| # taz.de -- Neues Album von Oneohtrix Point Never: Hier poliert die Ikone noch … | |
| > Lust der Vernunft: US-Elektronikproduzent Oneohtrix Point Never wird mit | |
| > seinem eingängigen neuen Collage-Album „Magic OPN“ massentauglich. | |
| Bild: Unerbittllicher Collagist: Daniel Lopatin alias Oneohtrix Point Never | |
| Wer von Magie redet, muss auch von Entzauberung reden. Kaum ein Musiker | |
| weiß das besser als Daniel Lopatin alias Oneohtrix Point Never. Nach | |
| Jahren des Schattendaseins gewinnt sein bürgerlicher Name wieder an | |
| Bedeutung. Zwischenzeitlich nannte er sich Sunsetcorp und KGB MAN – | |
| anspielend auf seine russischen Wurzeln. Oder auch: Chuck Person. | |
| Dieses Pseudonym bescherte den Hörer.Innen sogenannte „Eccojams“: Samples | |
| von Fleetwood Mac, Toto, alles, was Rockradio hergab – entschleunigt bis | |
| zum Stillstand. Wo Stevie Nicks sonst bezirzt, wird sie unter [1][Lopatins | |
| Skalpell] zur langsam dahinschmelzenden Kopie ihrer selbst. Diese | |
| alptraumhafte Erinnerungsmusik nannte man daraufhin Vaporwave. | |
| Doch Lopatin reichte es nicht, ein Genre zu begründen und viele Millennials | |
| nachhaltig musikalisch zu erziehen, nun veröffentlichte er Schlag auf | |
| Schlag die Alben [2][„Replica“], „R Plus Seven“, „Garden of Delete“… | |
| mittlerweile als [3][Oneohtrix Point Never]. Radio und TV sind auch hier | |
| wichtige Bezugsquellen. | |
| ## Untotes aus Lehrvideos | |
| Einerseits speist sich seine Musik aus untoten Sounds von Lehrvideos für | |
| die Schule, inklusive Jazz-, Krautrock und Esoterik-Müll; andererseits ist | |
| schon der Künstlername selbst der beste Lektüreschlüssel. Einst verhörte | |
| sich Lopatin, als er dem Radiosender 106.7 (One Oh Six Point Seven) | |
| lauschte. Übrig blieb im Namen und im Klang eine Version der Realität, in | |
| der Zeichen und Bedeutung nicht mehr zusammenfallen. | |
| Lopatins Lebenslauf wirkte während der zehner Jahre dennoch attraktiv. | |
| Geboren als Sohn russischer Auswanderer jüdischen Glaubens, aufgewachsen im | |
| Bostoner Speckgürtel. Die bürgerliche Geschmackselite fährt auf diese Sage | |
| ab. Der Arbeiterjunge bringt alles mit, um sich auch rough und cool zu | |
| fühlen: Lopatin nimmt in Interviews kaum ein Blatt vor den Mund. Nicht | |
| alles an seiner Story stimmt. Frisch rasiert und frisiert (so wie man | |
| Lopatin heute in Pressefotos erkennt), versteckt sich hinter der | |
| Arbeitskleidung letztlich doch ein hübscher Mann mit stoischen | |
| Gesichtszügen. | |
| Auch musikalisch wird nun poliert, nicht nur gehobelt. Auf „Magic Oneohtrix | |
| Point Never“ schlägt sich der Erfolg nieder; logisch, wer The Weeknd, einen | |
| der fünf größten Pop-Künstler unserer Zeit, als Gast präsentiert, ist kein | |
| Underground mehr, sondern selbst eine Ikone. Auch klar: Wer auf dem | |
| legendären englischen Elektronik-Label Warp das Avantgarde-Duo Autechre in | |
| die Zweitrangigkeit verdrängt, muss tatsächlich häufiger „Abrakadabra“ | |
| ausgesprochen haben. | |
| ## Nimbus eines Dickschädels | |
| Oneohtrix Point Never macht beileibe keine eingängige Popmusik, stets hatte | |
| der Künstler den Nimbus eines Dickschädels. Doch die Sperrigkeit trieben | |
| ihm zwei Filmemacher aus, die auch seiner Karriere Vorschub leisteten: die | |
| [4][Safdie Brother][5][s]. Das US-Regie-Duo zeigte Lopatin, dass man | |
| manchmal Kompromisse eingehen muss – vor allem, wer wie Lopatin für ihre | |
| Filme „Good Time“ und „Uncut Gems“ arbeitet. Vor Jahren erzählte er, d… | |
| er anfangs trotzdem Musik produzierte, keine Soundtracks. | |
| Seine Filmmusik fiel kürzer aus, als die Szenen es erforderten. Also hieß | |
| es Loopen und Verlängern– auch wenn sich das Künstlerherz sträubt. Gute | |
| Musik lebt nicht allein von ihrem Zauber. Etwas Vernunft statt Träumereien, | |
| noch einmal mit Pragmatismus: Klingt schrecklich; schrecklich gut in diesem | |
| Fall. | |
| Deswegen wartet sein neues Album „Magic OPN“ nicht nur mit großartigen | |
| Gästen auf, sondern mit einer fast schon anbiedernden Durchhörbarkeit. Nach | |
| dem Kino-Erfolg wartet zu Hause wieder Arbeit: Zurück ans Radio, | |
| Intermissions und Werbe-Versatzstücke aufnehmen, schneiden und mit lautem | |
| Barock, Fake-R&B und einem alternativem Pop-Entwurf zum Mixtape | |
| zusammenbasteln, das eines der besten Alben des Jahres ist. | |
| Sogenannte Early-Adopter, Geschmacks-Frühaufsteher, beklagen nun, dass sie | |
| Lopatins Innovation missen würden. Wer seinen Entwicklungsschritt nicht | |
| hören mag, dem ist nicht zu helfen. This is just another kind of magic! | |
| 6 Nov 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Updates-elektronischer-Musik/!5057861/ | |
| [2] /Neues-Album-von-Oneohtrix-Point-Never/!5107893/ | |
| [3] /Neues-Album-von-Oneohtrix-Point-Never/!5509720/ | |
| [4] /Netflix-Flim-der-Safdie-Brueder/!5658361/ | |
| [5] /Netflix-Flim-der-Safdie-Brueder/!5658361/ | |
| ## AUTOREN | |
| Lars Fleischmann | |
| ## TAGS | |
| Elektronik | |
| Boston | |
| Neues Album | |
| Neues Album | |
| Musik | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Oneohtrix Point Never und Forest Swords: Gespenster, die nicht vergehen | |
| Neue Alben von US-Produzent Oneohetrix Point Never und vom britischen | |
| Künstler Forest Swords schlittern ohne Nostalgie durchs Gestern. | |
| Neues Album von Rapper Weekend: Schmeckt nach Aschenbecher | |
| Kritik an der Szene: „Lightwolf“, das neue Album des Gelsenkirchener | |
| Rappers Weekend, ist ein Abgesang auf toxische Männlichkeitsbilder. | |
| Neues Album von Oneohtrix Point Never: Technik sehnt sich nach Dummheit | |
| Diesmal mit Songs: US-Produzent Oneohtrix Point Never zeigt sich auf dem | |
| neuen Album „Age Of“ offen für Popideen und Input von FreundInnen. |