# taz.de -- Nach Angriff auf Rechtsextreme: Autonome in Leipzig festgenommen | |
> Die Bundesanwaltschaft durchsucht drei Leipziger Linksradikale und nimmt | |
> eine Frau fest. Sie sollen eine rechte Kneipe überfallen haben. | |
Bild: Achtung, hier kommt die Polizei! Hier bei einem Einsatz im September in L… | |
LEIPZIG taz | Anschläge auf Bagger, Autos und Baukräne in Leipzig, Angriffe | |
auf PolizistInnen in der [1][Connewitzer Silvesternacht], eine Attacke auf | |
eine Immobilienmaklerin – es ist gleich eine Reihe von Straftaten, die in | |
und um Leipzig zuletzt Autonomen zugeschrieben wurden. Die Erfolge der | |
Ermittler aber blieben mager, Tatverdächtige fehlten. Das könnte sich nun | |
geändert haben. | |
Die Bundesanwaltschaft verkündete am Freitag die Durchsuchung dreier | |
Personen in Leipzig und die Festnahme einer Frau, Lina E. Die Vorwürfe | |
gegen die 25-Jährige wiegen schwer: Sie soll Anführerin einer kriminellen | |
Vereinigung sein, die sie mit anderen Autonomen bildete, und sich gleich an | |
mehreren Straftaten beteiligt haben. | |
Ermittelt hatte zunächst die [2][vor einem Jahr gegründete Soko LinX] des | |
sächsischen Landeskriminalamts, später stieg die Bundesanwaltschaft ein. | |
Laut deren Vorwürfen soll sich Lina E. spätestens im September 2019 einer | |
Gruppe militanter Linksextremisten in Leipzig angeschlossen haben, die | |
Angriffe auf Rechtsextreme planten und ausführten. Lina E. habe dabei eine | |
„herausgehobene Stellung“ eingenommen, teilte die Bundesanwaltschaft mit. | |
Sie soll bei Anschlägen das Kommando übernommen, diese vorbereiten und ihr | |
Auto dafür zur Verfügung gestellt haben. | |
## Angriff mit Schlagstöcken und Reizstoff | |
Es ist vor allem ein Angriff auf die Eisenacher Gaststätte „Bulls Eye“, | |
welche die Ermittler der Frau vorwerfen. Das Lokal gilt als rechter | |
Treffpunkt, auch der Thüringer Verfassungsschutz nennt den Betreiber einen | |
Rechtsextremisten. In den frühen Morgenstunden des 19. Oktober 2019 hatten | |
10 bis 15 Vermummte, Lina E. soll dazu gehört haben, das „Bulls Eye“ | |
angegriffen und auf Anwesende eingeschlagen. Eingesetzt wurden auch | |
Schlagstöcke und Reizsprühgeräte, Mobiliar und Fensterscheiben gingen zu | |
Bruch. Laut Bundesanwaltschaft wurden die Angegriffenen „erheblich“ | |
verletzt, Thüringer Sicherheitsbehörden sprachen dagegen von sechs leicht | |
Verletzten. | |
Die 25-Jährige soll mit ihrer Gruppe danach einen weiteren Anschlag auf die | |
Gaststätte geplant haben. Dafür habe sie tags zuvor zwei Hämmer in einem | |
Leipziger Baumarkt geklaut, wurde dabei aber von einem | |
Sicherheitsbediensteten erwischt. Sie riss sich los und versuchte zu | |
entkommen, wurde kurze Zeit später aber gestellt. | |
Laut Bundesanwaltschaft setzten Lina E. und die Gruppe dennoch die | |
Observation der Gaststätte fort. Am 14. Dezember 2019 sei der Betreiber | |
schließlich in der Nähe seiner Wohnung überfallen worden, wieder unter | |
Einsatz von Schlagstöcken, einem Hammer, einem Radschlüssel und Stangen. | |
Auch seine Begleiter wurden attackiert, ebenso wie deren Auton. Auch hier | |
sei es zu Verletzungen gekommen. Die Angreifer wiederum sollen im Auto von | |
Lina E. geflüchtet sein, das mit zuvor gestohlenen Kennzeichen präpariert | |
war. | |
## Vernetzung mit Berliner Autonomen | |
Es war dieser Angriff, bei dem die Ermittler Lina E. offenbar auf die Spur | |
kamen. Denn die Polizei konnte damals zwei Autos der Flüchtenden stoppen, | |
beide mit gestohlenen Kennzeichen. Ein VW Golf hatte dabei ein Leipziger | |
Nummernschild, dort wurden ein Mann und eine Frau vorläufig festgenommen. | |
