| # taz.de -- Protokoll Corona und Arbeit: „Es geht richtig ans Eingemachte“ | |
| > Kulturmanagerin Ulrike Kaßler war mit ihrer Galerie und der Bar ihres | |
| > Freundes lange erfolgreich. Doch der Teil-Lockdown macht ihr nun zu | |
| > schaffen. | |
| Bild: Auch in deutschen Craftbeer-Bars stehen derzeit die Zapfhähne still | |
| Ulrike Kaßler, 53, ist Kulturmanagerin, freie Kuratorin und Buchhalterin | |
| der Bochumer Bar „Trinkhalle“. | |
| „Als selbstständige Kulturmanagerin zeige ich seit 2015 Kunst- und | |
| Fotoausstellungen in der „Ping Pong Gallery“. Räumlich ist die an die | |
| Bochumer Craftbeer-Bar „Trinkhalle“ meines Freundes Tom Gawlig angedockt, | |
| betrieben wird sie von mir. Und weil ich irgendwann mal | |
| Veranstaltungskauffrau gelernt habe, mache ich nebenbei auch die | |
| Buchhaltung der Bar. Ich weiß also, wie der Laden läuft. | |
| Vor [1][Corona] war alles gut – so gut, dass wir sogar einen zweiten Laden | |
| in Gelsenkirchen-Ückendorf aufgemacht haben. Das Viertel galt lange als | |
| Problemkiez. Jetzt soll Ückendorf zu einem Kreativquartier werden: Die | |
| Stadt will Kulturschaffende und Start-ups anlocken. Da passen wir super hin | |
| – denn die „Trinkhalle“ sollte von Anfang an ein sozialer Treffpunkt, ein | |
| Veranstaltungsraum für Kreative sein. | |
| Mit Corona ist der Umsatz dann massiv eingebrochen. Toll fand ich deshalb | |
| die Reaktion unserer Stammgäste und der Akteure, die mit uns zusammen | |
| Ausstellungen gemacht haben. Ganz viele wollten wissen, wie es uns geht. Da | |
| war unheimlich viel Unterstützung, die uns gezeigt hat: Die Leute finden | |
| super, dass wir da sind – und wollen, dass wir bleiben. Manche haben uns | |
| aus Solidarität gleich einen ganzen Kasten Bier abgekauft. Auch über | |
| Crowdfunding ist Geld zusammengekommen. | |
| Im April haben wir dann einen Straßenverkauf gestartet. Für die beiden | |
| Läden war das ein Verlustgeschäft. Doch als alles dicht war, haben leider | |
| nur die beiden Festangestellten, die über die „Trinkhallen“ finanziert | |
| werden können, Kurzarbeitergeld bekommen. Für sechs Minijobber:innen gab | |
| es dagegen keine staatliche Unterstützung. Der Außerhausverkauf sollte | |
| deshalb vor allem dafür sorgen, dass alle im Team arbeiten und Geld | |
| verdienen konnten. | |
| Auch die Soforthilfe und die Überbrückungshilfen durften nur zu einem | |
| geringen Teil für Löhne oder Honorare benutzt werden. Gedeckt werden | |
| konnten damit nur die laufenden Kosten der beiden Läden – also Miete, | |
| Strom, Versicherungen. Und dank einer NRW-Sonderregelung konnte mein Freund | |
| Tom als Inhaber 2.000 Euro für seine Lebenshaltungskosten verwenden – für | |
| drei Monate. Wir reden also über 666 Euro im Monat. | |
| Der zweite Lockdown heißt für die ganze Gastronomie: Jetzt geht es richtig | |
| ans Eingemachte. Vielen droht die Insolvenz. Ich hoffe deshalb, dass mit | |
| den Novemberhilfen wirklich 75 Prozent unserer Umsatzausfälle schnell und | |
| unbürokratisch ersetzt werden – beantragt werden können sie ja noch immer | |
| nicht. Auch bei mir selbst ist das Geld knapp: Zwar habe ich als freie | |
| Kuratorin ein Künstler:innenstipendium des Landes über 7.000 Euro bekommen. | |
| Vorher aber musste ich Hartz IV beantragen. Glücklicherweise wohnen wir | |
| ziemlich günstig. | |
| Mehr als der Geldmangel bedrückt mich aber die Unsicherheit und das Gefühl, | |
| dass die Regierungen selbst kein mittel- oder gar langfristiges Konzept | |
| haben, wie es in der Pandemie weitergehen soll. Dabei wird noch viel Zeit | |
| vergehen, [2][bis ausreichend Leute geimpft sind]. Gerade habe ich deshalb | |
| einen richtigen Coronablues.“ | |
| 20 Nov 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746 | |
| [2] /Impfstoff-zunaechst-nur-fuer-reiche-Laender/!5729876 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
| ## TAGS | |
| Kulturmanagement | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Protokoll Arbeit und Corona | |
| Arbeit | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| zeitgenössische Kunst | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Protokoll Arbeit und Corona: „An der Infektionsfront“ | |
| Den Friseursalon von Benjamin Walter trifft der neue Teil-Lockdown hart. | |
| Ihn nervt vorallem das „Hin und Her“ in der deutschen Coronapolitik. | |
| Künstler über Aktionismus in der Pandemie: „Wir sind ja alle gestört“ | |
| Künstler Christian Jankowski macht auf Menschen mit systemrelevanten | |
| Berufen aufmerksam. Er stiftet eine Arbeit für die Kunstlotterie der UNO. | |
| Protokoll Arbeit und Corona: „Ich arbeite fast rund um die Uhr“ | |
| Sebastian Bayers IT-Firma stand in der Coronakrise kurz vor der Pleite – | |
| dann hatte er eine Idee und entschied sich sein Geschäftsmodell | |
| umzustellen. |