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# taz.de -- Wahl zum neuen ORF-Generaldirektor: Parteien mischen mit
> Wer leitet künftig den ORF in Österreich? Diese Frage wird am Dienstag
> entschieden. Es zeigt sich einmal mehr, welche Rolle die Politik dabei
> spielt.
Bild: Sebastian Kurz mit dem amtierenden ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz …
Wien taz | Am Dienstag wird der neue Generaldirektor von Österreichs
Leitmedium gewählt. Einige Medien, darunter das Magazin profil und die
Wochenzeitung Falter, wollen nicht von Wahl sprechen, sondern von
„Bestellung“. Laut profil-Herausgeber Christian Rainer habe der Vorgang
„mit einer Wahl so viel zu tun wie die Bestellung von Fidel Castro zum
Staatspräsidenten von Kuba hatte“. Denn nie zuvor konnte der Chef der
Regierungspartei so frei über die Leitung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks bestimmen. Es wird der bisherige Vizefinanzdirektor des ORF
Roland Weißmann werden.
Von den 35 Stiftungsräten, denen die „Wahl“ obliegt, sind 18 direkt oder
indirekt von der konservativen ÖVP entsandt. Damit keiner aus
Gewissensgründen ausscheren kann, wird diesmal nicht geheim, sondern offen
abgestimmt. Auch die drei grünen Stimmen werden – gegen das
Nominierungsrecht für zwei Posten auf der zweiten Ebene des ORF – in die
Waagschale geworfen. Medien berichten daher seit Wochen nur mit Sarkasmus
oder Zynismus über das Ritual, bei dem zehn Kandidaten und vier
Kandidatinnen zunächst in einem Hearing ihre Vorstellungen von der Zukunft
des ORF präsentieren dürfen.
Früher, als Mehrheiten gefunden werden mussten, gab es Abstimmungsrunden,
aus denen manchmal ein Kompromisskandidat als Sieger hervorging. Der
amtierende Generaldirektor Alexander Wrabetz, der eigentlich politisch der
SPÖ zugerechnet wird, hat sich dabei als so elastisch erwiesen, dass er
drei Amtsperioden in Folge dienen durfte – mehr als jeder seiner Vorgänger.
Diesmal werden ihm kaum Chancen eingeräumt. Er hat zwar, wie die Opposition
klagt, zugelassen, dass die „Zeit im Bild 1“, die wichtigste
Nachrichtensendung des Tages, zu [1][Sebastian-Kurz-Festspielen] verkommen
ist, doch stellt er sich meist mannhaft vor seine Redakteurinnen und
Redakteure, wenn sie von politischer Seite attackiert werden. Und in den
Spätnachrichten, der „Zeit im Bild 2“, darf Armin Wolf weiterhin Politiker
mit seinen scharfen Fragen löchern und darauf aufmerksam machen, dass sie
seine Fragen nicht beantwortet haben. Und der Radio-Kultursender Ö 1, der
täglich 24 Stunden werbungsfreien Qualitätsrundfunk liefert, ist für den
Geschmack von ÖVP und FPÖ linksgrün verseucht.
## Aussichtslose Kandidaten
Sämtliche ernstzunehmende Bewerber und die einzige bekannte Bewerberin
kommen aus dem Haus. Als Erste wagte sich Lisa Totzauer, Channel-Managerin
von ORF 1, aus der Deckung. Ihr wird zwar Kompetenz und ÖVP-Nähe
attestiert, doch ist sie nicht die Wunschkandidatin des Bundeskanzlers. Sie
habe zu viel Eigenständigkeit bewiesen, meinen Insider.
Online-Direktor Thomas Prantner weist gerne darauf hin, dass er nicht der
Kandidat der FPÖ ist, als der er wegen seiner einschlägigen Vergangenheit
gemeinhin gesehen wird. Zehn Kandidaten sind so aussichtslos, dass sie
schon im Vorfeld als „ferner liefen“ abgetan werden. Der Favorit Roland
Weißmann hat seine Kandidatur erst spät offiziell gemacht. Er weiß, dass er
keinen Wahlkampf braucht.
Man sollte meinen, dass der ORF vor einer so wichtigen Weichenstellung die
Kandidaten vorstellt und in Diskussionsrunden einlädt, ihre Pläne für
Digitalisierung, wachsende Konkurrenz der Privaten und Verhältnis zur
Politik auszuführen. Nichts dergleichen. Nur der Privatsender Puls24
brachte eine solche Runde zustande, bei der um das heiße Thema der
politischen Einflussnahme wacker herumgeredet wurde.
## Politisch organisierte „Freundeskreise“
Der bekannte Verfassungsjurist Heinz Mayer tobt seit Tagen auf Twitter
gegen die bevorstehende Farce und erinnert die Stiftungsräte an ihre
zivilrechtliche Haftbarkeit „wenn nicht der beste Bewerber, die beste
Bewerberin gewählt wird“. Er warnt: „Das kann teuer werden, wenn eine Klage
kommt.“
Sebastian Kurz hat sich nie zu seinen Vorstellungen vom
öffentlich-rechtlichen Fernsehen geäußert. Wird er auf die bevorstehende
„Wahl“ angesprochen, erwidert er, das sei Sache des Stiftungsrates, als
habe er nie von den politisch organisierten „Freundeskreisen“ in diesem
Gremium gehört.
9 Aug 2021
## LINKS
[1] /Medienexpertin-zu-Oesterreichs-Presse/!5782400
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
ORF
Sebastian Kurz
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Österreich
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Schwerpunkt Coronavirus
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