# taz.de -- Sicherer Rauschmittelkonsum: Hessen will Drogentests ermöglichen | |
> Das Bundesinstitut für Arzneimittel blockiert bisher jeden Versuch für | |
> Drugchecking-Projekte. Hessen will seinen Versuch nun gerichtlich | |
> durchsetzen. | |
Bild: Sorgt für sichereren Rausch: Drugchecking im Labor | |
Frankfurt a. M. taz | In den Niederlanden verbreitete sich 2014 das Bild | |
einer pinken Supermann-Pille, versehen mit einer Warnung. „Bitte nimm nicht | |
diese Pille“, hieß es dort: nicht etwa in privaten Chatgruppen, geteilt von | |
Freund zu Freundin, sondern zur besten Sendezeit im TV, im Radio und im | |
Internet. | |
Möglich machte es das niederländische Drugchecking, wo Konsumierende ihre | |
Pillen und Pulver auf gefährliche Beimischungen oder zu hohe | |
Substanzdosierungen testen lassen können. Finden diese Labore gefährliche | |
Substanzen, schlagen die Behörden dann Alarm – wie im Fall der | |
Supermann-Pille, wo das wahrscheinlich mehreren Menschen das Leben rettete. | |
In England, wo es kein solches Drugchecking gibt, starben mehrere Personen | |
an der gleichen Pillencharge. | |
In Deutschland ist das Testen von illegalen Drogen auf mögliche | |
Gefährlichkeit derzeit nicht möglich. Doch das könnte sich vielleicht | |
ändern: Das [1][schwarz-grün regierte Bundesland Hessen] will gerichtlich | |
erreichen, dass es einen wissenschaftlich begleiteten Modellversuch | |
durchführen kann. In festen Büros und mobil, etwa bei Partys, sollen | |
Konsumierende nach Vorstellung des grünen Gesundheitsministeriums ihre | |
Drogen prüfen lassen können, um so gesundheitliche Schäden zu minimieren, | |
teilt eine Sprecherin der taz auf Anfrage mit. Auch Berlin [2][plant | |
Drugchecking-Projekte]. | |
Nur: Um das zu erreichen, hat das Land Hessen einen mächtigen Gegner. Als | |
erstes Bundesland lässt sich Hessen nun auf einen Rechtsstreit mit dem | |
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein. Denn das | |
Institut hat den Antrag der von der Landesregierung mit der Studie | |
beauftragten Hochschule Koblenz für den Modellversuch abgelehnt – genau wie | |
bisher jeden anderen Vorstoß zum Thema. Kritiker*innen gilt das Institut | |
mittlerweile nicht mehr als Genehmigungsbehörde, sondern als „Bastion der | |
Repression“. | |
## Unklare Rechtslage | |
Die Position des BfArM: Es geht davon aus, dass nur Apotheken die | |
gesetzliche Erlaubnis haben, illegale Substanzen zu testen. Dabei könnte | |
das Institut auch Sondererlaubnisse erteilen, beispielsweise wenn dies im | |
öffentlichen Interesse ist. Durch eine Sondererlaubnis würde das Land | |
Hessen zudem ein mögliches weiteres Problem umgehen: dass sich die Labore | |
wegen „unerlaubten Besitzes“ von Konsummitteln strafbar machen. Auch das | |
wenden manche Skeptiker gegen ein solches Projekt ein. | |
Allerdings: „Die Rechtslage ist bei dem Thema sehr unklar“, sagt Cornelius | |
Nestler der taz. Der Strafrechtsprofessor der Universität Köln hat ein | |
Rechtsgutachten zu Drugchecking verfasst. Für ihn sprechen gleich mehrere | |
Punkte für die Legalität des Drugcheckings, es gehe auch um | |
Forschungsfreiheit: „Wenn das BfArM nicht einmal Forschungsprojekte zu dem | |
Thema genehmigt, kommt das einem Forschungsverbot gleich.“ Paragraf 3 des | |
Betäubungsmittelgesetzes erlaube explizit Ausnahmegenehmigungen „zu | |
wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden | |
Zwecken“. Gesundheitlichen Schaden von Nutzenden abzuhalten könnte zudem | |
ein öffentliches Interesse begründen. | |
Zudem hat Nestler generelle Zweifel daran, ob sich Drugchecking-Labore | |
überhaupt strafbar wegen des Besitzes von Drogen machen können. „Sie | |
vernichten die Drogen direkt durch den Test“, erklärt der Jurist. | |
„Konsumierende reichen beispielsweise eine viertel Pille für den Test ein, | |
diese wird durch das Testverfahren zerstört.“ | |
Heino Stöver, Suchtforscher der Hochschule Frankfurt, betont im Gespräch | |
mit der taz den Nutzen des Drugcheckings: „In Ländern, in denen sich das | |
Drugchecking etabliert ist, hat die Forschung keinen Anstieg des Konsums | |
beobachtet. Es ist stattdessen ein Weg, gesundheitlichen Schäden | |
vorzubeugen bei Personen, die so und so konsumierten.“ Die Test hätten | |
zudem den Vorteil, dass dadurch auch Kontakt zu den Konsumierenden zustande | |
kommen könnte. „Die meisten Programme richten sich an Schwerstabhängige und | |
nicht Gelegenheitskonsumierende“, an die könne man nun rankommen. | |
Nun muss das Verwaltungsgericht Köln entscheiden. Ein Termin für die | |
mündliche Verhandlung steht noch nicht fest. | |
18 Nov 2020 | |
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[1] /Die-Gruenen-und-der-Dannenroeder-Forst/!5723948 | |
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## AUTOREN | |
Alina Leimbach | |
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