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# taz.de -- Gesetz gegen Gewalt gegen Frauen: Spanien und „die andere Pandemi…
> Ein Gesetz zur „sexuellen Freiheit“ will Frauen ermöglichen, angstfrei zu
> leben. Doch rechts außen positioniert sich Widerstand.
Bild: Barcelona, Spanien am Sonntag: Menschenkette zum Tag gegen Gewalt an Frau…
Spaniens Gleichstellungsministerin Irene Montero hat die Legislaturperiode
unter ein Motto gestellt. Sie will alles tun, um „die andere Pandemie“ zu
bekämpfen. Die Politikerin von den linksalternativen Unidas Podemos meint
damit „die strukturelle Gewalt, die Frauen erleiden, weil sie Frauen sind“.
Um dagegen anzugehen, hat das Ministerium [1][das „Gesetz der Garantie der
sexuellen Freiheit“] ausgearbeitet. Anfang kommenden Jahres will es das dem
Parlament zur Abstimmung vorlegen. „Das neue Gesetz wird die Frauen
erstmals umfangreich schützen“, erklärt Montero in einem Gespräch mit der
taz zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am Mittwoch. Das Ziel
sei, dass „Frauen ohne Angst vor Gewalt leben können“.
Während Länder wie etwa Deutschland sich noch immer [2][schwertun,
häusliche Gewalt und Femizid spezifisch gesetzlich zu verfolgen], ist
Monteros Projekt bereits das zweite Gesetz zum Thema in Spanien. 2004 wurde
erstmals ein Gesetz gegen Gewalt durch Partner oder Ex-Partner erlassen.
Spanien war damals Vorreiter und will es jetzt wieder sein.
Der Volksmund hat Monteros Werk „Nur-ja-ist-ja-Gesetz“ getauft. Denn „die
Zustimmung zu einer sexuellen Handlung steht im Zentrum“, so Montero.
Schweigen sei keine Zustimmung. Warum das so wichtig ist: Im Juli 2016
zerrte eine Gruppe von fünf jungen Männern auf dem San Fermin Fest in
Pamplona eine junge Frau in einen Hauseingang. Sie vergewaltigten sie
mehrfach und filmten das ganze auch noch.
## Suizid wegen Nacktfotos
Da die Frau sich nicht wehrte, sahen die Richter nur Missbrauch. Und dieser
ist mit deutlich geringeren Strafen belegt als Vergewaltigung. [3][Das
Urteil hatte breite Proteste zur Folge], Monteros Gesetz ist unter anderem
die Antwort darauf.
Es geht um jegliche Art von Gewalt und Belästigung, nicht nur im realen
Leben sondern auch in den Netzwerken. „Mehr als 40 Prozent der jungen
Frauen geben an, in sozialen Netzwerken und auf Messengerdiensten sexuell
bedrängt worden zu sein“, erklärt Montero.
Es geht dabei um Tatbestände wie die Frage nach Nacktfotos durch Männer,
mit denen die betroffenen Frauen keinerlei intime Beziehung haben, oder der
Veröffentlichung von intimen Fotos im Internet, um den Frauen zu schaden.
In Spanien machte ein solcher Fall Schlagzeilen, nachdem sich das Opfer –
eine Fabrikarbeiterin, deren Fotos in der Belegschaft die Runde machten –
das Leben nahm.
„Geschlechtsbezogene Gewalt und Belästigung jeder Art ist die am weitesten
verbreitete und gleichzeitig am wenigsten sichtbare und am meisten
normalisierte Verletzung der Menschenrechte“, erklärt Montero. Seit 2003
offiziell Statistiken erstellt werden, sind in Spanien 1.074 Frauen von
ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet worden. Alleine in diesem Jahr
sind es bereits 41.
## Jede zweite Frau wird Opfer
Seit 2007 ein Notruf eingerichtet wurde, gingen knapp eine Million Anrufe
ein. Eine Großumfrage des Gleichstellungsministeriums zeigt: Jede zweite
Frau im Alter von über 16 Jahren wurde Opfer von machistischer Gewalt. 80
Prozent der Opfer zeigen ihren Aggressor nicht an, aus Angst, ihnen würde
nicht geglaubt.
Eine integrale Betreuung soll künftig dafür sorgen, dass Frauen leichter
„eine offene Tür in den Institutionen finden“. Unter anderem werden
Fortbildungsmaßnahmen und Sensiblisierungskampagnen bei Polizei, Justiz und
Gesundheitsbehörden durchgeführt.
„Außerdem muss die Gesellschaft dafür Sorge tragen, dass der entstandene
Schaden wiedergutgemacht wird“, sagt Montero. Das neue Gesetz sieht
Betreuung vor, „bis die Frau ihr Lebensprojekt wieder aufnehmen kann“. Das
umfasst auch die Kinder, die von dieser Gewalt mitbetroffen sind. Im neuen
Haushalt stehen für all das 258 Millionen Euro zur Verfügung.
Das [4][Gesetz 2004] wurde einstimmig vom Parlament angenommen. Dieses Mal
wird das wohl nicht so sein. Denn rechts gibt die radikale Vox den
ideologischen Ton an. [5][„Gewalt hat kein Geschlecht“,] heißt deren
Parole. Sie werfen Montero vor, eine Genderdiktatur errichten zu wollen.
## Von rechts gegen die Frauen
„Die extreme Rechte hat weltweit die Frauen zur Zielscheibe ihrer Hassreden
gemacht, weil die Frauenbewegung die Bewegung ist, die das größte Potenzial
der gesellschaftlichen Veränderung in sich birgt“, antwortet Montero.
Vox, drittstärkste Kraft im Parlament, wird auf jeden Fall gegen Monteros
Gesetz stimmen. Und es sieht ganz danach aus, als könnten sie die
konservative Partido Popular und die rechtsliberale Ciudadanos mitreißen.
24 Nov 2020
## LINKS
[1] /Gewalt-gegen-Frauen-in-Spanien/!5665939
[2] /Femizide-in-Deutschland/!5728408
[3] /Protest-gegen-sexualisierte-Gewalt/!5516043
[4] https://violenciagenero.igualdad.gob.es/informacionUtil/derechos/docs/Alema…
[5] /Rechtsextreme-in-Spanien/!5576613
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
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