# taz.de -- Drogenexpertin über Cannabis in Uruguay: „Das beste Gesetz weltw… | |
> Seit 2013 hat Uruguay den Markt für Cannabis staatlich reguliert – für | |
> die Ärztin Raquel Peyraube ein großer Erfolg. Sie sieht aber auch Fehler. | |
Bild: Cannabis-Messe in Montevideo: Vieles ist erreicht, aber noch mehr ist mö… | |
taz: Frau Peyraube, im Jahr 2013 hat Uruguay den [1][Markt für Marihuana | |
staatlich reguliert]. Wie ist die Bilanz? | |
Raquel Peyraube: Im weltweiten Vergleich funktioniert das uruguayische | |
Modell am besten. Es handelt sich nicht einfach um eine Liberalisierung, | |
bei der alles dem Markt überlassen wird, sondern der Staat übernimmt | |
Verantwortung für die Sicherheit, die Menschenrechte und die öffentliche | |
Gesundheit. Das staatlich regulierte Gras ist nicht mit weiteren Substanzen | |
versetzt oder Pestiziden belastet, sondern wird biologisch angebaut und der | |
THC-Gehalt ist gesetzlich reguliert. Das Gesetz ist sehr gut, bei der | |
Umsetzung hakt es aber noch. | |
Was sollte besser laufen? | |
Die Implementierung verläuft sehr langsam. Nachdem das Gesetz verabschiedet | |
wurde, erwarteten viele Nutzer, dass sie Cannabis nun legal beziehen | |
könnten. Denn Marihuana individuell oder gemeinschaftlich in Cannabisklubs | |
anzubauen, wie es das Gesetz ebenfalls vorsieht, ist für die meisten Leute | |
keine Option. Bis Cannabis staatlich in Apotheken verkauft wurde, | |
[2][vergingen aber mehrere Jahre]. Und die dort angebotene Menge reicht | |
bisher nicht für die Nachfrage aus. Das Hauptziel, den Schwarzmarkt für | |
Drogenhandel trockenzulegen, konnte daher nicht erreicht werden. Und es ist | |
auch nicht der beste Weg, dass Cannabis nun in Apotheken verkauft wird. | |
Warum nicht? | |
Cannabis zu Genusszwecken in Apotheken anzubieten, ist etwa so, als würde | |
man dort auch Wein oder Tabak verkaufen. Besser wäre, eigene Cannabisshops | |
zu schaffen, mit psychosozialer Betreuung, um Schaden zu minimieren. Was | |
hingegen sehr wohl in der Apotheke angeboten werden sollte, sind | |
Medikamente auf Basis von Cannabis. Aber bei der medizinischen und | |
therapeutischen Nutzung, die das Gesetz auch ausdrücklich vorsieht, ist so | |
gut wie nichts passiert. | |
Woran liegt das? | |
Innerhalb der staatlichen Bürokratie wird Cannabis teilweise noch immer | |
verteufelt. Aber die medizinische Nutzung von Cannabis ist viel sicherer | |
als viele der Medikamente, die ganz selbstverständlich in Apotheken | |
verkauft werden. Dabei wäre es nicht einmal notwendig, Lizenzen für die | |
Herstellung von Medikamenten zu erteilen. Es gibt zahlreiche therapeutische | |
Anwendungen, die das Gesundheitsministerium ohne großen Aufwand hätte | |
genehmigen können und die dann gesetzlichen Qualitätsansprüchen genügen | |
würden. Bisher gibt es jedoch nur ein Präparat in zwei unterschiedlichen | |
Konzentrationen sowie eine Creme. Das heißt, wer Cannabis zur medizinischen | |
Nutzung beziehen will, kann in der Apotheke zwar Marihuana kaufen, muss | |
sich medizinische Präparate aber selbst herstellen. Das ist absurd. | |
Gegen die staatliche Regulierung des Cannabismarktes in Uruguay gab es | |
damals viel Gegenwind, selbst aus der UNO. Dadurch werde vor allem die Zahl | |
abhängiger Jugendlicher steigen und viel Schaden angerichtet, hieß es. | |
Haben sich diese Vorhersagen bewahrheitet? | |
Nein, keines der prophezeiten Katastrophenszenarien traf ein. Der Konsum | |
hat zwar zugenommen, aber laut Studien weniger als in prohibitionistischen | |
Ländern wie Frankreich, Argentinien oder Brasilien. Überfälle auf Apotheken | |
hat es überhaupt nicht gegeben. Bevor das Gesetz beschlossen wurde, waren | |
lediglich 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung mit der Regulierung | |
einverstanden. Heute stimmen der medizinischen Nutzung weit über 90 und der | |
Nutzung zu Freizeitzwecken über 60 Prozent zu. Viele Politiker, Ärzte, | |
Psychotherapeuten, die zuvor dagegen waren, sind heute dafür. | |
Inwiefern kann Uruguay andern Ländern als Vorbild dienen? | |
Ich würde nicht von Vorbild sprechen. Aber andere Länder können von den | |
positiven wie negativen Erfahrungen aus Uruguay lernen. Uruguay gilt in dem | |
Bereich als Referenz, viele Politiker schauen sich die Regulierung genau | |
an, bevor sie eigene Schritte in ihren Ländern beschließen. Bei uns gibt es | |
keine Happy Hour wie beispielsweise im US-Bundesstaat Colorado, der nicht | |
auf Regulierung, sondern Marktliberalisierung setzt. Das ist aus Sicht der | |
öffentlichen Gesundheit aber nicht vertretbar und wiederholt die gleichen | |
Fehler wie beim Alkohol. | |
Bei der Stichwahl um die Präsidentschaft im vergangenen November hat sich | |
nach 15 Jahren Regierungszeit des Linksbündnisses Frente Amplio die Rechte | |
durchgesetzt. Was heißt das für die Drogenpolitik? | |
Vor ein paar Jahren hat die Rechte immer gesagt, dass sie das Gesetz sofort | |
wieder abschaffen wird, wenn sie die Wahl gewinnt. Heute ist davon keine | |
Rede mehr. Das Thema kam in der Wahlkampagne im vergangenen Jahr nicht | |
einmal vor. Die Zugangswege, die sich geöffnet haben, kann und wird die | |
Rechte nicht wieder verschließen. Das wäre auch schwer zu vermitteln, | |
nachdem all die apokalyptischen Vorhersagen nicht eingetroffen sind und | |
eine klare Mehrheit der Bevölkerung heute hinter der Regulierung steht. | |
Dafür ist die Erfahrung, die wir in Uruguay gemacht haben, zu positiv. | |
22 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Lambert | |
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