Aus einem Skoda Octavia mit Eisenacher Kennzeichen flohen zunächst die fünf | |
Insassen, zwei konnten aber kurz darauf festgenommen werden. Die Polizei | |
teilte damals mit, dass die Festgesetzten aus dem Raum Weimar, Kassel, | |
Berlin und Braunschweig gekommen seien. | |
Die Gruppe um Lina E. soll dennoch weiter aktiv geblieben sein. Noch im | |
Juni diesen Jahres habe die Frau die Wohnung eines Mannes in Leipzig | |
ausgespäht, um einen Angriff zu begehen, erklärte die Bundesanwaltschaft. | |
Nach taz-Informationen geht es dabei um einen stadtbekannten | |
Rechtsextremen. Für den Angriff soll sich die Gruppe auch mit Berliner | |
Autonomen vernetzt haben. Die Tat sei aber „durch polizeiliche | |
Gefahrenabwehrmaßnahmen“ verhindert werden, so die Ermittlungsbehörde. | |
Bereits am Donnerstagabend waren die PolizistInnen nun bei Lina E. | |
angerückt. Noch am Freitag sollte sie einem Ermittlungsrichter des | |
Bundesgerichtshof vorgeführt werden. Die Vorwürfe lauten auf Mitgliedschaft | |
in einer kriminellen Vereinigung, gemeinschaftlich gefährliche | |
Körperverletzung, besonders schwerer Landfriedensbruch, räuberischer | |
Diebstahl, Sachbeschädigung und Urkundenfälschung. | |
Die anderen zwei Durchsuchten wurden nicht festgenommen. Ihnen wird | |
Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung vorgeworfen. | |
## Linke Abgeordnete fordert faires Verfahren | |
Erst am Dienstag hatten Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) und | |
Verfassungsschutzchef Dirk-Martin Christian vor einer Radikalisierung der | |
linksextremen Szene im Freistaat gewarnt. Leipzig sei ein bundesweiter | |
„Brennpunkt“ der Gewalt. Auch Thomas Haldenwang, Chef des Bundesamts für | |
Verfassungsschutz, warnte zuletzt vor einer „Enthemmung“ der linksextremen | |
Szene. Deren Gewalttaten würden immer brutaler, anders als früher seien | |
direkte Angriffe auf Personen in der Szene kein Tabu mehr, Teile der Szene | |
schotteten sich ab. | |
Die Leipziger Linken-Abgeordnete Jule Nagel betonte dagegen, dass im Fall | |
Lina E. zunächst die Unschuldsvermutung gelte. „Ich erwarte ein | |
rechtsstaatlich faires Verfahren, ohne Vorverurteilungen, wie wir es von | |
Verfahren gegen Linke leider zur Genüge kennen“, sagte sie der taz. Werde | |
der Vorwurf der Bildung krimineller Vereinigungen bei Neonazis nur | |
„behutsam“ eingesetzt, sei er auf der anderen Seite ein Instrument zur | |
„Kriminalisierung ganzer Teile der politischen Linken“. Nagel geht davon | |
aus, dass das Verfahren gegen Lina E. „bundesweit kritisch beobachtet | |
wird“. | |
Für die Ermittler ist die Festnahme der Leipzigerin dennoch ein seltener | |
Erfolg. Erst im September waren nach Ermittlungen der Soko Linx zwei Männer | |
festgenommen worden, denen Brandanschläge auf den Neubau der JVA Zwickau | |
und eine daran beteiligte Baufirma vorgeworfen wird. Die Beweislage ist | |
hier indes wacklig: Die Ermittler wollen die Männer [3][mithilfe von | |
Polizeihunden überführt] haben, die Gerüche an einem nichtgezündeten | |
Brandsatz auch in der Wohnung der Beschuldigten gewittert hätten. | |
Zu den Brandanschlägen in Leipzig oder den Angriffen auf Polizisten in der | |
Connewitzer Silvesternacht gibt es dagegen bis heute keine Festnahmen. Auch | |
Lina E. soll damit nichts zu tun gehabt haben. | |
6 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Links-in-Leipzig-Connewitz/!5651736 | |
[2] /Programm-gegen-linke-Gewalt/!5636618 | |
[3] /Anschlagsserie-in-Sachsen/!5710040 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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