# taz.de -- Onlineunterricht in der Coronakrise: Geldstrafen für Zoom-Nutzer*i… | |
> Viele Lehrkräfte verwenden für den Unterricht Programme, die | |
> Datenschützer*innen als bedenklich einstufen. Es gab schon mehrere | |
> Datenlecks. | |
Bild: Für Datenschützer*innen zumindest fragwürdig: Schulunterricht über Zo… | |
BERLIN taz | Lutz Hasse gibt sich nicht allzu diplomatisch: Der Thüringer | |
Datenschutzbeauftragte drohte Anfang Juni den LehrerInnen im Bundesland mit | |
Geldstrafen, sollten sie beim [1][Online-Unterricht] Datenschutzregeln | |
verletzt haben. Bis zu 1.000 Euro könne das kosten. Die Empörung war groß, | |
die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) | |
Thüringen, Kathrin Vitzthum, sprach von einem „Schlag ins Gesicht“ der | |
Lehrer*innen. | |
Trotz solch deutlicher Worte hat die Datenschutzbeauftragte aus | |
Brandenburg, Dagmar Hartge, inzwischen nachgezogen. Mögliche Verstößen beim | |
Unterricht in ihrem Bundesland würden derzeit geprüft, teilt eine | |
Sprecherin auf Nachfrage mit. Bei besonders schwerwiegenden Verstößen seien | |
auch Strafzahlungen möglich. | |
Hinter den Ankündigungen der Datenschutzbeauftragten verbirgt sich eine | |
Zwickmühle, in der viele Lehrer*innen deutschlandweit gerade stecken. | |
Normaler Unterricht kann wegen der [2][Coronakrise] nicht flächendeckend | |
stattfinden, der Lernstoff muss teilweise weiterhin auch online vermittelt | |
werden. Dafür brauchen die Lehrer*innen Programme, die leicht zu verstehen | |
und einfach zu bedienen sind, sodass Unterricht etwa über Videokonferenzen | |
stattfinden kann und Informationen ausgetauscht werden können. | |
Allerdings stammen viele Programme, die sich dafür anbieten, von US-Firmen, | |
die oftmals nicht allzu sorgsam mit ihren Daten umgehen. Ein Problem, | |
schließlich müssen die Schulen laut aktueller Gesetzeslage streng | |
achtgeben, dass Daten ihrer Schüler*innen geschützt bleiben. Konkret geht | |
es etwa um Noten, aber auch um den Datenverkehr. Weiter sind Lehrer*innen | |
verpflichtet, das Einverständnis der Eltern einzuholen, bevor sie bestimmte | |
Programme nutzen. Auch müssen sie die Schulleitung über den Einsatz eines | |
bestimmten Programms informieren. Schließlich dürfen sie Mails an | |
Schüler*innen nicht unverschlüsselt oder über offene Verteiler versenden. | |
## Hacks und Facebook-Kooperation | |
Zu welchen Problemen das an Schulen führen kann, lässt sich gut am Beispiel | |
des Programms Zoom zeigen. Mit Zoom lassen sich sehr leicht | |
Videokonferenzen starten, das Programm muss man dafür nicht einmal | |
herrunterladen, es reicht schon auf einen Link zu klicken, den der | |
Veranstalter (der sogenannte host) per Mail herumschickt. Dazu ist Zoom | |
kostenlos. Als Mitte März die Schulen dichtmachten und die Lehrer*innen | |
ihre Schüler*innen plötzlich digital unterrichten sollten, hielten sich | |
deshalb viele Pädadgog*innen zunächst an Zoom. | |
Auch H. nutzte zunächst Zoom, als sie plötzlich von zu Hause unterrichten | |
musste. H. unterrichtet in einer Kleinstadt in Baden-Württemberg die Fächer | |
Mathe und Physik. Ihr Name ist der taz bekannt, öffentlich will sie ihn | |
aber nicht nennen, weil sie negative Konsequenzen im Berufsleben fürchtet. | |
In leichtem Schwäbisch erzählt sie am Telefon, wie sie mit Kolleg*innen | |
zunächst mehrere Programme für Videokonferenzen ausprobierte, und schnell | |
zu dem Schluss kam, dass Zoom die beste Möglichkeit war, um möglichst viele | |
Schüler*innen zu erreichen. Dass sie das schriftliche Einverständnis der | |
Eltern gebraucht hätte, um das Programm im Unterricht zu nutzen, wusste sie | |
damals nicht, sagt H. Genauso wenig, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte | |
des Landes von der Zoom-Nutzung abgeraten hatte. | |
Zwar ist nicht eindeutig, ob die Nutzung von Zoom im Unterricht allein | |
schon gegen Datenschutzrichtlinien verstößt, die Firma hinter dem Programm | |
hat aber ohne Frage ein zweifelhaftes Verhältnis zu den Daten ihrer | |
Nutzer*innen. So wurden die Daten in der Vergangenheit etwa mit Facebook | |
geteilt, auch Datenlecks gab es schon, bei denen Hacker persönliche Infos | |
von zahlreichen Usern stehlen konnten. | |
## Wurden die Lehrer*innen im Stich gelassen? | |
Seit sie das weiß, nutzt H. Zoom nicht mehr. Sie ist sauer auf die | |
