# taz.de -- Senderchef vorm Untersuchungsausschuss: Farbenspiele im ORF | |
> Der Generaldirektor des ORF ist in den Ibiza-Ausschuss vorgeladen: Es | |
> gibt Hinweise auf unverhältnismäßige politische Einflussnahme auf den | |
> Sender. | |
Bild: Der Generaldirektor des ORF, Alexander Wrabetz | |
Dass die österreichischen Parteien sich in Sachen öffentlich-rechtlicher | |
Rundfunk nicht gerade keusch zurückhalten, hat Tradition. Im | |
ORF-Stiftungsrat, dem Kontrollgremium des Österreichischen Rundfunks, gibt | |
es sogenannte Freundeskreise: politische Lobbys, organisiert und gesteuert | |
von den Parteien. Der jeweilige Generaldirektor des ORF muss sich also mit | |
allen Lagern gut stellen, um im Amt überleben zu können. | |
Seit 2006 heißt dieser [1][Generaldirektor Alexander Wrabetz]. Der | |
Sozialdemokrat strebt nächstes Jahr eine vierte Amtszeit an und muss also | |
mit allen Akteuren gut Freund sein. Jetzt will die liberale NEOS-Fraktion | |
Wrabetz als Auskunftsperson in einem Untersuchungsausschuss vorladen. Und | |
zwar in keinen anderen als den [2][Ibiza-Ausschuss]. Dort geht um offenbar | |
besonders dreiste Einmischung der Politik in Postenbesetzungen im | |
staatsnahen Bereich. | |
Der Ibiza-Ausschuss heißt offiziell „Untersuchungsausschuss betreffend | |
mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ und kümmert | |
sich eigentlich nicht um den Rundfunk, sondern um die ÖVP-FPÖ-Koalition, | |
die im Mai des vergangenen Jahres am berüchtigten Ibiza-Video zerbrochen | |
ist. Da wird unter anderem geprüft, in welchem Zusammenhang | |
Unternehmerspenden an die ÖVP mit Postenbesetzungen und | |
industriefreundlichen Gesetzesvorhaben stehen. | |
Nun aber gibt es Hinweise auf unverhältnismäßige politische Einflussnahme | |
auf den ORF, und zwar belegt durch Chat-Protokolle der FPÖ, die im | |
Zusammenhang mit Ibiza aufgetaucht sind. Am 8. Mai 2019, also eine gute | |
Woche vor dem Platzen der Affäre, war in diesen Chats die Rede von einer | |
„Übereinkunft mit der ÖVP“ und einer Vereinbarung mit ORF-Generaldirektor | |
Wrabetz. Es geht offenbar um die Besetzung der Geschäftsführung der | |
ORF-Onlinesparte. | |
Erst bündeln, dann intervenieren | |
Der FPÖ-Stiftungsratsvorsitzende Norbert Steger bittet im Chat unter | |
anderem seinen damaligen Parteichef Heinz-Christian Strache „um Mitteilung, | |
wie damit umzugehen ist, denn nach unserer Vereinbarung werden | |
Personalentscheidungen bei Trattner gebündelt und nach Prüfung an Franz | |
Maurer weitergegeben, bevor interveniert wird.“ Philipp Trattner saß im | |
Kabinett von Strache, und Franz Maurer stand dem FPÖ-Freundeskreis im | |
ORF-Stiftungsrat vor. Aha. Zuerst wird gebündelt, dann notfalls | |
interveniert. | |
Die FPÖ fühlt sich traditionell vom ORF, dem sie rot-grüne Schlagseite | |
vorwirft, ungerecht behandelt. Während ihrer Regierungsbeteiligung | |
versuchte sie die Teilprivatisierung des ORF durchzusetzen und ihre Leute | |
in Führungspositionen unterzubringen, um genehmere Berichterstattung zu | |
erwirken, das legen ebenfalls die Chat-Protokolle nahe. Norbert Steger ist | |
in der Vergangenheit aufgefallen, weil er Star-Anchorman Armin Wolf | |
„unbotmäßige“ Interviews mit Politikern vorwarf und die Abberufung des | |
Ungarn-Korrespondenten wegen Orbán-kritischer Berichterstattung forderte. | |
ORF-Chef Wrabetz hatte sich in beiden Fällen klar hinter seine Leute | |
gestellt. | |
Insgesamt attestieren die Redakteure, dass der Generaldirektor sich in | |
ihre Arbeit nicht einmische. Im jüngsten [3][profil ] versichert Wrabetz, | |
hinsichtlich der ORF-Onlineredaktion keine Absprachen getroffen zu haben. | |
Der FPÖ attestiert er eine „ziemliche WhatsApp-Logorrhö“. | |
Die Liberalen vermuten trotzdem einen „unfassbaren türkis-blauen | |
Postenschacher im ORF“. Nach dem Wunsch der NEOS-Abgeordneten Stephanie | |
Krisper soll Wrabetz demnächst vor dem U-Ausschuss erscheinen und zu den | |
Chats Auskunft geben. FPÖ-Mann Steger wiegelt derweil ab. „Für mich zählte | |
nie das Parteibuch, sondern die Qualifikation. Auch, wenn das manchen in | |
meiner Partei nicht gefallen hat,“ sagte er im Oktober in einem Interview | |
mit der Kronen Zeitung. | |
Den Redakteursrat des Senders überzeugt das nicht. Dieser fordert zum | |
wiederholten Mal ein neues ORF-Gesetz. „Der ORF gehört nicht den Parteien, | |
sondern den Österreicherinnen und Österreichern“, so ein Kommuniqué der | |
ORF-Redakteursvertreter. Im neuen ORF-Gesetz, das ihr vorschwebt, will die | |
Redaktion echte Mitspracherechte bei der Bestellung von Führungskräften | |
sowie die Möglichkeit, einen Chefredakteur, der ihr von der Politik | |
aufgedrückt wird, abzulehnen. | |
5 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /ORF-Journalisten-in-sozialen-Medien/!5516674 | |
[2] /Ibiza-Affaere-in-Oesterreich/!5691376 | |
[3] https://www.profil.at/oesterreich/alexander-wrabetz-mit-mir-gab-es-keine-ve… | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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