandschaft von Sirenen durchfahren wird: | |
„Lightwolf, Digger / Keine Ahnung, wer ich sein soll, Digger.“ Später, in | |
einem anderen Song, wird aus dem Sollen ein Wollen werden, aber das Entree | |
des Albums gehört eindeutig einem störrischen Jungmann, von dem mit | |
Sicherheit gesagt wurde, er habe schlechte Karten. | |
## Aus dem Gelsenkirchener Jugendamt in die weite Welt | |
„Von Gelsenkirchen in die Welt“, die Mission zieht sich durch den zweiten | |
Track „13 Krokodile“. Weekend stammt aus dem Ruhrpott, und dem | |
Protagonisten seines Albums geschieht die Welt als eine wenig glamouröse: | |
„Es ist 2005 / Wir hängen jeden Tag im Park ab / Fick die Plattenindustrie | |
/ Auch wenn wir von Plattenindustrie gar keinen Plan haben / Fick die | |
Schule / Wir sind Partycrasher / Das Leben schmeckt nach Penny-Wodka und | |
nach Aschenbecher.“ | |
Der Urheber dieser Zeilen hat am Gelsenkirchener Jugendamt gearbeitet, | |
seine Figur stellt sich vor als „der blonde Busta Rhymes mit Asthma“, wie | |
„Ice-Cube, nur in Weiß, mit weniger Autos, Style und Sex“. Style und Sex, | |
genau darum scheint sich bei flüchtiger Betrachtung die Welt von HipHop und | |
Rap zu drehen. | |
Es gibt Vertreter des Genres, die diesem Eindruck eifrig Nahrung geben und | |
der Dreieinigkeit aus Karren, Klamotten und Ladys mit der Knarre huldigen. | |
Das Resultat ist eine Druckkammer, ein gefühlter permanenter | |
Belagerungszustand. | |
Da macht Weekend nicht mit. Während er die Beats im Song „Boxen“ schon mal | |
runterfährt, wirft er ein, bei Männlichkeitsritualen immer versagt zu | |
haben, das allerdings in einem nachdrücklichen Tonfall. | |
## Kollabo mit Fatoni und Diss-Track auf Kollegah | |
„In Kreisen, wo man nicht spricht / sondern sich misst / hab ich nie gut | |
funktioniert“, meint er. Deutlicher noch das nächste Stück, „Hallo“ mit… | |
Münchener Rapper Fatoni: „Scheiß auf eure toxische Männlichkeit / Sagt, so | |
oft ihr wollt, dass ihr Banger seid / Ich kann trotzdem sehn, dass ihr nur | |
Penner seid.“ | |
Die Wortwahl sollte klarmachen, dass „Lightwolf“ keine völlig handzahme | |
Variante von HipHop ist. Das Album enthält mit „Geh weg“ einen echten | |
Diss-Track. Auf der umfangreichen, hektisch vorgetragenen | |
Verwünschungsliste stehen etwa Angstbeißer (männlich wie weiblich), | |
Kommentarspaltenrassisten und „ein politischer Song von Kollegah“. | |
[2][Kollegah, selbsternanntes Alphatier] eines Rap-Universums, welches sich | |
vorstellen lässt als das eines Bösewichts aus einem James-Bond-Film, nur | |
ohne Charme und Groove. Ein Aufmerksamkeitsökonom, dessen Versuche in | |
Kapitalismuskritik dem, was sie zu bekämpfen vorgeben, selber sehr nahe | |
kommt, [3][Verschwörungstheorien und ausschließlich antisemitische] und | |
israelkritische Kurzschlüsse inklusive. | |
Gleich zwei „Lightwolf“-Tracks sind der Filterblase Internet gewidmet. | |
„Bubble“ ist dementsprechend der eine, der andere heißt allen Ernstes | |
„www.Internet.de“. Könnte lustig werden, ihn später wegen der Lyrics oder | |
zwecks YouTube zu googeln: „Ich geh dann mal ins Internet und suche | |
Internet.“ Der Song selbst ist es jedoch, der die musikalische Stringenz | |
des „Lightwolf“-Albums aufbricht, eine Art munterer Jingle-Pop im | |
Klanggewand der 80er Jahre. Niemand muss Duran Duran vermissen! | |
Von den Fönwellen der Achtziger zum schönen Schein der Jetztzeit: „Kotzen“ | |
heißt unmissverständlich ein Song über den Wahl-Wohnort des Familienvater | |
gewordenen Weekend: [4][Stuttgart, genauer Stuttgart-Süd]. „Eine | |
Lightversion von Prenzlauer Berg“, meint der Rapper, der zur Erdung für | |
sein neues Album in seinen alten Job als Sozialarbeiter zurückgekehrt ist. | |
In dem Zusammenhang wirft er einen Satz in das Telefonat, so bewährt, dass | |
dieser mitunter wiederholt werden muss: „Liberalität kostet Geld.“ Dass es | |
auch Radikalität nicht im Gratispack gibt, dazu dann ein andermal. | |
16 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Robert Mießner | |
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