# taz.de -- Urteil zu Sterbehilfemedikament: Andere Optionen möglich | |
> Das Medikament Natrium-Pentobarbital darf vorerst nicht zur Selbsttötung | |
> erworben werden. So urteilte das Bundesverfassungsgericht am Freitag. | |
Bild: Das tödlich wirkende Mittel Natrium-Pentobarbital | |
KARLSRUHE taz | Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage eines | |
suizidwilligen Ehepaars auf Zugang zu einem Suizid-Medikament [1][als | |
unzulässig abgelehnt.] Das Ehepaar solle sich einen Arzt oder eine andere | |
hilfswillige Person suchen. Die Hilfe beim Suizid sei inzwischen nicht mehr | |
strafbar, so die RichterInnen. | |
Das Ehepaar ist seit 1968 verheiratet, hat drei Kinder und mehrere | |
Enkelkinder. Die Frau ist inzwischen 76 Jahre alt, der Mann 83. Seit 2013 | |
sind sie entschlossen, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. Ihr Leben solle | |
zu einem Zeitpunkt enden, in dem sie noch handlungsfähig sind und es ihnen | |
noch so gut gehe, dass sie von einem rundherum gelungenen Leben sprechen | |
könnten. Sie sähen keinen Sinn darin, den eigenen Verfall mitzuerleben. | |
Das Paar versuchte deshalb eine Genehmigung [2][für den Kauf des | |
Medikaments Natrium-Pentobarbital] zu bekommen, einem in der Schweiz | |
gebräuchlichen schmerzlosen Suizid-Medikament. Doch das Bundesinstitut für | |
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnte ab. Das | |
Betäubungsmittelgesetz erlaube den Erwerb solcher Medikamente nur zu | |
therapeutischen Zwecken, nicht zur Selbsttötung. | |
Das Ehepaar klagte gegen die Ablehnung durch die Instanzen, bis zum | |
Bundesverwaltungsgericht. Doch auch das Leipziger Gericht lehnte 2019 ab. | |
Anspruch auf Natriumpentobarbital bestehe nur in einer extremen Notlage, | |
bei schwer und unheilbar Kranken. | |
Dagegen erhob das Paar Verfassungsbeschwerde, über die nun eine mit drei | |
RichterInnen besetzte Kammer des Bundesverfassungsgerichts entschied. Doch | |
auch hier hatten die sterbewilligen Rentner keinen Erfolg. Die Beschwerde | |
sei inzwischen „unzulässig geworden“. | |
Gericht nimmt Rücksicht auf Gesetzgeber | |
Die Karlsruher RichterInnen verwiesen auf ihr eigenes Urteil aus dem | |
Februar 2020. Damals ging es um das strafrechtliche Verbot der | |
„geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ (Paragraf 217 des | |
Strafgesetzbuchs). In einer spektakulären Entscheidung erklärte das Gericht | |
diesen Paragraf für verfassungswidrig und nichtig, weil er das „Recht auf | |
selbstbestimmtes Sterben“ verletzte. Dazu gehöre auch das Recht, sich von | |
anderen helfen zu lassen. | |
In dieser neuen rechtlichen Lage sei es den alten Leuten „zuzumuten“, ihre | |
Bemühungen um einen selbstbestimmten Tod „wiederaufzunehmen“, entschied nun | |
die Karlsruher Kammer. Sie könnten sich „durch aktive Suche nach | |
suizidhilfebereiten Personen“ oder „auf anderem geeignetem Weg“ selbst | |
helfen und bräuchten das Bundesverfassungsgericht nicht. | |
Dabei sollten sie auch über ihr Bundesland Hessen hinaus suchen. Es gebe | |
durchaus einen „Kreis medizinisch kundiger Personen“, der zu entsprechenden | |
Verschreibungen und anderen Unterstützungshandlungen bereit sei. Nach dem | |
Urteil vom Februar seien diese Personen auch rechtlich dazu befugt. | |
Das Ehepaar könne bei dieser Gelegenheit testen, „ob nunmehr ausreichende | |
praktische und zumutbare Möglichkeiten bestehen, einen Suizidwunsch zu | |
realisieren“. Dies wäre auch für das Verfassungsgericht interessant, so die | |
RichterInnen, falls es am Ende doch noch über diesen oder einen anderen | |
Fall entscheiden muss. | |
Schließlich wollen die RichterInnen auch Rücksicht auf den Gesetzgeber | |
nehmen, der jetzt die Möglichkeit habe, ein umfassendes Schutzkonzept für | |
assistierte Selbsttötungen zu erarbeiten. Zufälligerweise hatten die Grünen | |
und eine interfraktionelle Gruppe in den letzten Tagen erste Gesetzentwürfe | |
hierzu veröffentlicht. | |
5 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/1… | |
[2] /Gesetz-zu-Suizidassistenz/!5743968 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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