# taz.de -- Protokoll Arbeit und Corona: „Ich arbeite fast rund um die Uhr“ | |
> Sebastian Bayers IT-Firma stand in der Coronakrise kurz vor der Pleite – | |
> dann hatte er eine Idee und entschied sich sein Geschäftsmodell | |
> umzustellen. | |
Bild: Videokonferenzen: Alternativen zu Zoom und Microsoft Teams sind gefragt | |
Sebastian Keith Bayer, 48, ist IT-Unternehmer in München und bietet unter | |
anderem Systeme für Videokonferenzen an. | |
„Die Videokonferenzen haben mir den Arsch gerettet. Ich weiß nicht, was ich | |
sonst gemacht hätte. Ich bin seit 25 Jahren als Selbstständiger im Bereich | |
Software-Entwicklung und mein wichtigster Kunde war zuletzt ein | |
Schulungszentrum, für das ich das Buchungssystem und die komplette | |
IT-Wartung gemacht habe. Als im März [1][Corona] kam, gab es plötzlich | |
keine Schulungen mehr und der Auftrag ist komplett weggebrochen. Das war an | |
dem Montag, an dem Herr Söder den ersten Lockdown angekündigt hat. | |
Dann sitzt man da. Vier Wochen lang lief gar nichts – bis Mitte April diese | |
schöne Idee mit den Videokonferenzen kam. Ein Kunde hatte gefragt, ob ich | |
nicht eine Alternative zu Zoom und Microsoft Teams für ihn habe. Die sind | |
zwar Marktführer, aber haben brutale Datenschutzmängel. Meine Idee war, den | |
Leuten Server anzubieten, die komplett unter ihrer Kontrolle stehen, und | |
darauf Jitsi zu installieren. Das ist eine Open-Source-Software für | |
Videokonferenzen. Die Daten bleiben bei den Leuten, es wird nichts | |
getrackt, und wenn jemand kündigt, wird alles gelöscht. | |
Ich war zufällig der Erste auf dem deutschen Markt, der das kommerziell | |
angeboten hat. Das hatte ich erst gar nicht umrissen, bis ständig das | |
Telefon klingelte. Da waren [2][Schulleiter] dran. Oder Selbsthilfegruppen, | |
die über sexuellen Missbrauch reden und nicht wollen, dass ihre Daten zu | |
Facebook fließen. Das Robert-Koch-Institut hat sich einen Server bei uns | |
geholt, die Linkspartei, eine Schwertkampfschule. Es ist buntgemischt. | |
Meine Auftragslage verläuft parallel zu den Coronafällen. Im Sommer gingen | |
die Bestellungen zurück. Als dann vor zwei Wochen der nächste Lockdown kam: | |
zack, klingelt das Telefon. Die nächsten Aufträge. Ich habe im Moment rund | |
100 Kunden und arbeite fast rund um die Uhr, irgendwas ist schließlich | |
immer. Eine goldene Nase verdiene ich mir daran aber nicht: Wenn der Umsatz | |
vor Corona bei 100 Prozent lag, dann liegt er jetzt bei 60 Prozent. | |
Im ersten Lockdown, in der zweiten Märzwoche, kamen 5.000 Euro Soforthilfe | |
vom Söder. Die waren unglaublich wichtig, zu der Zeit lief ja gar nichts. | |
Andere Hilfen habe ich nicht beantragt. Ich muss ehrlich sagen: Traue ich | |
mich nicht. Bin ich überhaupt anspruchsberechtigt? Zählt da die private | |
Krankenversicherung mit rein? War der Umsatz vor Corona hoch genug? Ich | |
fühle mich etwas verunsichert durch die Berichterstattung über Leute, die | |
hinterher Hilfen zurückzahlen mussten.“ | |
17 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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