Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- ARD-Gerichtsdrama über Sterbehilfe: Wem gehört das Sterben?
> In der ARD-Verfilmung von Ferdinand von Schirachs „Gott“ werden wieder
> große Fragen gestellt. Doch die sind längst beantwortet, bemängelt unser
> Autor.
Bild: Pochen in „Gott“ auf das Recht selbstbestimmten Sterbens: Richard Gä…
Wie würden Sie entscheiden?“ – das war einmal eine rührige Gerichtsshow in
einer Zeit, bevor es Gerichtsshows gab. Das Studiopublikum durfte per
Knopfdruck in Konkurrenz zu den echten Richtern entscheiden.
Der erfolgreiche Schriftsteller – und gelernte Rechtsanwalt – [1][Ferdinand
von Schirach konnte] sich mit der Einstellung des Programms offenbar nie
abfinden. 2016 war es nach der Doppelaufführung in zwei deutschen Theatern
so weit. Die ARD zeigte den Film „Terror“.
Verhandelt wurde der fiktive Fall eines Kampfpiloten, der ein entführtes
Passagierflugzeug mit Kurs auf die voll besetzte Münchner Allianz Arena
abgeschossen hatte. Das Bundesverfassungsgericht hatte das entsprechende –
reale – Gesetz bereits zehn Jahre zuvor abgeschafft und nur noch mal
klargestellt, was Jurastudenten im ersten Semester lernen: keine Abwägung
von Leben gegen Leben.
86,9 Prozent der von Schirach manipulierten Fernsehzuschauer kamen zu einem
anderen Urteil. [2][Den Rechtsstaat vorzuführen] und sich dabei auf die
Mehrheit zu berufen: in Polen besorgt dieses populistische Geschäft die
Regierung – in Deutschland vorerst nur ein Erfolgsschriftsteller, [3][mit
Unterstützung der ARD].
## Lars Eidinger in schnöseliger Paraderolle
Das war der erste Streich. Der zweite, mit dem bescheidenen Titel: „Gott
von Ferdinand von Schirach“, folgt. Wieder nach der
Theater-Doppelaufführung und wieder mit Lars Kraume als Regisseur. Auch
hier ist der Plot recht knapp. Ein älterer Herr (Matthias Habich) möchte
nach dem Tod seiner Frau nicht mehr leben und sich bei seinem Suizid helfen
lassen. Den Paragrafen 217 StGB, der seit 2015 die „geschäftsmäßige
Förderung“ von Suizid verbietet, hat das Bundesverfassungsgericht am 26.
Februar dieses Jahres abgeschafft.
Doch von Schirachs Konzession besteht darin, dass er seine (Gerichts-)
Verhandlung vom Gericht zum Deutschen Ethikrat verlegt. Dort tragen die
Experten, eine Juristin (Christiane Paul), ein Mediziner (Götz Schubert)
und ein Theologe (Ulrich Matthes) die Thematik angemessen ernst und
sachlich vor.
Ausgerechnet der Rechtsanwalt, eine Paraderolle für Lars Eidinger als
selbstgefälligen Schnösel mit Hermès-Krawatte, wiederholt dann das, was im
Februar bereits entschieden wurde: „Wem, wenn nicht uns, gehört unser
Sterben?“
Merke: Rhetorische Fragen bedürfen keiner Antwort – es sei denn, sie
stammen von Ferdinand von Schirach, der sie seinem eigenen Publikum stellt.
„Gott“ ist am 23. 11. um 20.15 Uhr in der ARD zu sehen.
23 Nov 2020
## LINKS
[1] /ZDF-Krimireihe-Schuld/!5622573
[2] /Ein-Jahr-nach-dem-Anschlag-in-Halle/!5715354
[3] /ARD-Doku-ueber-Familie/!5728046
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
ARD
Ferdinand von Schirach
Sterbehilfe
Lars Eidinger
Sterbehilfe Deutschland
Sterbehilfe
TV-Krimi
Bundesministerium für Gesundheit
Kolumne Flimmern und Rauschen
Sterbehilfe
Ferdinand von Schirach
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte um Sterbehilfe: Jedes Leben ist lebenswert
Der assistierte Suizid wird kommen. Doch in evangelischen Einrichtungen
sollte er nicht möglich sein. Auch aufgrund der deutschen Geschichte.
Urteil zu Sterbehilfemedikament: Andere Optionen möglich
Das Medikament Natrium-Pentobarbital darf vorerst nicht zur Selbsttötung
erworben werden. So urteilte das Bundesverfassungsgericht am Freitag.
„Das Verhör in der Nacht“ auf Arte und ZDF: Wo ist die Bombe?
Der Film „Das Verhör in der Nacht“ spielt auf engstem Raum. Staatsschützer
und eine mutmaßliche Terroristin liefern sich darin einen Schlagabtausch.
Debatte um Sterbehilfe: 15 Gramm Gift, nur für den Fall
Hans-Jürgen Brennecke kämpft für sein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
Ein Betäubungsmittel steht ihm zu, das Gesundheitsministerium blockiert.
ARD-Doku über Familie: Bravo, ARD!
Das deutsche Fernsehen sei zu weit weg vom Leben der Leute, heißt es immer.
Eine Doku über Familien beweist nun das Gegenteil.
Sterbefasten als Ausweg: Ein letztes Loslassen
Die Mutter ist krank und ohne Aussicht auf Heilung. Sie hört auf zu essen
und zu trinken. Die Tochter begleitet sie und führt Tagebuch.
ZDF-Krimireihe „Schuld“: Das Problem mit Schirach
Im ZDF startet die neue Staffel der Serie „Schuld“ nach Ferdinand von
Schirach. Der Autor gilt als Genie – aber was, wenn er bloß Voyeurismus
bedient?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.