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# taz.de -- Presseförderung in Österreich: Star der Inszenierung
> Österreichs Boulevardzeitungen feiern Sebastian Kurz als Helden in der
> Coronakrise. Kein Wunder: Sie werden am stärksten vom Staat
> subventioniert.
Bild: 59 PR-Angestellte achten darauf, dass Kanzler Kurz in der Öffentlichkeit…
Wien taz | Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) [1][ist ein
Medienprofi]. Das beweist er auch in der Coronakrise bei seinen fast
täglichen Auftritten vor der Presse im Kanzleramt. Meist flankiert von
Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer
(ÖVP), fungiert er als Kommunikator und verkündet die neuesten Zahlen von
Infizierten, [2][dekretiert Ausgehbeschränkungen und Maskenpflicht] oder
kündigt vorsichtige Lockerungen im darniederliegenden Wirtschaftsleben an.
Von der Verhängung des Lockdown am 10. März bis Ostern – also innerhalb
eines Monats – wurde Österreichs Bevölkerung mit nicht weniger als 44
Pressekonferenzen der Bundesregierung – live übertragen im Fernsehen – auf
die Krisenbewältigung der Coronapandemie eingestimmt. Neun Mal ist dabei
der Regierungschef höchstselbst aufgetreten.
Längere Zeit hielten sich Medien und selbst die Opposition mit Kritik am
Vorgehen von Kanzler Kurz zurück. Der relativ frühe Lockdown hat bewirkt,
dass die Zahl der Neuinfektionen zurückgeht und inzwischen mehr Genesene
als aktuell Kranke registriert sind. Die Intensivstationen der Spitäler
sind weit von ihrer Kapazitätsgrenze entfernt.
Doch über die weitere Vorgehensweise wird nun kontrovers diskutiert. Kurz
ist für eine [3][möglichst langsame Öffnung], aber im Krisenstab denken
nicht alle so. Die Meinung des Kanzlers sei legitim, konzedieren zunehmend
auftretende kritische Stimmen in den Kolumnen der Zeitungen, doch warum
legt er nicht offen, welche Optionen es gibt? Den Public-Health-Experten
Martin Sprenger, der auf die psychologischen Folgen der Isolation vor allem
für Kinder hinweist und für eine rasche Rückkehr zum Schulbetrieb eintritt,
verunglimpfte Kurz öffentlich als „falschen Experten“. Sprenger zog sich
daraufhin aus dem Expertenbeirat der Corona-Taskforce zurück und bekommt
seither mehr Aufmerksamkeit in den Medien.
## Qualität vor Auflage
Stramm hinter Kurz steht das Boulevardblatt Kronen Zeitung, das Ende März
in seiner illustrierten Sonntagsbeilage ein geradezu hagiografisches
Titelporträt des Kanzlers – „Der Krisenmanager“ – nebst
Gefälligkeitsinterview brachte. Kurz und seine Regierung danken die
Hofberichterstattung mit einem Füllhorn an Sonderförderungen. Aus dem mit
12,1 Millionen Euro dotierten Coronatopf für Printmedien bekommt die Krone
mit 2,72 Millionen den üppigsten Happen, gefolgt von den nicht minder
Kurz-hörigen Gratisblättern Österreich und Heute (1,81 bzw. 1,82
Millionen).
Qualitätsblätter wie Der Standard, Die Presse oder Salzburger Nachrichten
werden mit je um die 500.000 Euro abgespeist. Der Medienwissenschaftler
Matthias Karmasin von der Akademie der Wissenschaften weiß sich nicht
allein mit der Forderung, die journalistische Qualität statt der Auflage zu
belohnen.
Armin Thurnher, Herausgeber der kritischen Wiener Wochenzeitung Falter, ist
über diese Art der Boulevardförderung so empört, dass er ihr gleich zwei
Leitartikel in Folge gewidmet hat. Da bleibt auch der immerhin 178
Millionen Euro schwere Topf von Inseraten der öffentlichen Hand nicht
unerwähnt. Allein die Kronen Zeitung nebst ihrem Kommerzradio Kronehit
bekam daraus 2018 nicht weniger als 20,4 Millionen Euro. Da verwundert es
nicht, dass Sebastian Kurz regelmäßig am Sonntag das Cover von Krone Bunt
ziert.
## Das Auftreten stimmt
Der Bundeskanzler überlässt, was seine öffentliche Erscheinung betrifft,
nichts dem Zufall. Die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der
oppositionellen Neos ergab, dass im Kanzleramt eine Phalanx von 59
Angestellten mit PR beschäftigt ist. „Ein total aufgeblasener Apparat“,
erregt sich Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter. Und Kurz’
Vertrauter und Medienbeauftragter Gerald Fleischmann fungiert in
Personalunion als „Kanzlerbeauftragter für Medien“ und Leiter der
„Stabsstelle Medien“.
Für Brandstötter ist das unvereinbar, wie sie gegenüber dem Standard
erklärte: „Beide Tätigkeiten sollten auf alle Fälle getrennt sein, damit
Medienpolitik nicht mit Öffentlichkeitsarbeit vermischt wird, was jetzt der
Fall ist.“
21 Apr 2020
## LINKS
[1] /Oesterreichs-Kanzler-Kurz-und-die-Justiz/!5659502
[2] /Kurz-verschaerft-Massnahmen/!5675569
[3] /Oesterreich-kuendigt-Lockerung-an/!5677294
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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