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# taz.de -- Österreichs Kanzler Kurz und die Justiz: Korruptionsjäger an die …
> Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz ist ein Meister der
> Öffentlichkeitsarbeit. Doch nun hat er sich kräftig verzockt.
Bild: Wollte erst nichts sagen, musste dann aber Stellung beziehen: Sebastian K…
Wien taz | Die Regierung greift nach der Justiz – nein, nicht von Polen ist
die Rede, auch nicht von Ungarn. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz
(ÖVP) muss sich vorwerfen lassen, sich die Anklagebehörden gefügig machen
zu wollen. „Offenbar will Kurz die WKStA (Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft) an die Kandare nehmen“, urteilte Beate
Meinl-Reisinger am Wochenende in der Presse. Meinl-Reisinger ist Chefin der
wirtschaftsliberalen Neos-Partei. Auch Walter Geyer, Ex-WKStA-Chef, sieht
einen „Angriff auf die Justiz mit dem Zweck, Druck aufzubauen, damit
‚sanft‘ ermittelt wird“.
Ursprung der Affäre ist ein Hintergrundgespräch, zu dem Kurz ausgewählte
Journalisten am 20. Januar geladen hatte. Hintergrund, das heißt im
deutschen Sprachgebrauch „unter drei“, es darf also nicht zitiert werden.
In diesem Gespräch soll der Kanzler gegen die WKStA vom Leder gezogen
haben. Sie bestehe aus einem Netzwerk roter Staatsanwälte, zum Teil im
sozialdemokratischen Bund Sozialistischer Akademiker organisiert. Sie
verfolgten mit Vorliebe ÖVP-Politiker aufgrund anonymer Anzeigen. Das sei
„ein Wahnsinn“. Die Presse solle darüber nachdenken.
Namentlich sei es um Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) gegangen, gegen
den im Zusammenhang mit Postengeschacher beim Glücksspielunternehmen
Casinos Austria ermittelt wird. Einige Medien – allen voran der ÖVP-nahe
Kurier – apportierten tags darauf auch gehorsam und stellten die
Korruptionsjäger mit teils nachweislich falschen Behauptungen in ein
schlechtes Licht.
Dass die Attacke aus dem Hinterhalt überhaupt publik wurde, ist Florian
Klenk, dem Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter, zu verdanken.
Klenk war zwar eingeladen, konnte aber nicht teilnehmen. Mehrere Kollegen
hätten ihm aber über die versuchte Medienbeeinflussung berichtet. In seinem
[1][Leitartikel] vergangenen Mittwoch rechtfertigte er die Enthüllung aus
einem vertraulichen Gespräch damit, dass Kurz „die demokratiehygienischen
Grenzen“ überschritten habe.
## Dokument von 1997 sorgt für Häme
Kurz wollte zu dem Vorwurf anfangs nicht Stellung beziehen. Schließlich
gelang es aber dem EU-Korrespondenten des ORF, Peter Fritz, Kurz in Brüssel
zu stellen. Er habe das „so nicht formuliert“, ruderte der Kanzler zurück
und ging gleichzeitig in die Offensive, indem er einen runden Tisch zur
Justizreform ankündigte. Alma Zadić, die grüne Justizministerin, machte
gute Miene zum bösen Spiel, stufte das Treffen aber auf einen
Gedankenaustausch zwischen Regierung und Staatsanwaltschaft zurück. Den
Kanzler bezeichnete sie listig als „Verbündeten“ im Bemühen um ein
ausreichendes Budget für ihr Ressort.
Vor dem Wochenende stach die ÖVP dann noch ein Dokument aus dem Jahr 1997
durch, aus dem hervorgeht, dass SPÖ-Politiker damals junge Parteifreunde
auffordern wollten, Berufe in der Justiz zu ergreifen. In den sozialen
Medien dominiert nun Häme über diese „Enthüllung“. Denn das seit neun
Jahren bekannte Papier dient der Kanzlerpartei als Beweis für eine
angebliche rote Unterwanderung – ungeachtet der Tatsache, dass die ÖVP vor
der Grünen Zadić mehr als zehn Jahre die Justizminister selbst gestellt
hatte, in deren Verantwortung die Ernennung von Staatsanwälten fällt.
Auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft wurde unter einer ÖVP-Ministerin ins
Leben gerufen. In ihr Visier sind Politiker fast aller Parteien geraten,
und die ihr vorgesetzte Oberstaatsanwaltschaft hat ihr kürzlich in einer
Evaluierung sogar „ausgezeichnete, teilweise sehr gute“ Arbeit attestiert.
Der sonst in PR-Taktik unübertroffene Sebastian Kurz scheint sich diesmal
verschätzt zu haben.
10 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.falter.at/zeitung/20200205/wie-sebastian-kurz-die-korruptionsbe…
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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