| # taz.de -- Medienberichterstattung in Corona-Zeiten: Ungeeignetes Machtkampfna… | |
| > Viele Medien suggerieren derzeit einen Machtverlust der Politik zugunsten | |
| > von Virologen. Doch dieser Spin ist gefährlich. | |
| Bild: Politiker Jens Spahn (l.) und Virologe Christian Drosten gemeinsam unterw… | |
| „Dürfen Virologen und andere Experten das Sagen haben?“, fragt der Spiegel | |
| in seiner Titelstory. „Christian Drosten ist Deutschlands mächtigster Arzt“ | |
| (Tagesspiegel). „Wir hören zu viel auf Virologen“ (Bild). „Virologen | |
| regieren, die Politik hat abgedankt“ (NZZ). Die neue Macht der Virologen | |
| (Handelsblatt). „Virologen: Ist das unser neuer Kanzler?“ (Zeit Online). | |
| Viele Medien suggerieren [1][in Zeiten der Corona-Pandemie] einen | |
| Machtverlust der Politik zugunsten von Virologen. Dabei gibt es gar kein | |
| Machtnarrativ zwischen Politik und Wissenschaft. [2][Politik entscheidet.] | |
| Wissenschaft berät. | |
| Ich verstehe durchaus den Impuls der Medienmacher, die handelnden Akteure | |
| als Figuren einer Geschichte zu beschreiben, mit Helden und Widersachern. | |
| Aber in der Story, die ich sehe, ist die Rolle des Bösen bereits von einem | |
| todbringenden Virus besetzt. Und nicht von Politik und Virologen, die | |
| momentan versuchen diese Krise zu lösen. Die Virus-Story ist bereits stark | |
| genug. | |
| Das Framing von den mächtigen Virologen ist kein unterhaltsamer Spin, | |
| sondern es birgt die Gefahr, jene Transparenz zu zerstören, die es derzeit | |
| in der Thematik noch gibt. Christian Drosten – aber auch andere – haben | |
| dazu viel beigetragen. Das Wertvolle an dieser Transparenz war ebenso, über | |
| das Auf und Ab und Hin und Her schwieriger Prozesse informiert zu sein. Das | |
| macht es für die [3][Orientierung suchenden Bürger nicht immer einfacher], | |
| aber es macht es fairer. Dass etwas nicht einmal für Experten einfach ist, | |
| ist eine durchaus wichtige Information für uns Laien. Es mahnt zur | |
| Vorsicht. | |
| ## Eine Gesellschaft im Wartemodus | |
| Warum also nutzen derzeit so viele Medien dieses ungeeignete | |
| Machtkampf-Narrativ? Es gibt in der Tat eine Medienlogik, die immer fragt, | |
| wie die Story weitergeht, wie sich die Dramatik der Geschichte steigern | |
| lässt. Dieser Impuls trifft jetzt auf einen gewissen | |
| Corona-Ermüdungseffekt, eine Gesellschaft im Wartemodus. Eine Gesellschaft, | |
| die natürlich weiter unterhalten werden will. | |
| Hinzu kommt eine weitere Beobachtung: Dieses Machtkampf-Narrativ kommt im | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunk kaum vor. Warum das so ist, lässt sich | |
| momentan nur vermuten. Was feststeht: Printmedien sind dem Geschehen eher | |
| nachgelagert. Sie mögen verstärkt unter dem Zwang leiden, jede Story mit | |
| einem Spin anzureichern, damit diese sich noch weiterverkauft. | |
| Andererseits: Online laufen alle Redaktionen fast zeitgleich mit dem | |
| Geschehenen. Sie müssen sich möglichst schnell mit ihren Meldungen gegen | |
| eine Vielzahl von Konkurrenten online durchsetzen (++EIL++). Auch hier gibt | |
| es also den Druck, eine Geschichte aufzuladen, denn es geht um Klicks. | |
| Bleibt zu hoffen, dass sich Virologen wie Drosten in Zukunft nicht abhalten | |
| lassen. Und wenn es schon eine Story braucht: Wie wäre es mit der | |
| Geschichte von Politikern, die anscheinend jegliche Verantwortung so | |
| geschickt von sich wegkommunizieren, dass sich mittlerweile die Sorge | |
| verbreitet, Virologen wären die neuen Kanzler? | |
| 2 Apr 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eric Wallis | |
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