Landesregierung in Stuttgart, von der sie sich Hilfe und klare Regeln | |
erwartet habe. Stattdessen hätte sie aber völlig allein mit der neuen | |
Situation klarkommen müssen, sagt H. „Wir Lehrer wurden im Stich gelassen.“ | |
Das Kultusministerium in Stuttgart schreibt dazu: „Bei einem derart | |
einschneidenden Ereignis wie die Coronapandemie ist es klar, dass nicht von | |
Anfang an alles perfekt und reibungslos funktionieren kann.“ Bei den | |
Schulschließungen habe es sich um eine sehr einschneidende Maßnahme | |
gehandelt, „für die auch das Kultusministerium nicht Pläne für alle Details | |
parat hatte.“ | |
Den Vorwurf der Lehrerin H. bestätigt [3][Ilka Hoffmann], Mitglied im | |
Bundesvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Zumindest | |
zu Beginn der Coronakrise habe es in ganz Deutschland kaum klare Vorgaben | |
dazu gegeben, mit welchen Mitteln der Online-Unterricht stattfinden hätte | |
sollen, sagt sie. „Es ist eine breite Grauzone entstanden.“ | |
Dass es diese Grauzone gab, das bestreiten auch die Kultusministerien der | |
meisten Länder auf Nachfrage nicht. Fast alle schreiben aber auch, man | |
arbeite gerade daran, das Problem zu lösen oder habe das bereits geschafft. | |
Der Plan: Eigene Lernplattformen, bei denen Datenschutzprobleme an den | |
Schulen in Zukunft erst gar nicht mehr auftreten, wie der „Lernraum Berlin“ | |
oder die „Schulcloud Hessen“. Seit den Schulschließungen ist die Zahl der | |
teilnehmenden Schulen an den Ministeriumsprogrammen in die Höhe geschossen. | |
Zu den Ländern, die nach eigenen Angaben vorne mit dabei sind, zählt | |
Baden-Württemberg. „Allen Schulen im Land“ hätte man kostenfrei das | |
Lernmanagementsystem Moodle zur Verfügung gestellt, heißt es aus dem | |
Kultusministerium. Derzeit würden mehr als 600.000 der insgesamt 1,5 | |
Millionen Schüler*innen im Bundesland damit arbeiten. | |
## Einheitliche Regeln? Nö | |
Auch die Lehrerin H. arbeitet inzwischen mit der Lernplattform, vor allem | |
mit dem dort integrierten Videoprogramm Big Blue Button. Das funktioniere | |
zwar bei Weitem nicht so gut wie Zoom, so H., dafür sei sie damit rechtlich | |
wohl aber endlich auf der sicheren Seite. | |
Doch welche Programme nicht erlaubt sind, das ist oft nicht klar. So | |
schreibt etwa ein Sprecher der Berliner Bildungsverwaltung, man habe das | |
Datenschutzproblem auf dem Schirm, nur um dann hinterherzuschieben: „Wir | |
führen aber keine Negativliste.“ Dabei könnte gerade so eine Liste den | |
Lehrer*innen klar kommunizieren, welche Programme sie nicht nutzen dürfen. | |
Der Bremer Senat teilt mit: „Zoom darf in Bremen unter Auflagen als | |
Übergang benutzt werden“, bis es möglich sei, eine landesweite | |
Lernplattform zu nutzen. Das Hessische Kultusministerium verweist auf eine | |
Einschätzung des Landesdatenschutzbeauftragten, laut der | |
Videokonferenzsysteme in Anbetracht der Coronakrise prinzipiell erlaubt | |
seien, bis alle Schulen das offizielle Schulportal der Landesregierung | |
nutzen können. So kommt es, dass in einigen Bundesländern Zoom weiterhin | |
benutzt wird, während das in anderen Ländern inzwischen untersagt ist. | |
„Einen bunten Gemüsegarten“ nennt Ilka Hoffmann von der GEW das. Sie | |
wünscht sich endlich offizielle Lernplattformen oder zumindest klare | |
Ansagen für die Lehrer*innen in allen Bundesländern. Sie hofft, dass dieses | |
Ziel bis Ende der Sommerferien und dem Beginn des neuen Schuljahrs erreicht | |
wird. | |
Bis dahin dürfte auch klar sein, ob Thüringens Datenschutzbeauftragter Lutz | |
Hasse und seine Kollegin aus Brandenburg, Dagmar Hartge, | |
Datenschutzverstöße finden konnten, die so gravierend sind, dass sie aus | |
ihrer Sicht Bußgelder nötig machen. Zumindest Hartge betont auf Nachfrage | |
der taz, dass sie bisher nur sehr wenige Fälle prüfe. | |
Der Thüringer Hasse möchte sich zur Zahl der Verdachtsfälle nicht äußern. | |
Allerdings hat er auch nach seiner Ankündigung einen Rüffel vom | |
Thüringischen Bildungsminister Helmut Holter (Linke): Lehrer*innen | |
Geldstrafen anzudrohen, sagte Holter, sei „beunruhigend und so nicht zu | |
akzeptieren“. | |
25 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
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