# taz.de -- Ausstellungsempfehlung für Berlin: Das Durchhaltevermögen von Glas | |
> Linien, die aus der Rolle tanzen, und mutige Vögel: Die Galerie Schwarz | |
> Contemporary zeigt eine neue Einzelausstellung der Künstlerin Monika | |
> Goetz. | |
Bild: Monika Goetz, „imminent“, Ausstellungsansicht | |
Eigentlich sind es nur fünf Arbeiten, die [1][Monika Goetz] in ihrer | |
Ausstellung „imminent“ bei [2][Schwarz Contemporary] präsentiert. Gefühlt | |
sind es mindestens sieben. So großzügig und raumfüllend bewegen sich die | |
Werke aus Glas, Spiegelglas und Glasgranulat, die hier in Form von | |
Wandarbeiten und Rauminstallationen zugegen sind. Die Farben, die die | |
Begegnungen in Goetz' vierter Einzelausstellung in der Galerie begleiten: | |
Grün, Grüngrau und Lichttransparent. | |
Neben Holz, das diesmal gänzlich abwesend ist, sind Glas und Licht seit | |
vielen Jahren die „Signature-Medien“ von Goetz. Der Anglizismus passt, denn | |
die Künstlerin, die mehrere Jahre in den USA gelebt hat, versteht es, ihren | |
Werken herrlich humorvolle, manchmal im Nachgeschmack äußerst ernste, | |
englische Titel mitzugeben. | |
„Hanging in there“ heißt zum Beispiel ein Paar aus Glasscheiben, die | |
zersprungen an der Wand zu hängen vermögen. Und zwar äußert fragil an einem | |
Nagel im Zentrum einer sichtlich zerstörerischen Bruchstelle. „Durchalten“ | |
also, ein Zuspruch, der nicht nur in der neuen pandemischen Krise helfen | |
mag. Dass das Leben Vieler auch vor COVID-19 permanent von sozialen und | |
humanitären Krisen- und Überlebenszuständen geprägt war, wird nicht nur in | |
den USA dieses Jahr besonders deutlich. Es ist schwer hier an einer Schaar | |
Tränen aus Glas und Silikon vorbeizulaufen, die den Titel „Weeping Wall“ | |
tragen, ohne an Klagemauern zu denken. | |
Aber auch der Titel einer weiteren prekären Arbeit, „Line, exhausted“, ist | |
auf der Sachebene wunderbar treffend und als Metapher genauso einschlägig: | |
Allein der Nagel, von dem sich die „Glaslinie“ amorph nach unten | |
herabhängen lässt, ist überfordernd überdimensional. Dass diese Linie sich | |
aber von ihrer Eigenschaft der Geradlinigkeit verabschiedet hat, ist nicht | |
unbedingt nur Zeichen von Erschöpfung, sondern zeugt auch von Widerstand | |
gegen festgeschriebene Rollen und Abgrenzungsfunktionen von/durch Form. | |
So trifft es sich am Ende, dass in der Raumarbeit „Displaced“ sogar die | |
Vögel mutig sind. Singvögel fliegen nah an einen Gänsegeier heran. Denn | |
ausgestorben sind die sechs Vogelarten nicht aneinander, sondern durch | |
menschlichen Zugriff auf ihren Lebensraum. Im Gegensatz zu den sorgfältig | |
reparierten Scheiben in „Hanging in there“, ist das Granulat, das die | |
Umrisse der Tiere bildet, nur vorsichtig aufgeschüttet – ein Windschlag nur | |
und sie würden sich auflösen. | |
16 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /!5355339/ | |
[2] https://www.schwarz-contemporary.com/ | |
## AUTOREN | |
Noemi Molitor | |
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