# taz.de -- Gewalt gegen Frauen: Impfen heißt, darüber zu sprechen | |
> Gewalt gegen Frauen nimmt während Corona nochmal zu. Darüber zu sprechen | |
> darf kein Tabu mehr sein. Gewalt muss für die Täter schambesetzt sein. | |
Bild: Das Sprechen über Gewalt an Frauen darf kein Tabu mehr sein | |
Gewalt gegen Frauen“ ist ein Ausdruck, der distanziert bleibt. Dabei ist | |
das, was er beschreibt, so grenzverletzend wie sonst kaum etwas. „Gewalt | |
gegen Frauen“ beschreibt Schläge ins Gesicht und auf den Körper, mit | |
Fäusten oder Aschenbechern, die den Schädel zertrümmern. Der Begriff | |
beschreibt Knochenbrüche, Würgemale, Blutungen, er umfasst Schnitte und | |
Schüsse. Er kommt Frauen so brutal nah, dass Sprache für die Erfahrungen, | |
die damit verbunden sind, kaum ausreicht. | |
„Gewalt gegen Frauen“ ist ein Ausdruck, der zusammenschrumpft, worum es | |
geht – doch der Bereich ist pandemisch. Es gibt Gewalt gegen Frauen, um sie | |
zu kontrollieren, Genitalverstümmelungen, Femizide. Es gibt häusliche | |
Gewalt, die schon durch die Bezeichnung als Privatsache gelabelt wird und | |
die [1][während Corona wohl gerade weltweit zunimmt]. Es gibt digitale | |
Gewalt wie das Verbreiten intimer Fotos. Und es gibt [2][Gewalt wie | |
Vergewaltigungen oder Stalking, die kaum zur Anzeige gebracht und noch viel | |
weniger verurteilt werden], das Leben von Frauen aber massiv beeinflussen. | |
Gewalt gegen Frauen beginnt nicht erst, wenn einer zuschlägt. Was ihr | |
vorausgeht, ist in einer Gesellschaft angelegt, in der die Frage, wer Macht | |
hat und wer nicht, entlang von Geschlechtergrenzen beantwortet werden kann. | |
Obwohl oder gerade weil das jahrhundertelang gewachsen ist, konnten sich | |
erst die Delegierten der Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995 darauf einigen, | |
Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung zu verfolgen. Erst 2000 | |
wurde sexualisierte Kriegsgewalt durch die Vereinten Nationen geächtet. | |
Erst 2004 gab es in Deutschland die erste repräsentative Studie zu | |
Gewalterfahrungen von Frauen. Erst 2014 wurde die erste und bisher einzige | |
europaweite Studie dazu veröffentlicht. Ein Drittel der Frauen zwischen 15 | |
und 74 Jahren gab an, körperliche oder sexualisierte Gewalt erfahren zu | |
haben. Und erst seit 2014 gibt es [3][die Istanbul-Konvention]: das | |
Übereinkommen des Europarats gegen Gewalt gegen Frauen, das Polen und die | |
Türkei nun wieder aufkündigen wollen. | |
Gewalt, so die WHO, ist eines der größten globalen Gesundheitsrisiken für | |
Frauen. Die einzige Impfung dagegen ist, sie aus dem Dunklen ins Helle zu | |
bringen: Das Sprechen darüber darf kein Tabu mehr sein. Gewalt muss für die | |
Täter schambesetzt sein, nicht für die Opfer. Es braucht Hotlines, | |
Beratungsstellen, Unterkünfte. Es braucht Mitarbeitende in Polizei und | |
Justiz, die wissen, dass es strukturelle Gründe sind, aus denen sich Frauen | |
schwer aus gewalttätigen Beziehungen lösen können. Und es braucht ein | |
Verständnis von Opfern als Überlebende, die enorme Kraft bewiesen haben. | |
[4][Gewalt gegen Frauen ist nichts, was weiter verharmlost], kleingeredet | |
oder aus der Distanz betrachtet werden darf. Erst wenn wir hinschauen, ist | |
sie veränderbar. | |
25 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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