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# taz.de -- Corona-Quarantäne-WG des ORF: Der Newsroom als Isolationsbereich
> Wegen Corona wohnen 68 Angestellte des ORF in den Redaktionsräumen. So
> soll der Sendebetrieb aufrechterhalten bleiben.
Bild: Zuhause haben es die ORF-Mitarbeiter*innen sicherlich geräumiger
Wien taz | „Und das ist für die nächsten 14 Tage mein Bett“, sagt Armin
Wolf. Der bekannteste Anchorman des ORF lässt seine 437.292 Follower
[1][auf Twitter an seinem Alltag in der Sperrzone] Anteil nehmen. Denn seit
vergangenem Dienstag lebt ein Teil der Fernsehangestellten des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks Österreichs in einer Art Dschungelcamp am
Küniglberg, dem Sitz des ORF-Zentrums im 13. Wiener Bezirk.
An der Glastür, die den isolierten Bereich abtrennt, klebt ein von
Sicherheitschef Pius Strobl gezeichneter Hinweis. „Betriebsisolation
Newsroom“, warnt er in roten Blockbuchstaben: „Zutritt zum Newsroom nur
Personen im sendungskritischen Tätigkeitsbereich gestattet“. Es wäre eine
Frage der Zeit gewesen, bis sich der Erste im ORF ansteckt, sagt
Wirtschaftsredakteur Dieter Bornemann: „Wir hatten große Sorge, dass es zu
einer behördlichen Schließung des Newsrooms kommt“. Bornemann ist Teil des
68-köpfigen Teams, das einen isolierten Bereich im ORF-Zentrum zwei Wochen
nicht verlassen wird. Neben Journalisten und Moderatorinnen sind das
Techniker, Cutter, Grafiker, Kameraleute, das Team von der Maske und andere
unentbehrliche Mitarbeiterinnen.
Urheber der WG ist Pius Strobl, der den Sendebetrieb unter allen Umständen
aufrechterhalten will. „Wir haben unsere Notfallpläne den heute
maßgeblichen Szenarien angepasst“, sagt Strobl und meint Blackout, Terror,
Geiselnahme oder Naturkatastrophen, „aber ganz ehrlich – an ein Virus haben
wir nicht gedacht“.
Natürlich habe es auch im ORF „Verdachtsfälle“ gegeben, von denen einige
später als [2][Corona-positiv getestet wurden.] Es sei aber, so Strobl zur
taz, sehr schnell „die Erkenntnis gewachsen, dass Infektionen nichts mit
den Betriebsstätten oder der journalistischen Arbeit zu tun haben, sondern
im ‚privaten Bereich‘ passieren“, also durch die Familie oder
Freizeitverhalten.
## Betriebsfähigkeit erhalten
Die Konsequenz: „Wenn wir unsere Kernmannschaften schützen wollen, wenn wir
die Sende-, Produktions- und breite Betriebsfähigkeit erhalten wollen, dann
geht das auf Sicht nur mit Isolierung vor allen ‚Fremdkontakten‘“. Von
dieser Erkenntnis weg sei der Weg zur Umsetzung nur mehr eine Frage der
Zeit gewesen. Konsequenterweise sind 13- bis 20-köpfige Teams auch in
Isolationsbereiche der neun Landesstudios und bei Radio Ö3 eingezogen. Mehr
als 2.000 MitarbeiterInnen arbeiten vom Homeoffice zu.
Jede und jeder hat in einem Büro ein 80 Zentimeter breites Bett von Ikea
bekommen. „Ich muss gestehen, die Bettwäsche hätte ich mir eher nicht
ausgesucht“, twittert [3][Armin Wolf schelmisch] und mutmaßt, dass sie
„eine Firma dem ORF aus ihren unverkäuflichen Lagerbeständen überlassen“
habe. Bei Twitter erntet er dafür mitfühlende Kommentare.
Dreimal täglich wird in der ORF-WG Fieber gemessen. Sollte im
Isolationsbereich wer erkranken“, so Wolf, wäre das eher blöd. Da könnte
schnell das ganze Team ausfallen. Natürlich wurden alle einem gründlichen
Gesundheits-Check unterzogen. Die WG-Mitglieder sind nicht nur Corona-frei,
sie bringen auch sonst keine ansteckenden Krankheiten ins Camp. „Für den
Nasenabstrich fährt mir die Ärztin mit einem Staberl ziemlich weit ins
linke Nasenloch hinauf, echt unangenehm“, klagt Armin Wolf auf Twitter.
Den Freizeitraum, wo drei Pingpongtische, ein Tischfußball und drei
Playstations aufgestellt wurden, hat Dieter Bornemann noch nicht nützen
können. Nach den Spätnachrichten sei er mit der Beantwortung der vielen
E-Mails von Zuschauerinnen und Zuschauern beschäftigt. „Die Arbeit ist ja
viel intensiver, weil wir mehr Sendungen haben und weniger Leute sind.“
Die Zeit-im-Bild 1 um 19.30 Uhr, die auf allen Kanälen durchgeschaltet
wird, dauert statt 15 mehr als 30 Minuten, [4][praktisch täglich gibt es
Sondersendungen]. Die Wissenschaftler und Kommentatoren sind im
Dauereinsatz. Mehr als 90 Prozent der Medienkonsumenten schauen regelmäßig
die ORF-Nachrichten, bis zu 5 Millionen Zuschauer gab es.
„Wahrscheinlich waren wir die Ersten in der EBU (European Broadcasting
Union), die entschiedene Maßnahmen gesetzt haben“, freut sich Pius Strobl.
Und im Ausland interessiere man sich für das Experiment: „Wir sind im regen
Austausch mit unseren KollegInnen in der gesamten EBU.“ Strobl geht davon
aus, dass so weitergearbeitet, wird bis wieder Normalität einkehrt.
Genügend Freiwillige für die nächste Schicht gebe es bereits.
29 Mar 2020
## LINKS
[1] https://twitter.com/ArminWolf/status/1242576798917017602?s=20
[2] /Medienzensur-in-der-Coronakrise/!5670621
[3] /Bedrohte-Pressefreiheit-in-Oesterreich/!5591569
[4] /Medienkompetenz-in-Corona-Zeiten/!5668772
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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